Uebrigens gilt von der Erscheinungsform, "Werth und Preis der Arbeit" oder "Arbeitslohn", im Unterschied zum wesentlichen Verhältniss, welches erscheint, dem Werth und Preis der Arbeitskraft, dasselbe, was von allen Erscheinungsformen und ihrem verborgnen Hintergrund. Die ersteren reproduciren sich unmittelbar, spontan, als gang und gäbe Denkformen, der andere muss durch die Wissenschaft erst entdeckt werden. Die klassische politische Oekonomie stösst annähernd auf den wahren Sachverhalt, ohne ihn jemals bewusst zu formuliren. Sie kann das nicht, so lange sie in ihrer bürgerlichen Haut steckt.
b) Die beiden Grundformen des Arbeitslohns: Zeit- lohn und Stücklohn.
Der Arbeitslohn nimmt selbst wieder sehr mannigfaltige Formen an, ein Umstand, nicht erkennbar aus den ökonomischen Kom- pendien, die in ihrer brutalen Interessirtheit für den Stoff jeden Formunter- schied vernachlässigen. Eine Darstellung aller dieser Formen gehört je- doch in die specielle Lehre von der Lohnarbeit, also nicht in diess Werk. Da- gegen sind die zwei herrschenden Grundformen hier kurz zu entwickeln.
Der Verkauf der Arbeitskraft findet, wie man sich erinnert, stets für bestimmte Zeitperiode statt. Die verwandelte Form, worin der Tageswerth, Wochenwerth u. s. w. der Arbeitskraft unmittelbar er- scheint, ist daher die des Zeitlohns, also Tageslohn, Wochenlohn u. s. w.
Es ist nun zunächst zu bemerken, dass die im 2. Abschnitt dieses Kapitels dargestellten Gesetze über den Grössenwechsel von Preis der Arbeitskraft und Mehrwerth sich durch einfache Formveränderung in Ge- setze des Arbeitslohns verwandeln. Ebenso erscheint der Unterschied zwischen dem Tauschwerth der Arbeitskraft und der Masse der Lebensmittel, worin sich dieser Werth umsetzt, jetzt als Unterschied von nominellem und reellem Arbeitslohn. Es wäre nutzlos in der Er- scheinungsform zu wiederholen, was in der wesentlichen Form bereits ent- wickelt. Wir beschränken uns daher auf wenige, den Zeitlohn charak- terisirende Punkte.
Die Geldsumme30), die der Arbeiter für seine Tagesarbeit, Wochenar- beit u. s. w. erhält, bildet den wirklichen Betrag seines nominellen oder dem Werth nach geschätzten Arbeitslohns. Es ist aber klar, dass
30) Der Geldwerth selbst wird hier immer als constant vorausgesetzt.
I. 34
Uebrigens gilt von der Erscheinungsform, „Werth und Preis der Arbeit“ oder „Arbeitslohn“, im Unterschied zum wesentlichen Verhältniss, welches erscheint, dem Werth und Preis der Arbeitskraft, dasselbe, was von allen Erscheinungsformen und ihrem verborgnen Hintergrund. Die ersteren reproduciren sich unmittelbar, spontan, als gang und gäbe Denkformen, der andere muss durch die Wissenschaft erst entdeckt werden. Die klassische politische Oekonomie stösst annähernd auf den wahren Sachverhalt, ohne ihn jemals bewusst zu formuliren. Sie kann das nicht, so lange sie in ihrer bürgerlichen Haut steckt.
b) Die beiden Grundformen des Arbeitslohns: Zeit- lohn und Stücklohn.
Der Arbeitslohn nimmt selbst wieder sehr mannigfaltige Formen an, ein Umstand, nicht erkennbar aus den ökonomischen Kom- pendien, die in ihrer brutalen Interessirtheit für den Stoff jeden Formunter- schied vernachlässigen. Eine Darstellung aller dieser Formen gehört je- doch in die specielle Lehre von der Lohnarbeit, also nicht in diess Werk. Da- gegen sind die zwei herrschenden Grundformen hier kurz zu entwickeln.
