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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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jedoch nicht der Missbrauch der elterlichen Gewalt, der die direkte oder
indirekte Exploitation unreifer Arbeitskräfte durch das Kapital schuf, son-
dern es ist umgekehrt die kapitalistische Exploitationsweise, welche die
elterliche Gewalt, durch Aufhebung der ihr entsprechenden ökonomischen
Grundlage, zu einem Missbrauch gemacht hat. So furchtbar und ekelhaft
nun die Auflösung des alten Familienwesens innerhalb des kapitalistischen
Systems erscheint, so schafft nichtsdestoweniger die grosse Industrie mit
der entscheidenden Rolle, die sie den Weibern, jungen Personen und Kin-
dern beiderlei Geschlechts in gesellschaftlich organisirten Produktionspro-
zessen jenseits der Sphäre des Hauswesens zuweist, die neue ökonomische
Grundlage für eine höhere Form der Familie und des Verhältnisses beider
Geschlechter. Es ist natürlich ebenso albern die christlich germanische
Form der Familie für absolut zu halten als die altrömische Form, oder die
altgriechische, oder die orientalische, die übrigens untereinander eine ge-
schichtliche Entwicklungsreihe bilden. Ebenso leuchtet ein, dass die Zu-
sammensetzung des kombinirten Arbeitspersonals aus Individuen beiderlei
Geschlechts und der verschiedensten Altersstufen, obgleich in ihrer naturwüch-
sig brutalen, kapitalistischen Form, wo der Arbeiter für den Produktions-
prozess, nicht der Produktionsprozess für den Arbeiter da ist, Pestquelle
des Verderbs und der Sklaverei, unter entsprechenden Verhältnissen um-
gekehrt zur Quelle humaner Entwicklung umschlagen muss312).

Die Nothwendigkeit, das Fabrikgesetz aus einem Ausnahmsgesetz
für Spinnereien und Webereien, diese ersten Gebilde des Maschinenbetriebs,
in ein Gesetz aller gesellschaftlichen Produktion zu verallgemeinern, ent-
springt, wie man sah, aus dem geschichtlichen Entwicklungsgang der
grossen Industrie, auf deren Hintergrund die überlieferte Gestalt von Manu-
faktur, Handwerk und Hausarbeit gänzlich umgewälzt wird, die Manufaktur
beständig in die Fabrik, das Handwerk beständig in die Manufaktur um-
schlägt, und endlich die Sphären des Handwerks und der Hausarbeit sich
in relativ wunderbar kurzer Zeit zu Jammerhöhlen gestalten, wo die tollsten
Ungeheuerlichkeiten der kapitalistischen Exploitation ihr freies Spiel trei-
ben. Es sind zwei Umstände, welche zuletzt den Ausschlag geben, erstens
die stets neu wiederholte Erfahrung, dass das Kapital, sobald es der

312) "Factory labour may be as pure and as excellent as domestic labour,
and perhaps more so." ("Reports of Insp. of Fact. 31st Oct. 1865",
p. 127.)
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jedoch nicht der Missbrauch der elterlichen Gewalt, der die direkte oder
indirekte Exploitation unreifer Arbeitskräfte durch das Kapital schuf, son-
dern es ist umgekehrt die kapitalistische Exploitationsweise, welche die
elterliche Gewalt, durch Aufhebung der ihr entsprechenden ökonomischen
Grundlage, zu einem Missbrauch gemacht hat. So furchtbar und ekelhaft
nun die Auflösung des alten Familienwesens innerhalb des kapitalistischen
Systems erscheint, so schafft nichtsdestoweniger die grosse Industrie mit
der entscheidenden Rolle, die sie den Weibern, jungen Personen und Kin-
dern beiderlei Geschlechts in gesellschaftlich organisirten Produktionspro-
zessen jenseits der Sphäre des Hauswesens zuweist, die neue ökonomische
Grundlage für eine höhere Form der Familie und des Verhältnisses beider
Geschlechter. Es ist natürlich ebenso albern die christlich germanische
Form der Familie für absolut zu halten als die altrömische Form, oder die
altgriechische, oder die orientalische, die übrigens untereinander eine ge-
schichtliche Entwicklungsreihe bilden. Ebenso leuchtet ein, dass die Zu-
sammensetzung des kombinirten Arbeitspersonals aus Individuen beiderlei
Geschlechts und der verschiedensten Altersstufen, obgleich in ihrer naturwüch-
sig brutalen, kapitalistischen Form, wo der Arbeiter für den Produktions-
prozess, nicht der Produktionsprozess für den Arbeiter da ist, Pestquelle
des Verderbs und der Sklaverei, unter entsprechenden Verhältnissen um-
gekehrt zur Quelle humaner Entwicklung umschlagen muss312).

