Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

unabhängigem Vermögen verdanken ihr Vermögen fast ganz der Ar-
beit Andrer, nicht ihrer eignen Fähigkeit, die durchaus nicht besser
ist als die der Andern; es ist nicht der Besitz von Land und
Geld, sondern das Kommando über Arbeit ("the command of la-
bour"), das die Reichen von den Armen unterscheidet ... Was dem
Armen zusagt, ist nicht eine verworfene oder servile Lage, sondern ein
bequemes und liberales Abhängigkeitsverhältniss ("a
state of easy and liberal dependance"), und für die Leute von Eigenthum
hinreichender Einfluss und Autorität über die, die für sie arbeiten ...
Ein solches Abhängigkeitsverhältniss ist, wie jeder Kenner der mensch-
lichen Natur weiss, nothwendig für den Komfort der Arbeiter
selbst"75). Sir F. M. Eden, beiläufig bemerkt, ist der einzige
Schüler Adam Smith's, der während des achtzehnten Jahrhunderts
etwas Bedeutendes geleistet hat76).


75) Eden l. c. v. I, l. I, ch. I und Preface.
76) Sollte der Leser an Malthus erinnern, dessen "Essay on Popu-
lation" 1798 erschien, so erinnere ich, dass diese Schrift in ihrer ersten Form
(und die späteren Ausgaben stopften nur Material in das alte Schema und fügten
neues, aber nicht von Malthus entdecktes, sondern nur annexirtes zu) nichts
als ein schülerhaft oberflächliches und pfäffisch verdeklamirtes Plagiat aus Sir
James Steuart, Townsend, Franklin, Wallace u. s. w. ist und nicht einen
einzigen selbstgedachten Satz enthält. Nebenbei bemerkt. Obgleich
Malthus Pfaffe der englischen Hochkirche, hatte er das Mönchsgelübde des Cöli-
bats abgelegt. Diess ist nämlich eine der Bedingungen der fellowship der prote-
stantischen Universität zu Cambridge. "Socios collegiorum maritos esse
non permittimus, sed statim postquam quis uxorem duxerit,
socius collegii desinatesse." ("Reports of Cambridge Univer-
sity Commission", p. 172.) Dieser Umstand unterscheidet Malthus vortheil-
haft von den andern protestantischen Pfaffen, die das katholische Gebot des
Priestercölibats von sich selbst abgeschüttelt und das "Seid fruchtbar und mehret
euch" in solchem Mass als ihre specifisch biblische Mission vindicirt haben, dass
sie überall in wahrhaft unanständigem Grad zur Vermehrung der Bevölkerung bei-
tragen, während sie gleichzeitig den Arbeitern das "Populationsprincip" predigen.
Es ist charakteristisch, dass der ökonomisch travestirte Sündenfall, der Adams-
apfel, der "urgent appetite", "the checks which tend to blunt the shafts of
Cupid", wie Pfaff Townsend munter sagt, dass dieser kitzliche Punkt von den
Herrn von der protestantischen Theologie oder vielmehr Kirche monopoli-
sirt ward und wird. Mit Ausnahme des venetianischen Mönches Ortes, eines
originellen und geistreichen Schriftstellers, sind die meisten Populationslehrer

unabhängigem Vermögen verdanken ihr Vermögen fast ganz der Ar-
beit Andrer, nicht ihrer eignen Fähigkeit, die durchaus nicht besser
ist als die der Andern; es ist nicht der Besitz von Land und
Geld, sondern das Kommando über Arbeit („the command of la-
bour“), das die Reichen von den Armen unterscheidet … Was dem
Armen zusagt, ist nicht eine verworfene oder servile Lage, sondern ein
bequemes und liberales Abhängigkeitsverhältniss („a
state of easy and liberal dependance“), und für die Leute von Eigenthum
hinreichender Einfluss und Autorität über die, die für sie arbeiten …
Ein solches Abhängigkeitsverhältniss ist, wie jeder Kenner der mensch-
lichen Natur weiss, nothwendig für den Komfort der Arbeiter
selbst“75). Sir F. M. Eden, beiläufig bemerkt, ist der einzige
Schüler Adam Smith’s, der während des achtzehnten Jahrhunderts
etwas Bedeutendes geleistet hat76).


75) Eden l. c. v. I, l. I, ch. I und Preface.
