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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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"wozu noch kömmt, dass ihr Getränk aus Wasser besteht oder ähn-
lichen schwachen Likören
, so dass sie in der That erstaunlich
wenig Geld ausgeben. . . . Ein derartiger Zustand der Dinge ist sicher-
lich schwer herbeizuführen, aber er ist nicht unerreichbar, wie seine
Existenz sowohl in Frankreich als Holland schlagend beweist"53). Zwei
Jahrzehnte später verfolgte ein amerikanischer Humbug, der baronisirte
Yankee Benjamin Thomson (alias Graf Rumford), dieselbe Philan-
thropielinie mit grossem Wohlgefallen vor Gott und den Menschen. Seine
"Essays" sind ein Kochbuch mit Recepten aller Art um Surrogate an
die Stelle der theuren Normalspeisen des Arbeiters zu setzen. Ein be-
sonders gelungenes Recept dieses wunderlichen "Philosophen" ist folgen-
des: "Fünf Pfund Gerste, fünf Pfund Mais, für 3 d. Häringe, 1 d. Salz,
1 d. Essig, 2 d. Pfeffer und Kräuter -- Summa von 203/4 d. giebt eine
Suppe für 64 Menschen, ja mit den Durchschnittspreisen von Korn kann
die Kost auf 1/4 d. per Kopf (noch nicht 3 Pfennige) herabgedrückt
werden"54). Mit dem Fortschritt der kapitalistischen Produktion hat
die Waarenfälschung Thomson's Ideale überflüssig gemacht55).

scher Manufakturarbeiter, schildert aber, wie er später in seiner Verdadde-
rung selbst gesteht, mit den eben citirten Worten französische Agrikultur-
arbeiter
!
53) l. c. p. 70.
54) Benjamin Thomson: "Essays, political, economical,
and philosophical
etc. 3 vol. Lond. 1796--1802." In seinem "The
State of the Poor, or an History of the Labouring Classes in
England
etc." empfiehlt Sir M. F. Eden die Rumford'sche Bettelsuppe bestens
den Vorstehern von Workhouses und mahnt die englischen Arbeiter vorwurfsvoll,
dass "es bei den Schotten viele Familien giebt, die, statt von Weizen, Roggen
und Fleisch, Monate lang von Hafergrütze und Gerstenmehl, nur mit Salz und
Wasser gemischt, leben und das obendrein noch sehr komfortabel" ("and that
very comfortably too"). (l. c. v. I, b. II, ch. II.) Aehnliche "Fingerzeige" im
19. Jahrhundert. "Die englischen Ackerbauarbeiter", heisst es z. B., "wollen
keine Mischungen niederer Kornarten essen. In Schottland, wo die Erziehung
besser ist
, ist diess Vorurtheil wahrscheinlich unbekannt." ("Charles H.
Parry M. D
.: "The Question of the Necessity of the existing
Cornlaws considered. Lond
. 1816", p. 69.) Derselbe Parry klagt
jedoch, dass der englische Arbeiter jetzt (1815) sehr heruntergekommen sei, ver-
glichen mit Eden's Zeit (1797).
55) Aus den Berichten der letzten parlamentarischen Untersuchungskommission
über Fälschung von Lebensmitteln sieht man, dass selbst die Fälschung der Arz-

„wozu noch kömmt, dass ihr Getränk aus Wasser besteht oder ähn-
lichen schwachen Likören
, so dass sie in der That erstaunlich
wenig Geld ausgeben. . . . Ein derartiger Zustand der Dinge ist sicher-
lich schwer herbeizuführen, aber er ist nicht unerreichbar, wie seine
Existenz sowohl in Frankreich als Holland schlagend beweist“53). Zwei
Jahrzehnte später verfolgte ein amerikanischer Humbug, der baronisirte
Yankee Benjamin Thomson (alias Graf Rumford), dieselbe Philan-
thropielinie mit grossem Wohlgefallen vor Gott und den Menschen. Seine
Essays“ sind ein Kochbuch mit Recepten aller Art um Surrogate an
die Stelle der theuren Normalspeisen des Arbeiters zu setzen. Ein be-
sonders gelungenes Recept dieses wunderlichen „Philosophen“ ist folgen-
des: „Fünf Pfund Gerste, fünf Pfund Mais, für 3 d. Häringe, 1 d. Salz,
1 d. Essig, 2 d. Pfeffer und Kräuter — Summa von 20¾ d. giebt eine
Suppe für 64 Menschen, ja mit den Durchschnittspreisen von Korn kann
die Kost auf ¼ d. per Kopf (noch nicht 3 Pfennige) herabgedrückt
werden“54). Mit dem Fortschritt der kapitalistischen Produktion hat
die Waarenfälschung Thomson’s Ideale überflüssig gemacht55).