Der Verkauf der Arbeitskraft findet, wie man sich erinnert, stets für bestimmte Zeitperiode statt. Die verwandelte Form, worin der Tageswerth, Wochenwerth u. s. w. der Arbeitskraft unmittelbar er- scheint, ist daher die des Zeitlohns, also Tageslohn, Wochenlohn u. s. w.
Es ist nun zunächst zu bemerken, dass die im 2. Abschnitt dieses Kapitels dargestellten Gesetze über den Grössenwechsel von Preis der Arbeitskraft und Mehrwerth sich durch einfache Formveränderung in Ge- setze des Arbeitslohns verwandeln. Ebenso erscheint der Unterschied zwischen dem Tauschwerth der Arbeitskraft und der Masse der Lebensmittel, worin sich dieser Werth umsetzt, jetzt als Unterschied von nominellem und reellem Arbeitslohn. Es wäre nutzlos in der Er- scheinungsform zu wiederholen, was in der wesentlichen Form bereits ent- wickelt. Wir beschränken uns daher auf wenige, den Zeitlohn charak- terisirende Punkte.
Die Geldsumme30), die der Arbeiter für seine Tagesarbeit, Wochenar- beit u. s. w. erhält, bildet den wirklichen Betrag seines nominellen oder dem Werth nach geschätzten Arbeitslohns. Es ist aber klar, dass
30) Der Geldwerth selbst wird hier immer als constant vorausgesetzt.
I. 34
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0548"n="529"/><p>Uebrigens gilt von der <hirendition="#g">Erscheinungsform</hi>, „Werth und Preis<lb/>
der Arbeit“ oder „<hirendition="#g">Arbeitslohn</hi>“, im Unterschied zum <hirendition="#g">wesentlichen<lb/>
Verhältniss</hi>, welches <hirendition="#g">erscheint</hi>, dem Werth und Preis der Arbeitskraft,<lb/>
dasselbe, was von <hirendition="#g">allen Erscheinungsformen</hi> und ihrem verborgnen<lb/>
Hintergrund. Die ersteren reproduciren sich unmittelbar, spontan, als gang<lb/>
und gäbe <hirendition="#g">Denkformen</hi>, der andere muss durch die Wissenschaft erst<lb/><hirendition="#g">entdeckt</hi> werden. Die klassische politische Oekonomie stösst annähernd<lb/>
auf den wahren Sachverhalt, ohne ihn jemals <hirendition="#g">bewusst zu formuliren</hi>.<lb/>
Sie kann das nicht, so lange sie in ihrer bürgerlichen Haut steckt.</p></div><lb/><divn="4"><head>b) <hirendition="#g">Die beiden Grundformen des Arbeitslohns: Zeit-<lb/>
lohn und Stücklohn</hi>.</head><lb/><p>Der <hirendition="#g">Arbeitslohn</hi> nimmt selbst wieder <hirendition="#g">sehr mannigfaltige<lb/>
Formen</hi> an, ein Umstand, nicht erkennbar aus den ökonomischen Kom-<lb/>
pendien, die in ihrer brutalen Interessirtheit für den Stoff jeden Formunter-<lb/>
schied vernachlässigen. Eine Darstellung aller dieser Formen gehört je-<lb/>
doch in die specielle Lehre von der Lohnarbeit, also nicht in diess Werk. Da-<lb/>
gegen sind die zwei herrschenden Grundformen hier kurz zu entwickeln.</p><lb/><p>Der Verkauf der Arbeitskraft findet, wie man sich erinnert, stets<lb/><hirendition="#g">für bestimmte Zeitperiode</hi> statt. Die verwandelte Form, worin<lb/>
der Tageswerth, Wochenwerth u. s. w. der Arbeitskraft <hirendition="#g">unmittelbar</hi> er-<lb/>
scheint, ist daher die des <hirendition="#g">Zeitlohns</hi>, also Tageslohn, Wochenlohn u. s. w.</p><lb/><p>Es ist nun zunächst zu bemerken, dass die im 2. Abschnitt dieses<lb/>
Kapitels dargestellten Gesetze über den Grössenwechsel von Preis der<lb/>
Arbeitskraft und Mehrwerth sich durch einfache Formveränderung in <hirendition="#g">Ge-<lb/>
setze des Arbeitslohns</hi> verwandeln. Ebenso erscheint der Unterschied<lb/>
