Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Im Ausdruck: Werth der Arbeit ist der Werthbegriff nicht nur
völlig ausgelöscht, sondern in sein Gegentheil verkehrt. Es ist ein ima-
ginärer Ausdruck wie etwa Werth der Erde. Diese imaginären Aus-
drücke entspringen jedoch aus den Produktionsverhältnissen selbst. Sie
sind Kategorieen für Erscheinungsformen wesentlicher Werth-
verhältnisse
. Dass in der Erscheinung die Dinge sich oft
verkehrt darstellen, ist ziemlich in allen Wissenschaften bekannt, ausser
in der politischen Oekonomie26).

Die klassische politische Oekonomie entlehnte dem Alltagsleben ohne
weitere Kritik die Kategorie Preis der Arbeit, um sich dann hinter-
her zu fragen, wie wird dieser Preis bestimmt? Sie erkannte bald, dass
der Wechsel im Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr für den Preis der
Arbeit, gleich dem jeder andern Waare, nichts erklärt ausser dem Wech-
sel
des Preises, die Oscillationen der Marktpreise unter oder über eine
gewisse Grösse. Decken sich Nachfrage und Zufuhr, so hört, unter sonst
gleichbleibenden Umständen, die Preisoscillation auf. Aber dann hören
auch Nachfrage und Zufuhr auf irgend etwas zu erklären. Der Preis der

26) Diese Ausdrücke dagegen für blosse licentia poetica zu erklären, zeigt nur
die Ohnmacht der Analyse. Ich bemerke daher gegen Proudhon's Phrase:
"Le travail est dit valoir, non pas en tant que marchandise lui-meme, mais en
vue des valeurs qu'on suppose renfermees puissanciellement en lui: La valeur
du travail est une expression figuree
etc.": "Dans le travail mar-
chandise, qui est d'une realite effrayante, il ne voit qu'une ellipse grammaticale.
Donc toute la societe actuelle, fondee sur le travail marchandise, est desormais
fondee sur une licence poetique, sur une expression figuree. La societe veut-elle
"eliminer tous les inconvenients", qui la travaillent, eh bien! qu'elle elimine les
termes malsonnants, qu'elle change de langage, et pour cela elle n'a qu'a s'ad-
dresser a l'Academie pour lui demander une nouvelle edition de son dictionnaire."
(K. Marx: "Misere de la Philosophie", p. 34, 35.) Noch bequemer
ist es natürlich, sich unter Werth gar nichts zu denken. Man kann dann ohne
Umstände alles unter diese Kategorie subsumiren. So z. B. J. B. Say. Was
ist "valeur"? Antwort: "C'est qu'une chose vaut", und was ist
"Prix"? Antwort: "La valeur d'une chose exprimee en monnaie." Und
warum hat "le travail de la terre ... une valeur? Parce qu'on y met
un prix." Also Werth ist was ein Ding werth ist, und die Erde hat einen
"Werth", weil man ihren Werth "in Geld ausdrückt". Diess ist jedenfalls
eine sehr einfache Methode, sich über das why und wherefore der Dinge zu ver-
ständigen.

Im Ausdruck: Werth der Arbeit ist der Werthbegriff nicht nur
völlig ausgelöscht, sondern in sein Gegentheil verkehrt. Es ist ein ima-
ginärer Ausdruck wie etwa Werth der Erde. Diese imaginären Aus-
drücke entspringen jedoch aus den Produktionsverhältnissen selbst. Sie
sind Kategorieen für Erscheinungsformen wesentlicher Werth-
verhältnisse
. Dass in der Erscheinung die Dinge sich oft
verkehrt darstellen, ist ziemlich in allen Wissenschaften bekannt, ausser
in der politischen Oekonomie26).

Die klassische politische Oekonomie entlehnte dem Alltagsleben ohne
weitere Kritik die Kategorie Preis der Arbeit, um sich dann hinter-
her zu fragen, wie wird dieser Preis bestimmt? Sie erkannte bald, dass
der Wechsel im Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr für den Preis der
Arbeit, gleich dem jeder andern Waare, nichts erklärt ausser dem Wech-
sel
des Preises, die Oscillationen der Marktpreise unter oder über eine
gewisse Grösse. Decken sich Nachfrage und Zufuhr, so hört, unter sonst
gleichbleibenden Umständen, die Preisoscillation auf. Aber dann hören
auch Nachfrage und Zufuhr auf irgend etwas zu erklären. Der Preis der