scher Manufakturarbeiter, schildert aber, wie er später in seiner Verdadde-
rung selbst gesteht, mit den eben citirten Worten französische Agrikultur-
arbeiter
!
53) l. c. p. 70.
54) Benjamin Thomson: „Essays, political, economical,
and philosophical
etc. 3 vol. Lond. 1796—1802.“ In seinem „The
State of the Poor, or an History of the Labouring Classes in
England
etc.“ empfiehlt Sir M. F. Eden die Rumford’sche Bettelsuppe bestens
den Vorstehern von Workhouses und mahnt die englischen Arbeiter vorwurfsvoll,
dass „es bei den Schotten viele Familien giebt, die, statt von Weizen, Roggen
und Fleisch, Monate lang von Hafergrütze und Gerstenmehl, nur mit Salz und
Wasser gemischt, leben und das obendrein noch sehr komfortabel“ („and that
very comfortably too“). (l. c. v. I, b. II, ch. II.) Aehnliche „Fingerzeige“ im
19. Jahrhundert. „Die englischen Ackerbauarbeiter“, heisst es z. B., „wollen
keine Mischungen niederer Kornarten essen. In Schottland, wo die Erziehung
besser ist
, ist diess Vorurtheil wahrscheinlich unbekannt.“ („Charles H.
Parry M. D
.: „The Question of the Necessity of the existing
Cornlaws considered. Lond
. 1816“, p. 69.) Derselbe Parry klagt
jedoch, dass der englische Arbeiter jetzt (1815) sehr heruntergekommen sei, ver-
glichen mit Eden’s Zeit (1797).
55) Aus den Berichten der letzten parlamentarischen Untersuchungskommission
über Fälschung von Lebensmitteln sieht man, dass selbst die Fälschung der Arz-
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[587/0606] „wozu noch kömmt, dass ihr Getränk aus Wasser besteht oder ähn- lichen schwachen Likören, so dass sie in der That erstaunlich wenig Geld ausgeben. . . . Ein derartiger Zustand der Dinge ist sicher- lich schwer herbeizuführen, aber er ist nicht unerreichbar, wie seine Existenz sowohl in Frankreich als Holland schlagend beweist“ 53). Zwei Jahrzehnte später verfolgte ein amerikanischer Humbug, der baronisirte Yankee Benjamin Thomson (alias Graf Rumford), dieselbe Philan- thropielinie mit grossem Wohlgefallen vor Gott und den Menschen. Seine „Essays“ sind ein Kochbuch mit Recepten aller Art um Surrogate an die Stelle der theuren Normalspeisen des Arbeiters zu setzen. Ein be- sonders gelungenes Recept dieses wunderlichen „Philosophen“ ist folgen- des: „Fünf Pfund Gerste, fünf Pfund Mais, für 3 d. Häringe, 1 d. Salz, 1 d. Essig, 2 d. Pfeffer und Kräuter — Summa von 20¾ d. giebt eine Suppe für 64 Menschen, ja mit den Durchschnittspreisen von Korn kann die Kost auf ¼ d. per Kopf (noch nicht 3 Pfennige) herabgedrückt werden“ 54). Mit dem Fortschritt der kapitalistischen Produktion hat die Waarenfälschung Thomson’s Ideale überflüssig gemacht 55). 52) 53) l. c. p. 70. 54) Benjamin Thomson: „Essays, political, economical, and philosophical etc. 3 vol. Lond. 1796—1802.“ In seinem „The State of the Poor, or an History of the Labouring Classes in England etc.“ empfiehlt Sir M. F. Eden die Rumford’sche Bettelsuppe bestens den Vorstehern von Workhouses und mahnt die englischen Arbeiter vorwurfsvoll, dass „es bei den Schotten viele Familien giebt, die, statt von Weizen, Roggen und Fleisch, Monate lang von Hafergrütze und Gerstenmehl, nur mit Salz und Wasser gemischt, leben und das obendrein noch sehr komfortabel“ („and that very comfortably too“). (l. c. v. I, b. II, ch. II.) Aehnliche „Fingerzeige“ im 19. Jahrhundert. „Die englischen Ackerbauarbeiter“, heisst es z. B., „wollen keine Mischungen niederer Kornarten essen. In Schottland, wo die Erziehung besser ist, ist diess Vorurtheil wahrscheinlich unbekannt.“ („Charles H. Parry M. D.: „The Question of the Necessity of the existing Cornlaws considered. Lond. 1816“, p. 69.) Derselbe Parry klagt jedoch, dass der englische Arbeiter jetzt (1815) sehr heruntergekommen sei, ver- glichen mit Eden’s Zeit (1797). 55) Aus den Berichten der letzten parlamentarischen Untersuchungskommission über Fälschung von Lebensmitteln sieht man, dass selbst die Fälschung der Arz- 52) scher Manufakturarbeiter, schildert aber, wie er später in seiner Verdadde- rung selbst gesteht, mit den eben citirten Worten französische Agrikultur- arbeiter!

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/606>, abgerufen am 18.05.2024.