76) Sollte der Leser an Malthus erinnern, dessen „Essay on Popu-
lation“ 1798 erschien, so erinnere ich, dass diese Schrift in ihrer ersten Form
(und die späteren Ausgaben stopften nur Material in das alte Schema und fügten
neues, aber nicht von Malthus entdecktes, sondern nur annexirtes zu) nichts
als ein schülerhaft oberflächliches und pfäffisch verdeklamirtes Plagiat aus Sir
James Steuart, Townsend, Franklin, Wallace u. s. w. ist und nicht einen
einzigen selbstgedachten Satz enthält. Nebenbei bemerkt. Obgleich
Malthus Pfaffe der englischen Hochkirche, hatte er das Mönchsgelübde des Cöli-
bats abgelegt. Diess ist nämlich eine der Bedingungen der fellowship der prote-
stantischen Universität zu Cambridge. „Socios collegiorum maritos esse
non permittimus, sed statim postquam quis uxorem duxerit,
socius collegii desinatesse.“ („Reports of Cambridge Univer-
sity Commission“, p. 172.) Dieser Umstand unterscheidet Malthus vortheil-
haft von den andern protestantischen Pfaffen, die das katholische Gebot des
Priestercölibats von sich selbst abgeschüttelt und das „Seid fruchtbar und mehret
euch“ in solchem Mass als ihre specifisch biblische Mission vindicirt haben, dass
sie überall in wahrhaft unanständigem Grad zur Vermehrung der Bevölkerung bei-
tragen, während sie gleichzeitig den Arbeitern das „Populationsprincip“ predigen.
Es ist charakteristisch, dass der ökonomisch travestirte Sündenfall, der Adams-
apfel, der „urgent appetite“, „the checks which tend to blunt the shafts of
Cupid“, wie Pfaff Townsend munter sagt, dass dieser kitzliche Punkt von den
Herrn von der protestantischen Theologie oder vielmehr Kirche monopoli-
sirt ward und wird. Mit Ausnahme des venetianischen Mönches Ortes, eines
originellen und geistreichen Schriftstellers, sind die meisten Populationslehrer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0622" n="603"/>
unabhängigem Vermögen verdanken ihr Vermögen <hi rendition="#g">fast ganz der Ar-<lb/>
beit Andrer</hi>, nicht ihrer eignen Fähigkeit, die durchaus nicht besser<lb/>
ist als die der Andern; <hi rendition="#g">es ist nicht der Besitz von Land und<lb/>
Geld</hi>, sondern das <hi rendition="#g">Kommando über Arbeit</hi> (&#x201E;the command of la-<lb/>
bour&#x201C;), das die Reichen von den Armen unterscheidet &#x2026; Was dem<lb/>
Armen zusagt, ist nicht eine verworfene oder servile Lage, sondern ein<lb/><hi rendition="#g">bequemes und liberales Abhängigkeitsverhältniss</hi> (&#x201E;a<lb/>
state of easy and liberal dependance&#x201C;), und für die Leute von Eigenthum<lb/>
hinreichender Einfluss und Autorität <hi rendition="#g">über die</hi>, die <hi rendition="#g">für</hi> sie arbeiten &#x2026;<lb/>
Ein solches Abhängigkeitsverhältniss ist, wie jeder Kenner der mensch-<lb/>
lichen Natur weiss, <hi rendition="#g">nothwendig für den Komfort der Arbeiter<lb/>
selbst</hi>&#x201C;<note place="foot" n="75)"><hi rendition="#g">Eden</hi> l. c. v. I, l. I, ch. I und <hi rendition="#g">Preface</hi>.</note>. <hi rendition="#g">Sir</hi> F. M. <hi rendition="#g">Eden</hi>, beiläufig bemerkt, <hi rendition="#g">ist der einzige<lb/>
Schüler Adam Smith&#x2019;</hi>s, der während des achtzehnten Jahrhunderts<lb/>
etwas Bedeutendes geleistet hat<note xml:id="seg2pn_94_1" next="#seg2pn_94_2" place="foot" n="76)">Sollte der Leser an <hi rendition="#g">Malthus</hi> erinnern, dessen &#x201E;<hi rendition="#g">Essay on Popu-<lb/>
lation</hi>&#x201C; 1798 erschien, so erinnere ich, dass diese Schrift in ihrer ersten Form<lb/>
(und die späteren Ausgaben stopften nur Material in das alte Schema und fügten<lb/><hi rendition="#g">neues</hi>, aber <hi rendition="#g">nicht</hi> von Malthus entdecktes, sondern nur annexirtes zu) nichts<lb/>
als ein schülerhaft oberflächliches und pfäffisch verdeklamirtes <hi rendition="#g">Plagiat</hi> aus Sir<lb/>
James Steuart, Townsend, Franklin, Wallace u. s. w. ist und <hi rendition="#g">nicht einen<lb/>
einzigen selbstgedachten Satz</hi> enthält. Nebenbei bemerkt. Obgleich<lb/>
Malthus Pfaffe der englischen Hochkirche, hatte er das Mönchsgelübde des Cöli-<lb/>
bats abgelegt. Diess ist nämlich eine der Bedingungen der fellowship der <hi rendition="#g">prote-<lb/>
stantischen</hi> Universität zu Cambridge. &#x201E;Socios collegiorum <hi rendition="#g">maritos esse<lb/>