26) Diese Ausdrücke dagegen für blosse licentia poetica zu erklären, zeigt nur
die Ohnmacht der Analyse. Ich bemerke daher gegen Proudhon’s Phrase:
„Le travail est dit valoir, non pas en tant que marchandise lui-même, mais en
vue des valeurs qu’on suppose renfermées puissanciellement en lui: La valeur
du travail est une expression figurée
etc.“: „Dans le travail mar-
chandise, qui est d’une réalité effrayante, il ne voit qu’une ellipse grammaticale.
Donc toute la société actuelle, fondée sur le travail marchandise, est désormais
fondée sur une licence poétique, sur une expression figurée. La société veut-elle
„éliminer tous les inconvénients“, qui la travaillent, eh bien! qu’elle élimine les
termes malsonnants, qu’elle change de langage, et pour cela elle n’a qu’à s’ad-
dresser à l’Académie pour lui demander une nouvelle édition de son dictionnaire.“
(K. Marx: „Misère de la Philosophie“, p. 34, 35.) Noch bequemer
ist es natürlich, sich unter Werth gar nichts zu denken. Man kann dann ohne
Umstände alles unter diese Kategorie subsumiren. So z. B. J. B. Say. Was
ist „valeur“? Antwort: „C’est qu’une chose vaut“, und was ist
Prix“? Antwort: „La valeur d’une chose exprimée en monnaie.“ Und
warum hat „le travail de la terre … une valeur? Parce qu’on y met
un prix.“ Also Werth ist was ein Ding werth ist, und die Erde hat einen
„Werth“, weil man ihren Werth „in Geld ausdrückt“. Diess ist jedenfalls
eine sehr einfache Methode, sich über das why und wherefore der Dinge zu ver-
ständigen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0542" n="523"/>
              <p>Im Ausdruck: <hi rendition="#g">Werth der Arbeit</hi> ist der Werthbegriff nicht nur<lb/>
völlig ausgelöscht, sondern in sein Gegentheil verkehrt. Es ist ein ima-<lb/>
ginärer Ausdruck wie etwa <hi rendition="#g">Werth der Erde</hi>. Diese imaginären Aus-<lb/>
drücke entspringen jedoch aus den Produktionsverhältnissen selbst. Sie<lb/>
sind Kategorieen für <hi rendition="#g">Erscheinungsformen</hi> wesentlicher <hi rendition="#g">Werth-<lb/>
verhältnisse</hi>. Dass in der <hi rendition="#g">Erscheinung</hi> die Dinge sich oft<lb/>
verkehrt darstellen, ist ziemlich in allen Wissenschaften bekannt, ausser<lb/>
in der politischen Oekonomie<note place="foot" n="26)">Diese Ausdrücke dagegen für blosse licentia poetica zu erklären, zeigt nur<lb/>
die Ohnmacht der Analyse. Ich bemerke daher gegen <hi rendition="#g">Proudhon&#x2019;</hi>s Phrase:<lb/>
&#x201E;Le travail est dit <hi rendition="#g">valoir</hi>, non pas en tant que marchandise lui-même, mais en<lb/>
vue des valeurs qu&#x2019;on suppose renfermées puissanciellement en lui: <hi rendition="#g">La valeur<lb/>
du travail est une expression figurée</hi> etc.&#x201C;: &#x201E;Dans le travail mar-<lb/>
chandise, qui est d&#x2019;une réalité effrayante, il ne voit qu&#x2019;une ellipse grammaticale.<lb/>
Donc toute la société actuelle, fondée sur le travail marchandise, est désormais<lb/>
fondée sur une licence poétique, sur une expression figurée. La société veut-elle<lb/>
&#x201E;éliminer tous les inconvénients&#x201C;, qui la travaillent, eh bien! qu&#x2019;elle élimine les<lb/>
termes malsonnants, qu&#x2019;elle change de langage, et pour cela elle n&#x2019;a qu&#x2019;à s&#x2019;ad-<lb/>
dresser à l&#x2019;Académie pour lui demander une nouvelle édition de son dictionnaire.&#x201C;<lb/>
(K. <hi rendition="#g">Marx</hi>: &#x201E;<hi rendition="#g">Misère de la Philosophie</hi>&#x201C;, p. 34, 35.) Noch bequemer<lb/>
ist es natürlich, sich unter Werth gar nichts zu denken. Man kann dann ohne<lb/>
Umstände alles unter diese Kategorie subsumiren. So z. B. J. B. <hi rendition="#g">Say</hi>. Was<lb/>
ist &#x201E;<hi rendition="#g">valeur</hi>&#x201C;? <hi rendition="#g">Antwort</hi>: &#x201E;<hi rendition="#g">C&#x2019;est qu&#x2019;une chose vaut</hi>&#x201C;, und was ist<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">Prix</hi>&#x201C;? <hi rendition="#g">Antwort</hi>: &#x201E;La valeur d&#x2019;une chose exprimée en monnaie.&#x201C; Und<lb/>