zwischen dem <hirendition="#g">Tauschwerth</hi> der Arbeitskraft und der <hirendition="#g">Masse der<lb/>
Lebensmittel</hi>, worin sich dieser Werth umsetzt, jetzt als Unterschied von<lb/><hirendition="#g">nominellem</hi> und <hirendition="#g">reellem</hi> Arbeitslohn. Es wäre nutzlos in der Er-<lb/>
scheinungsform zu wiederholen, was in der wesentlichen Form bereits ent-<lb/>
wickelt. Wir beschränken uns daher auf wenige, den <hirendition="#g">Zeitlohn</hi> charak-<lb/>
terisirende Punkte.</p><lb/><p>Die Geldsumme<noteplace="foot"n="30)">Der <hirendition="#g">Geldwerth</hi> selbst wird hier immer als constant vorausgesetzt.</note>, die der Arbeiter für seine Tagesarbeit, Wochenar-<lb/>
beit u. s. w. erhält, bildet den wirklichen <hirendition="#g">Betrag</hi> seines <hirendition="#g">nominellen</hi> oder<lb/><hirendition="#g">dem Werth nach geschätzten</hi> Arbeitslohns. Es ist aber klar, dass<lb/><fwplace="bottom"type="sig">I. 34</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[529/0548]
Uebrigens gilt von der Erscheinungsform, „Werth und Preis
der Arbeit“ oder „Arbeitslohn“, im Unterschied zum wesentlichen
Verhältniss, welches erscheint, dem Werth und Preis der Arbeitskraft,
dasselbe, was von allen Erscheinungsformen und ihrem verborgnen
Hintergrund. Die ersteren reproduciren sich unmittelbar, spontan, als gang
und gäbe Denkformen, der andere muss durch die Wissenschaft erst
entdeckt werden. Die klassische politische Oekonomie stösst annähernd
auf den wahren Sachverhalt, ohne ihn jemals bewusst zu formuliren.
Sie kann das nicht, so lange sie in ihrer bürgerlichen Haut steckt.
b) Die beiden Grundformen des Arbeitslohns: Zeit-
lohn und Stücklohn.
Der Arbeitslohn nimmt selbst wieder sehr mannigfaltige
Formen an, ein Umstand, nicht erkennbar aus den ökonomischen Kom-
pendien, die in ihrer brutalen Interessirtheit für den Stoff jeden Formunter-
schied vernachlässigen. Eine Darstellung aller dieser Formen gehört je-
doch in die specielle Lehre von der Lohnarbeit, also nicht in diess Werk. Da-
gegen sind die zwei herrschenden Grundformen hier kurz zu entwickeln.
Der Verkauf der Arbeitskraft findet, wie man sich erinnert, stets
für bestimmte Zeitperiode statt. Die verwandelte Form, worin
der Tageswerth, Wochenwerth u. s. w. der Arbeitskraft unmittelbar er-
scheint, ist daher die des Zeitlohns, also Tageslohn, Wochenlohn u. s. w.
Es ist nun zunächst zu bemerken, dass die im 2. Abschnitt dieses
Kapitels dargestellten Gesetze über den Grössenwechsel von Preis der
Arbeitskraft und Mehrwerth sich durch einfache Formveränderung in Ge-
setze des Arbeitslohns verwandeln. Ebenso erscheint der Unterschied
zwischen dem Tauschwerth der Arbeitskraft und der Masse der
Lebensmittel, worin sich dieser Werth umsetzt, jetzt als Unterschied von
nominellem und reellem Arbeitslohn. Es wäre nutzlos in der Er-
scheinungsform zu wiederholen, was in der wesentlichen Form bereits ent-
wickelt. Wir beschränken uns daher auf wenige, den Zeitlohn charak-
terisirende Punkte.
Die Geldsumme 30), die der Arbeiter für seine Tagesarbeit, Wochenar-
beit u. s. w. erhält, bildet den wirklichen Betrag seines nominellen oder
dem Werth nach geschätzten Arbeitslohns. Es ist aber klar, dass
30) Der Geldwerth selbst wird hier immer als constant vorausgesetzt.
I. 34
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/548>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.