Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Ende des 18. und während der ersten Decennien des 19. Jahrhunderts
erzwangen die englischen Pächter und Landlords das absolute Minimal-
salair, indem sie den Ackerbautaglöhnern weniger als das Minimum in der
Form des Arbeitslohns, den Rest aber in der Form von Pfarreiunter-
stützung auszahlten. Ein Beispiel der Possenreisserei, womit die eng-
lischen Dogberries in ihrer "legalen" Festsetzung des Lohntarifs ver-
fuhren: "Als die Squires die Arbeitslöhne für Speenhamland 1795 fest-
setzten, hatten sie zu Mittag gespeist, dachten aber offenbar, dass die
Arbeiter nicht desgleichen nöthig hätten. ... Sie entschieden, der Wochen-
lohn solle 3 sh. per Mann sein, wenn das Laib Brod von 8 Pfund 11
Unzen auf 1 sh. stünde, und er solle regelmässig wachsen, bis das Laib
1 sh. 5 d. koste. Sobald es über diesen Preis stiege, sollte der Lohn pro-
portionell abnehmen, bis der Preis des Laibes 2 sh. erreicht hätte: und
dann sollte die Nahrung des Mannes 1/5 weniger als vorher sein"56). Vor
dem Untersuchungscomite des House of Lords, 1814, wird ein ge-
wisser A. Bennett, grosser Pächter, Magistrat, Armenhausverwalter und
Lohnregulator, gefragt: "Wird irgend eine Proportion zwischen dem Werth
der Tagesarbeit und der Pfarreiunterstützung der Arbeiter beobachtet?"
Antwort: "Ja. Das wöchentliche Einkommen jeder Familie wird über
ihren Nominallohn hinaus vollgemacht bis zum Gallonlaib Brod (8 Pfd.
11 Unzen) und 3 d. per Kopf. . . . Wir unterstellen das Gallonlaib hin-
reichend für die Erhaltung jeder Person in der Familie während der
Woche; und die 3 d. sind für Kleider; und wenn es der Pfairei beliebt,
die Kleider selbst zu stellen, werden die 3 d. abgezogen. Diese Praxis
herrscht nicht nur im ganzen Westen von Wiltshire, sondern, wie ich
glaube, im ganzen Land"57). So, ruft ein Burgeoisschriftsteller jener
Zeit, "haben die Pächter Jahre lang eine respektable Klasse ihrer Lands-
leute degradirt, indem sie dieselben zwangen zum Workhouse ihre Zu-

neistoffe in England nicht Ausnahme, sondern Regel bildet. Z. B. die Examination
von 34 Proben von Opium, gekauft in eben so viel verschiednen Londoner Apo-
theken, ergab, dass 31 verfälscht waren mit Mohnkapsel, Weizenmehl, Gummi-
schleim, Thon, Sand u. s. w. Viele enthielten kein Atom Morphin.
56) G. B. Newnham (barrister at law): "A Review of the Evidence
before the Committees of the two Houses of Parliament on the
Cornlaws. Lond
. 1815", p. 20 Note.
57) l. c.

Ende des 18. und während der ersten Decennien des 19. Jahrhunderts
erzwangen die englischen Pächter und Landlords das absolute Minimal-
salair, indem sie den Ackerbautaglöhnern weniger als das Minimum in der
Form des Arbeitslohns, den Rest aber in der Form von Pfarreiunter-
stützung auszahlten. Ein Beispiel der Possenreisserei, womit die eng-
lischen Dogberries in ihrer „legalen“ Festsetzung des Lohntarifs ver-
fuhren: „Als die Squires die Arbeitslöhne für Speenhamland 1795 fest-
setzten, hatten sie zu Mittag gespeist, dachten aber offenbar, dass die
Arbeiter nicht desgleichen nöthig hätten. … Sie entschieden, der Wochen-
lohn solle 3 sh. per Mann sein, wenn das Laib Brod von 8 Pfund 11
Unzen auf 1 sh. stünde, und er solle regelmässig wachsen, bis das Laib
1 sh. 5 d. koste. Sobald es über diesen Preis stiege, sollte der Lohn pro-
portionell abnehmen, bis der Preis des Laibes 2 sh. erreicht hätte: und
dann sollte die Nahrung des Mannes ⅕ weniger als vorher sein“56). Vor
dem Untersuchungscomité des House of Lords, 1814, wird ein ge-
wisser A. Bennett, grosser Pächter, Magistrat, Armenhausverwalter und
Lohnregulator, gefragt: „Wird irgend eine Proportion zwischen dem Werth
der Tagesarbeit und der Pfarreiunterstützung der Arbeiter beobachtet?“
Antwort: „Ja. Das wöchentliche Einkommen jeder Familie wird über
ihren Nominallohn hinaus vollgemacht bis zum Gallonlaib Brod (8 Pfd.