non permittimus</hi>, sed <hi rendition="#g">statim postquam quis uxorem duxerit,<lb/>
socius collegii desinatesse</hi>.&#x201C; (&#x201E;<hi rendition="#g">Reports of Cambridge Univer-<lb/>
sity Commission</hi>&#x201C;, p. 172.) Dieser Umstand unterscheidet Malthus vortheil-<lb/>
haft von den andern protestantischen Pfaffen, die das katholische Gebot des<lb/>
Priestercölibats von sich selbst abgeschüttelt und das &#x201E;Seid fruchtbar und mehret<lb/>
euch&#x201C; in solchem Mass als ihre specifisch biblische Mission vindicirt haben, dass<lb/>
sie überall in wahrhaft unanständigem Grad zur Vermehrung der Bevölkerung bei-<lb/>
tragen, während sie gleichzeitig den Arbeitern das &#x201E;Populationsprincip&#x201C; predigen.<lb/>
Es ist charakteristisch, dass der ökonomisch travestirte <hi rendition="#g">Sündenfall</hi>, der Adams-<lb/>
apfel, der &#x201E;urgent appetite&#x201C;, &#x201E;the checks which tend to blunt the shafts of<lb/>
Cupid&#x201C;, wie Pfaff Townsend munter sagt, dass dieser kitzliche Punkt von den<lb/>
Herrn von der <hi rendition="#g">protestantischen</hi> Theologie oder vielmehr Kirche monopoli-<lb/>
sirt ward und wird. Mit Ausnahme des venetianischen Mönches <hi rendition="#g">Ortes</hi>, eines<lb/>
originellen und geistreichen Schriftstellers, sind die meisten Populationslehrer</note>.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[603/0622] unabhängigem Vermögen verdanken ihr Vermögen fast ganz der Ar- beit Andrer, nicht ihrer eignen Fähigkeit, die durchaus nicht besser ist als die der Andern; es ist nicht der Besitz von Land und Geld, sondern das Kommando über Arbeit („the command of la- bour“), das die Reichen von den Armen unterscheidet … Was dem Armen zusagt, ist nicht eine verworfene oder servile Lage, sondern ein bequemes und liberales Abhängigkeitsverhältniss („a state of easy and liberal dependance“), und für die Leute von Eigenthum hinreichender Einfluss und Autorität über die, die für sie arbeiten … Ein solches Abhängigkeitsverhältniss ist, wie jeder Kenner der mensch- lichen Natur weiss, nothwendig für den Komfort der Arbeiter selbst“ 75). Sir F. M. Eden, beiläufig bemerkt, ist der einzige Schüler Adam Smith’s, der während des achtzehnten Jahrhunderts etwas Bedeutendes geleistet hat 76). 75) Eden l. c. v. I, l. I, ch. I und Preface. 76) Sollte der Leser an Malthus erinnern, dessen „Essay on Popu- lation“ 1798 erschien, so erinnere ich, dass diese Schrift in ihrer ersten Form (und die späteren Ausgaben stopften nur Material in das alte Schema und fügten neues, aber nicht von Malthus entdecktes, sondern nur annexirtes zu) nichts als ein schülerhaft oberflächliches und pfäffisch verdeklamirtes Plagiat aus Sir James Steuart, Townsend, Franklin, Wallace u. s. w. ist und nicht einen einzigen selbstgedachten Satz enthält. Nebenbei bemerkt. Obgleich Malthus Pfaffe der englischen Hochkirche, hatte er das Mönchsgelübde des Cöli- bats abgelegt. Diess ist nämlich eine der Bedingungen der fellowship der prote- stantischen Universität zu Cambridge. „Socios collegiorum maritos esse non permittimus, sed statim postquam quis uxorem duxerit, socius collegii desinatesse.“ („Reports of Cambridge Univer- sity Commission“, p. 172.) Dieser Umstand unterscheidet Malthus vortheil- haft von den andern protestantischen Pfaffen, die das katholische Gebot des Priestercölibats von sich selbst abgeschüttelt und das „Seid fruchtbar und mehret euch“ in solchem Mass als ihre specifisch biblische Mission vindicirt haben, dass sie überall in wahrhaft unanständigem Grad zur Vermehrung der Bevölkerung bei- tragen, während sie gleichzeitig den Arbeitern das „Populationsprincip“ predigen. Es ist charakteristisch, dass der ökonomisch travestirte Sündenfall, der Adams- apfel, der „urgent appetite“, „the checks which tend to blunt the shafts of Cupid“, wie Pfaff Townsend munter sagt, dass dieser kitzliche Punkt von den Herrn von der protestantischen Theologie oder vielmehr Kirche monopoli- sirt ward und wird. Mit Ausnahme des venetianischen Mönches Ortes, eines originellen und geistreichen Schriftstellers, sind die meisten Populationslehrer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/622
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/622>, abgerufen am 18.05.2024.