warum hat &#x201E;<hi rendition="#g">le travail de la terre &#x2026; une valeur</hi>? Parce qu&#x2019;on y met<lb/><hi rendition="#g">un prix</hi>.&#x201C; Also Werth ist was ein Ding werth ist, und die Erde hat einen<lb/>
&#x201E;Werth&#x201C;, <hi rendition="#g">weil</hi> man ihren Werth &#x201E;in Geld ausdrückt&#x201C;. Diess ist jedenfalls<lb/>
eine sehr einfache Methode, sich über das why und wherefore der Dinge zu ver-<lb/>
ständigen.</note>.</p><lb/>
              <p>Die klassische politische Oekonomie entlehnte dem Alltagsleben ohne<lb/>
weitere Kritik die Kategorie <hi rendition="#g">Preis der Arbeit</hi>, um sich dann hinter-<lb/>
her zu fragen, wie wird dieser Preis bestimmt? Sie erkannte bald, dass<lb/>
der Wechsel im Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr für den Preis der<lb/>
Arbeit, gleich dem jeder andern Waare, nichts erklärt ausser dem <hi rendition="#g">Wech-<lb/>
sel</hi> des Preises, die Oscillationen der Marktpreise unter oder über eine<lb/>
gewisse Grösse. Decken sich Nachfrage und Zufuhr, so hört, unter sonst<lb/>
gleichbleibenden Umständen, die Preisoscillation auf. Aber dann hören<lb/>
auch Nachfrage und Zufuhr auf irgend etwas zu erklären. Der Preis der<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[523/0542] Im Ausdruck: Werth der Arbeit ist der Werthbegriff nicht nur völlig ausgelöscht, sondern in sein Gegentheil verkehrt. Es ist ein ima- ginärer Ausdruck wie etwa Werth der Erde. Diese imaginären Aus- drücke entspringen jedoch aus den Produktionsverhältnissen selbst. Sie sind Kategorieen für Erscheinungsformen wesentlicher Werth- verhältnisse. Dass in der Erscheinung die Dinge sich oft verkehrt darstellen, ist ziemlich in allen Wissenschaften bekannt, ausser in der politischen Oekonomie 26). Die klassische politische Oekonomie entlehnte dem Alltagsleben ohne weitere Kritik die Kategorie Preis der Arbeit, um sich dann hinter- her zu fragen, wie wird dieser Preis bestimmt? Sie erkannte bald, dass der Wechsel im Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr für den Preis der Arbeit, gleich dem jeder andern Waare, nichts erklärt ausser dem Wech- sel des Preises, die Oscillationen der Marktpreise unter oder über eine gewisse Grösse. Decken sich Nachfrage und Zufuhr, so hört, unter sonst gleichbleibenden Umständen, die Preisoscillation auf. Aber dann hören auch Nachfrage und Zufuhr auf irgend etwas zu erklären. Der Preis der 26) Diese Ausdrücke dagegen für blosse licentia poetica zu erklären, zeigt nur die Ohnmacht der Analyse. Ich bemerke daher gegen Proudhon’s Phrase: „Le travail est dit valoir, non pas en tant que marchandise lui-même, mais en vue des valeurs qu’on suppose renfermées puissanciellement en lui: La valeur du travail est une expression figurée etc.“: „Dans le travail mar- chandise, qui est d’une réalité effrayante, il ne voit qu’une ellipse grammaticale. Donc toute la société actuelle, fondée sur le travail marchandise, est désormais fondée sur une licence poétique, sur une expression figurée. La société veut-elle „éliminer tous les inconvénients“, qui la travaillent, eh bien! qu’elle élimine les termes malsonnants, qu’elle change de langage, et pour cela elle n’a qu’à s’ad- dresser à l’Académie pour lui demander une nouvelle édition de son dictionnaire.“ (K. Marx: „Misère de la Philosophie“, p. 34, 35.) Noch bequemer ist es natürlich, sich unter Werth gar nichts zu denken. Man kann dann ohne Umstände alles unter diese Kategorie subsumiren. So z. B. J. B. Say. Was ist „valeur“? Antwort: „C’est qu’une chose vaut“, und was ist „Prix“? Antwort: „La valeur d’une chose exprimée en monnaie.“ Und warum hat „le travail de la terre … une valeur? Parce qu’on y met un prix.“ Also Werth ist was ein Ding werth ist, und die Erde hat einen „Werth“, weil man ihren Werth „in Geld ausdrückt“. Diess ist jedenfalls eine sehr einfache Methode, sich über das why und wherefore der Dinge zu ver- ständigen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/542
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/542>, abgerufen am 22.11.2024.