scheint. Die Form des Arbeitslohnes löscht also jede Spur der Theilung des Arbeitstags in nothwendige Arbeit und Mehrarbeit, in bezahlte und unbezahlte Arbeit völ- lig aus. Alle Arbeit erscheint als bezahlte Arbeit. Bei der Frohn- arbeit unterscheiden sich räumlich und zeitlich, handgreiflich sinnlich, die Arbeit des Fröhners für sich selbst und die Zwangsarbeit für seinen Grundherrn. Bei der Sklavenarbeit erscheint selbst der Theil des Arbeitstags, worin der Sklave nur den Werth seiner eignen Lebensmittel ersetzt, den er in der That also für sich selbst arbeitet, als Arbeit für seinen Meister. Alle seine Arbeit erscheint als unbezahlte Arbeit28). Bei der Lohnarbeit erscheint umgekehrt selbst die Mehrarbeit oder unbe- zahlte Arbeit als bezahlt. Dort verbirgt das Eigenthumsverhältniss das Fürsichselbst arbeiten des Sklaven, hier das Geldverhältniss das Umsonstarbeiten des Lohnarbeiters.
Man begreift also, von welcher entscheidenden Wichtigkeit die Form- verwandlung von Werth und Preis der Arbeitskraft in Arbeitslohn oder in Werth und Preis der Arbeit selbst. Auf dieser Erscheinungs- form, die das wirkliche Verhältniss unsichtbar macht und grade sein Gegentheil zeigt, beruhn alle Rechtsvorstellungen des Arbeiters wie des Kapitalisten, alle Mystifikationen der kapitalistischen Produktionsweise, alle ihre Freiheitsillusionen, alle apologetischen Flausen der Vulgär- ökonomie.
Braucht die Weltgeschichte viele Zeit, um hinter das Geheimniss des Arbeitslohns zu kommen, so ist dagegen nichts leichter zu ver- stehn als die Nothwendigkeit, die raisons d'etre dieser Erscheinungs- form.
Der Austausch zwischen Kapital und Arbeit stellt sich der Wahrneh- mung zunächst ganz in derselben Art dar wie der Kauf und Verkauf aller andern Waaren. Der Käufer giebt eine gewisse Geldsumme, der Verkäu-
28) Der Morning Star, ein bis zur silliness naives Londoner Freihandels- organ, betheuerte während des amerikanischen Bürgerkriegs wieder und wieder mit aller menschenmöglichen moralischen Indignation, dass die Neger in den "Confederate States" ganz umsonst arbeiteten. Es hätte gefälligst die Tages- kost eines solchen Negers mit der des freien Arbeiters im East End von London z. B. vergleichen sollen.
scheint. Die Form des Arbeitslohnes löscht also jede Spur der Theilung des Arbeitstags in nothwendige Arbeit und Mehrarbeit, in bezahlte und unbezahlte Arbeit völ- lig aus. Alle Arbeit erscheint als bezahlte Arbeit. Bei der Frohn- arbeit unterscheiden sich räumlich und zeitlich, handgreiflich sinnlich, die Arbeit des Fröhners für sich selbst und die Zwangsarbeit für seinen Grundherrn. Bei der Sklavenarbeit erscheint selbst der Theil des Arbeitstags, worin der Sklave nur den Werth seiner eignen Lebensmittel ersetzt, den er in der That also für sich selbst arbeitet, als Arbeit für seinen Meister. Alle seine Arbeit erscheint als unbezahlte Arbeit28). Bei der Lohnarbeit erscheint umgekehrt selbst die Mehrarbeit oder unbe- zahlte Arbeit als bezahlt. Dort verbirgt das Eigenthumsverhältniss das Fürsichselbst arbeiten des Sklaven, hier das Geldverhältniss das Umsonstarbeiten des Lohnarbeiters.
Man begreift also, von welcher entscheidenden Wichtigkeit die Form- verwandlung von Werth und Preis der Arbeitskraft in Arbeitslohn oder in Werth und Preis der Arbeit selbst. Auf dieser Erscheinungs- form, die das wirkliche Verhältniss unsichtbar macht und grade sein Gegentheil zeigt, beruhn alle Rechtsvorstellungen des Arbeiters wie des Kapitalisten, alle Mystifikationen der kapitalistischen Produktionsweise, alle ihre Freiheitsillusionen, alle apologetischen Flausen der Vulgär- ökonomie.
Braucht die Weltgeschichte viele Zeit, um hinter das Geheimniss des Arbeitslohns zu kommen, so ist dagegen nichts leichter zu ver- stehn als die Nothwendigkeit, die raisons d’être dieser Erscheinungs- form.
Der Austausch zwischen Kapital und Arbeit stellt sich der Wahrneh- mung zunächst ganz in derselben Art dar wie der Kauf und Verkauf aller andern Waaren. Der Käufer giebt eine gewisse Geldsumme, der Verkäu-
28) Der Morning Star, ein bis zur silliness naives Londoner Freihandels- organ, betheuerte während des amerikanischen Bürgerkriegs wieder und wieder mit aller menschenmöglichen moralischen Indignation, dass die Neger in den „Confederate States“ ganz umsonst arbeiteten. Es hätte gefälligst die Tages- kost eines solchen Negers mit der des freien Arbeiters im East End von London z. B. vergleichen sollen.
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scheint. Die Form des Arbeitslohnes löscht also jede Spur
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die Arbeit des Fröhners für sich selbst und die Zwangsarbeit für seinen
Grundherrn. Bei der Sklavenarbeit erscheint selbst der Theil des
Arbeitstags, worin der Sklave nur den Werth seiner eignen Lebensmittel
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seinen Meister. Alle seine Arbeit erscheint als unbezahlte Arbeit 28). Bei
der Lohnarbeit erscheint umgekehrt selbst die Mehrarbeit oder unbe-
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Fürsichselbst arbeiten des Sklaven, hier das Geldverhältniss
das Umsonstarbeiten des Lohnarbeiters.
Man begreift also, von welcher entscheidenden Wichtigkeit die Form-
verwandlung von Werth und Preis der Arbeitskraft in Arbeitslohn
oder in Werth und Preis der Arbeit selbst. Auf dieser Erscheinungs-
form, die das wirkliche Verhältniss unsichtbar macht und grade sein
Gegentheil zeigt, beruhn alle Rechtsvorstellungen des Arbeiters wie des
Kapitalisten, alle Mystifikationen der kapitalistischen Produktionsweise,
alle ihre Freiheitsillusionen, alle apologetischen Flausen der Vulgär-
ökonomie.
Braucht die Weltgeschichte viele Zeit, um hinter das Geheimniss
des Arbeitslohns zu kommen, so ist dagegen nichts leichter zu ver-
stehn als die Nothwendigkeit, die raisons d’être dieser Erscheinungs-
form.
Der Austausch zwischen Kapital und Arbeit stellt sich der Wahrneh-
mung zunächst ganz in derselben Art dar wie der Kauf und Verkauf aller
andern Waaren. Der Käufer giebt eine gewisse Geldsumme, der Verkäu-
28) Der Morning Star, ein bis zur silliness naives Londoner Freihandels-
organ, betheuerte während des amerikanischen Bürgerkriegs wieder und wieder
mit aller menschenmöglichen moralischen Indignation, dass die Neger in den
„Confederate States“ ganz umsonst arbeiteten. Es hätte gefälligst die Tages-
kost eines solchen Negers mit der des freien Arbeiters im East End von London
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/545>, abgerufen am 22.11.2024.
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