Dieser antagonistische Charakter der kapitalisti- schen Accumulation88) ist in verschiedenen Formen von politischen Oekonomen ausgesprochen, obgleich sie zum Theil zwar analoge, aber dennoch wesentlich verschiedene Erscheinungen vorkapitalistischer Produktionsweisen damit zusammenwerfen.
Der venetianische Mönch Ortes, einer der grossen ökonomischen Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, fasst den Antagonismus der kapi- talistischen Produktion als allgemeines Naturgesetz des gesellschaftlichen Reichthums. "Das Ökonomisch Gute und ökono- misch Böse halten sich in einer Nation stets das Gleichgewicht ("il bene ed il male economico in una nazione sempre all' istessa misura"), die Fülle der Güter für Einige ist immer gleich dem Mangel derselben für Andre ("la copia dei beni in alcuni sempre equale alla mancanza di esse in altri"). Grosser Reichthum in Einigen ist stets begleitet von absoluter Beraubung des Nothwendigen in viel mehr andern"89). Der Reichthum einer Nation entspricht ihrer Bevölkerung und ihr Elend entspricht ihrem Reichthum. Die Arbeitsamkeit in Einigen erzwingt den Müssiggang in Andern. Die Armen und Müssigen sind eine nothwendige Frucht der Reichen und Thätigen u. s. w. In ganz grober Weise verherrlichte ungefähr 10 Jahre nach Ortes der hochkirchliche protestantische Pfaffe Town- send die Armuth als nothwendige Bedingung des Reichthums. "Ge- setzlicher Zwang zur Arbeit ist verbunden mit zu viel Mühe, Gewaltsamkeit und Geräusch, während der Hunger nicht nur ein friedlicher, schweigsamer, unaufhörlicher Druck, sondern als natürlich-
88) "De jour en jour il devient donc plus clair que les rapports de production dans lesquels se meut la bourgeoisie n'ont pas un caractere un, un caractere simple, mais un caractere de duplicite; que dans les memes rapports dans lesquels se produit la richesse, la misere se produit aussi; que dans les memes rapports dans lesquels il y a developpement des forces productives, il y a une force produc- tive de repression; que ces rapports ne produisent la richesse bourgeoise, c'est a dire la richesse de la classe bourgeoise, qu'en aneantissant continuellement la richesse des membres integrants de cette classe et en produisant un proletariat toujours croissant." (Karl Marx: "Misere de la Philosophie", p. 116.)
89) G. Ortes: "Della Economia Nazionale, libri sei 1777", bei Custodi, Parte Moderna. t. XXI, p. 6, 9, 22, 25 etc. Ortes sagt l. c. p. 32: "In luoco di progettar sistimi inutili per la felicita de' popoli, mi limitero a investigare la ragione della loro infelicita."
Dieser antagonistische Charakter der kapitalisti- schen Accumulation88) ist in verschiedenen Formen von politischen Oekonomen ausgesprochen, obgleich sie zum Theil zwar analoge, aber dennoch wesentlich verschiedene Erscheinungen vorkapitalistischer Produktionsweisen damit zusammenwerfen.
Der venetianische Mönch Ortes, einer der grossen ökonomischen Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, fasst den Antagonismus der kapi- talistischen Produktion als allgemeines Naturgesetz des gesellschaftlichen Reichthums. „Das Ökonomisch Gute und ökono- misch Böse halten sich in einer Nation stets das Gleichgewicht („il bene ed il male economico in una nazione sempre all’ istessa misura“), die Fülle der Güter für Einige ist immer gleich dem Mangel derselben für Andre („la copia dei beni in alcuni sempre equale alla mancanza di esse in altri“). Grosser Reichthum in Einigen ist stets begleitet von absoluter Beraubung des Nothwendigen in viel mehr andern“89). Der Reichthum einer Nation entspricht ihrer Bevölkerung und ihr Elend entspricht ihrem Reichthum. Die Arbeitsamkeit in Einigen erzwingt den Müssiggang in Andern. Die Armen und Müssigen sind eine nothwendige Frucht der Reichen und Thätigen u. s. w. In ganz grober Weise verherrlichte ungefähr 10 Jahre nach Ortes der hochkirchliche protestantische Pfaffe Town- send die Armuth als nothwendige Bedingung des Reichthums. „Ge- setzlicher Zwang zur Arbeit ist verbunden mit zu viel Mühe, Gewaltsamkeit und Geräusch, während der Hunger nicht nur ein friedlicher, schweigsamer, unaufhörlicher Druck, sondern als natürlich-
88) „De jour en jour il devient donc plus clair que les rapports de production dans lesquels se meut la bourgeoisie n’ont pas un caractère un, un caractère simple, mais un caractère de duplicité; que dans les mêmes rapports dans lesquels se produit la richesse, la misère se produit aussi; que dans les mêmes rapports dans lesquels il y a développement des forces productives, il y a une force produc- tive de répression; que ces rapports ne produisent la richesse bourgeoise, c’est à dire la richesse de la classe bourgeoise, qu’en anéantissant continuellement la richesse des membres intégrants de cette classe et en produisant un prolétariat toujours croissant.“ (Karl Marx: „Misère de la Philosophie“, p. 116.)