11 Unzen) und 3 d. per Kopf. . . . Wir unterstellen das Gallonlaib hin-
reichend für die Erhaltung jeder Person in der Familie während der
Woche; und die 3 d. sind für Kleider; und wenn es der Pfairei beliebt,
die Kleider selbst zu stellen, werden die 3 d. abgezogen. Diese Praxis
herrscht nicht nur im ganzen Westen von Wiltshire, sondern, wie ich
glaube, im ganzen Land“57). So, ruft ein Burgeoisschriftsteller jener
Zeit, „haben die Pächter Jahre lang eine respektable Klasse ihrer Lands-
leute degradirt, indem sie dieselben zwangen zum Workhouse ihre Zu-

neistoffe in England nicht Ausnahme, sondern Regel bildet. Z. B. die Examination
von 34 Proben von Opium, gekauft in eben so viel verschiednen Londoner Apo-
theken, ergab, dass 31 verfälscht waren mit Mohnkapsel, Weizenmehl, Gummi-
schleim, Thon, Sand u. s. w. Viele enthielten kein Atom Morphin.
56) G. B. Newnham (barrister at law): „A Review of the Evidence
before the Committees of the two Houses of Parliament on the
Cornlaws. Lond
. 1815“, p. 20 Note.
57) l. c.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0607" n="588"/>
Ende des 18. und während der ersten Decennien des 19. Jahrhunderts<lb/>
erzwangen die englischen Pächter und Landlords das absolute Minimal-<lb/>
salair, indem sie den Ackerbautaglöhnern weniger als das Minimum in der<lb/>
Form des Arbeitslohns, den Rest aber in der Form von Pfarreiunter-<lb/>
stützung auszahlten. Ein Beispiel der Possenreisserei, womit die eng-<lb/>
lischen Dogberries in ihrer &#x201E;legalen&#x201C; Festsetzung des Lohntarifs ver-<lb/>
fuhren: &#x201E;Als die Squires die Arbeitslöhne für Speenhamland 1795 fest-<lb/>
setzten, hatten sie zu Mittag gespeist, dachten aber offenbar, dass die<lb/>
Arbeiter nicht desgleichen nöthig hätten. &#x2026; Sie entschieden, der Wochen-<lb/>
lohn solle 3 sh. per Mann sein, wenn das Laib Brod von 8 Pfund 11<lb/>
Unzen auf 1 sh. stünde, und er solle regelmässig wachsen, bis das Laib<lb/>
1 sh. 5 d. koste. Sobald es über diesen Preis stiege, sollte der Lohn pro-<lb/>
portionell abnehmen, bis der Preis des Laibes 2 sh. erreicht hätte: und<lb/>
dann sollte die Nahrung des Mannes &#x2155; weniger als vorher sein&#x201C;<note place="foot" n="56)">G. B. <hi rendition="#g">Newnham</hi> (barrister at law): &#x201E;<hi rendition="#g">A Review of the Evidence<lb/>
before the Committees of the two Houses of Parliament on the<lb/>
Cornlaws. Lond</hi>. 1815&#x201C;, p. 20 Note.</note>. Vor<lb/>
dem Untersuchungscomité des <hi rendition="#g">House of Lords</hi>, 1814, wird ein ge-<lb/>
wisser A. <hi rendition="#g">Bennett</hi>, grosser Pächter, Magistrat, Armenhausverwalter und<lb/>
Lohnregulator, gefragt: &#x201E;Wird irgend eine Proportion zwischen dem Werth<lb/>
der Tagesarbeit und der Pfarreiunterstützung der Arbeiter beobachtet?&#x201C;<lb/><hi rendition="#g">Antwort</hi>: &#x201E;Ja. Das wöchentliche Einkommen jeder Familie wird über<lb/>
ihren Nominallohn hinaus vollgemacht bis zum Gallonlaib Brod (8 Pfd.<lb/>
11 Unzen) und 3 d. per Kopf. . . . Wir unterstellen das Gallonlaib hin-<lb/>
reichend für die Erhaltung jeder Person in der Familie während der<lb/>
Woche; und die 3 d. sind für Kleider; und wenn es der Pfairei beliebt,<lb/>
die Kleider selbst zu stellen, werden die 3 d. abgezogen. Diese Praxis<lb/>
herrscht nicht nur im ganzen Westen von Wiltshire, sondern, wie ich<lb/>