Die Nothwendigkeit, das Fabrikgesetz aus einem Ausnahmsgesetz
für Spinnereien und Webereien, diese ersten Gebilde des Maschinenbetriebs,
in ein Gesetz aller gesellschaftlichen Produktion zu verallgemeinern, ent-
springt, wie man sah, aus dem geschichtlichen Entwicklungsgang der
grossen Industrie, auf deren Hintergrund die überlieferte Gestalt von Manu-
faktur, Handwerk und Hausarbeit gänzlich umgewälzt wird, die Manufaktur
beständig in die Fabrik, das Handwerk beständig in die Manufaktur um-
schlägt, und endlich die Sphären des Handwerks und der Hausarbeit sich
in relativ wunderbar kurzer Zeit zu Jammerhöhlen gestalten, wo die tollsten
Ungeheuerlichkeiten der kapitalistischen Exploitation ihr freies Spiel trei-
ben. Es sind zwei Umstände, welche zuletzt den Ausschlag geben, erstens
die stets neu wiederholte Erfahrung, dass das Kapital, sobald es der

312) „Factory labour may be as pure and as excellent as domestic labour,
and perhaps more so.“ („Reports of Insp. of Fact. 31st Oct. 1865“,
p. 127.)
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[483/0502] jedoch nicht der Missbrauch der elterlichen Gewalt, der die direkte oder indirekte Exploitation unreifer Arbeitskräfte durch das Kapital schuf, son- dern es ist umgekehrt die kapitalistische Exploitationsweise, welche die elterliche Gewalt, durch Aufhebung der ihr entsprechenden ökonomischen Grundlage, zu einem Missbrauch gemacht hat. So furchtbar und ekelhaft nun die Auflösung des alten Familienwesens innerhalb des kapitalistischen Systems erscheint, so schafft nichtsdestoweniger die grosse Industrie mit der entscheidenden Rolle, die sie den Weibern, jungen Personen und Kin- dern beiderlei Geschlechts in gesellschaftlich organisirten Produktionspro- zessen jenseits der Sphäre des Hauswesens zuweist, die neue ökonomische Grundlage für eine höhere Form der Familie und des Verhältnisses beider Geschlechter. Es ist natürlich ebenso albern die christlich germanische Form der Familie für absolut zu halten als die altrömische Form, oder die altgriechische, oder die orientalische, die übrigens untereinander eine ge- schichtliche Entwicklungsreihe bilden. Ebenso leuchtet ein, dass die Zu- sammensetzung des kombinirten Arbeitspersonals aus Individuen beiderlei Geschlechts und der verschiedensten Altersstufen, obgleich in ihrer naturwüch- sig brutalen, kapitalistischen Form, wo der Arbeiter für den Produktions- prozess, nicht der Produktionsprozess für den Arbeiter da ist, Pestquelle des Verderbs und der Sklaverei, unter entsprechenden Verhältnissen um- gekehrt zur Quelle humaner Entwicklung umschlagen muss 312). Die Nothwendigkeit, das Fabrikgesetz aus einem Ausnahmsgesetz für Spinnereien und Webereien, diese ersten Gebilde des Maschinenbetriebs, in ein Gesetz aller gesellschaftlichen Produktion zu verallgemeinern, ent- springt, wie man sah, aus dem geschichtlichen Entwicklungsgang der grossen Industrie, auf deren Hintergrund die überlieferte Gestalt von Manu- faktur, Handwerk und Hausarbeit gänzlich umgewälzt wird, die Manufaktur beständig in die Fabrik, das Handwerk beständig in die Manufaktur um- schlägt, und endlich die Sphären des Handwerks und der Hausarbeit sich in relativ wunderbar kurzer Zeit zu Jammerhöhlen gestalten, wo die tollsten Ungeheuerlichkeiten der kapitalistischen Exploitation ihr freies Spiel trei- ben. Es sind zwei Umstände, welche zuletzt den Ausschlag geben, erstens die stets neu wiederholte Erfahrung, dass das Kapital, sobald es der 312) „Factory labour may be as pure and as excellent as domestic labour, and perhaps more so.“ („Reports of Insp. of Fact. 31st Oct. 1865“, p. 127.) 31*

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/502>, abgerufen am 22.11.2024.