89) G. Ortes: „Della Economia Nazionale, libri sei 1777“, bei Custodi, Parte Moderna. t. XXI, p. 6, 9, 22, 25 etc. Ortes sagt l. c. p. 32: „In luoco di progettar sistimi inutili per la felicità de’ popoli, mi limiterò a investigare la ragione della loro infelicità.“
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Dieser antagonistische Charakter der kapitalisti-
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Oekonomen ausgesprochen, obgleich sie zum Theil zwar analoge, aber
dennoch wesentlich verschiedene Erscheinungen vorkapitalistischer
Produktionsweisen damit zusammenwerfen.
Der venetianische Mönch Ortes, einer der grossen ökonomischen
Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, fasst den Antagonismus der kapi-
talistischen Produktion als allgemeines Naturgesetz des
gesellschaftlichen Reichthums. „Das Ökonomisch Gute und ökono-
misch Böse halten sich in einer Nation stets das Gleichgewicht („il bene
ed il male economico in una nazione sempre all’ istessa misura“), die Fülle
der Güter für Einige ist immer gleich dem Mangel derselben für Andre
(„la copia dei beni in alcuni sempre equale alla mancanza di esse in altri“).
Grosser Reichthum in Einigen ist stets begleitet von absoluter Beraubung
des Nothwendigen in viel mehr andern“ 89). Der Reichthum einer Nation
entspricht ihrer Bevölkerung und ihr Elend entspricht ihrem Reichthum.
Die Arbeitsamkeit in Einigen erzwingt den Müssiggang in Andern.
Die Armen und Müssigen sind eine nothwendige Frucht der Reichen
und Thätigen u. s. w. In ganz grober Weise verherrlichte ungefähr
10 Jahre nach Ortes der hochkirchliche protestantische Pfaffe Town-
send die Armuth als nothwendige Bedingung des Reichthums. „Ge-
setzlicher Zwang zur Arbeit ist verbunden mit zu viel
Mühe, Gewaltsamkeit und Geräusch, während der Hunger nicht nur
ein friedlicher, schweigsamer, unaufhörlicher Druck, sondern als natürlich-
88) „De jour en jour il devient donc plus clair que les rapports de production
dans lesquels se meut la bourgeoisie n’ont pas un caractère un, un caractère
simple, mais un caractère de duplicité; que dans les mêmes rapports dans lesquels
se produit la richesse, la misère se produit aussi; que dans les mêmes rapports
dans lesquels il y a développement des forces productives, il y a une force produc-
tive de répression; que ces rapports ne produisent la richesse bourgeoise,
c’est à dire la richesse de la classe bourgeoise, qu’en anéantissant continuellement
la richesse des membres intégrants de cette classe et en produisant un prolétariat
toujours croissant.“ (Karl Marx: „Misère de la Philosophie“, p. 116.)
89) G. Ortes: „Della Economia Nazionale, libri sei 1777“, bei
Custodi, Parte Moderna. t. XXI, p. 6, 9, 22, 25 etc. Ortes sagt l. c.
p. 32: „In luoco di progettar sistimi inutili per la felicità de’ popoli, mi limiterò
a investigare la ragione della loro infelicità.“
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/652>, abgerufen am 26.06.2024.
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