glaube, im ganzen Land&#x201C;<note place="foot" n="57)">l. c.</note>. So, ruft ein Burgeoisschriftsteller jener<lb/>
Zeit, &#x201E;haben die Pächter Jahre lang eine respektable Klasse ihrer Lands-<lb/>
leute degradirt, indem sie dieselben <hi rendition="#g">zwangen</hi> zum Workhouse ihre Zu-<lb/><note xml:id="seg2pn_89_2" prev="#seg2pn_89_1" place="foot" n="55)">neistoffe in England nicht Ausnahme, sondern Regel bildet. Z. B. die Examination<lb/>
von 34 Proben von Opium, gekauft in eben so viel verschiednen Londoner Apo-<lb/>
theken, ergab, dass 31 verfälscht waren mit Mohnkapsel, Weizenmehl, Gummi-<lb/>
schleim, Thon, Sand u. s. w. Viele enthielten kein Atom Morphin.</note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[588/0607] Ende des 18. und während der ersten Decennien des 19. Jahrhunderts erzwangen die englischen Pächter und Landlords das absolute Minimal- salair, indem sie den Ackerbautaglöhnern weniger als das Minimum in der Form des Arbeitslohns, den Rest aber in der Form von Pfarreiunter- stützung auszahlten. Ein Beispiel der Possenreisserei, womit die eng- lischen Dogberries in ihrer „legalen“ Festsetzung des Lohntarifs ver- fuhren: „Als die Squires die Arbeitslöhne für Speenhamland 1795 fest- setzten, hatten sie zu Mittag gespeist, dachten aber offenbar, dass die Arbeiter nicht desgleichen nöthig hätten. … Sie entschieden, der Wochen- lohn solle 3 sh. per Mann sein, wenn das Laib Brod von 8 Pfund 11 Unzen auf 1 sh. stünde, und er solle regelmässig wachsen, bis das Laib 1 sh. 5 d. koste. Sobald es über diesen Preis stiege, sollte der Lohn pro- portionell abnehmen, bis der Preis des Laibes 2 sh. erreicht hätte: und dann sollte die Nahrung des Mannes ⅕ weniger als vorher sein“ 56). Vor dem Untersuchungscomité des House of Lords, 1814, wird ein ge- wisser A. Bennett, grosser Pächter, Magistrat, Armenhausverwalter und Lohnregulator, gefragt: „Wird irgend eine Proportion zwischen dem Werth der Tagesarbeit und der Pfarreiunterstützung der Arbeiter beobachtet?“ Antwort: „Ja. Das wöchentliche Einkommen jeder Familie wird über ihren Nominallohn hinaus vollgemacht bis zum Gallonlaib Brod (8 Pfd. 11 Unzen) und 3 d. per Kopf. . . . Wir unterstellen das Gallonlaib hin- reichend für die Erhaltung jeder Person in der Familie während der Woche; und die 3 d. sind für Kleider; und wenn es der Pfairei beliebt, die Kleider selbst zu stellen, werden die 3 d. abgezogen. Diese Praxis herrscht nicht nur im ganzen Westen von Wiltshire, sondern, wie ich glaube, im ganzen Land“ 57). So, ruft ein Burgeoisschriftsteller jener Zeit, „haben die Pächter Jahre lang eine respektable Klasse ihrer Lands- leute degradirt, indem sie dieselben zwangen zum Workhouse ihre Zu- 55) 56) G. B. Newnham (barrister at law): „A Review of the Evidence before the Committees of the two Houses of Parliament on the Cornlaws. Lond. 1815“, p. 20 Note. 57) l. c. 55) neistoffe in England nicht Ausnahme, sondern Regel bildet. Z. B. die Examination von 34 Proben von Opium, gekauft in eben so viel verschiednen Londoner Apo- theken, ergab, dass 31 verfälscht waren mit Mohnkapsel, Weizenmehl, Gummi- schleim, Thon, Sand u. s. w. Viele enthielten kein Atom Morphin.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/607
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/607>, abgerufen am 23.11.2024.