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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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schinenarbeit301), theils durch Einführung von Weiber-, Kinder- und un-
geschickter Arbeit als neuer Grundlage der Arbeitstheilung. Der Wider-
spruch zwischen der manufakturmässigen Theilung der Arbeit und dem
Wesen der grossen Industrie macht sich gewaltsam geltend. Er er-
scheint u. a. in der furchtbaren Thatsache, dass ein grosser Theil der in
den modernen Fabriken und Manufakturen beschäftigten Kinder, vom zar-
testen Alter festgeschmiedet an die einfachsten Manipulationen, Jahrelang
exploitirt wird, ohne Erlernung irgend einer Arbeit, die sie später auch
nur in derselben Manufaktur oder Fabrik brauchbar machte. In den
englischen Buchdruckereien z. B. fand früher ein dem System der alten
Manufaktur und des Handwerks entsprechender Uebergang der Lehrlinge
von leichteren zu inhaltsvolleren Arbeiten statt. Sie machten einen Lern-
gang durch, bis sie fertige Drucker waren. Lesen und schreiben zu
können war für alle ein Handwerkserforderniss. Alles das änderte sich
mit der Druckmaschine. Sie verwendet zwei Sorten von Arbeitern, einen
erwachsnen Arbeiter, den Maschinenaufseher, und Maschinenjungen, meist
von 11 bis 17 Jahren, deren Geschäft ausschliesslich darin besteht, einen
Bogen Papier der Maschine zu unterbreiten oder ihr den gedruckten Bogen
zu entziehen. Sie verrichten, in London namentlich, diese Plackerei
14, 15, 16 Stunden ununterbrochen während einiger Tage in der Woche
und oft 36 Stunden nach einander mit nur zwei Stunden Rast für Mahlzeit
und Schlaf302)! Ein grosser Theil von ihnen kann nicht lesen und sie
sind in der Regel ganz verwilderte, abnorme Geschöpfe. "Um sie zu ihrem

301) Wo handwerksmässige Maschinen, durch Menschenkraft getrieben, direkt
oder indirekt mit entwickelter und daher mechanische Triebkraft voraussetzender
Maschinerie konkurriren, geht eine grosse Umwandlung vor mit Bezug auf den
Arbeiter, der die Maschine treibt. Ursprünglich ersetzte die Dampfmaschine diesen
Arbeiter, jetzt soll er die Dampfmaschine ersetzen. Die Spannung und Veraus-
gabung seiner Arbeitskraft wird daher monströs, und nun gar für Unerwachsne,
die zu dieser Tortur verurtheilt sind! So fand der Kommissär Longe in Coventry
und Umgebung Jungen von 10 bis 15 Jahren zum Drehn der Bandstühle verwandt,
abgesehn von jüngeren Kindern, die Stühle von kleinerer Dimension zu drehn
hatten. "Es ist ausserordentlich mühsame Arbeit. The boy is a mere sub-
stitute for steam-power
." ("Child. Empl. Comm. V. Rep. 1866",
p. 114, n. 6.) Ueber die mörderischen Folgen "dieses Systems der Skla-
verei
", wie der officielle Bericht es nennt, l. c. sq.
302) l. c. p. 3, n. 24.

schinenarbeit301), theils durch Einführung von Weiber-, Kinder- und un-
geschickter Arbeit als neuer Grundlage der Arbeitstheilung. Der Wider-
spruch zwischen der manufakturmässigen Theilung der Arbeit und dem
Wesen der grossen Industrie macht sich gewaltsam geltend. Er er-
scheint u. a. in der furchtbaren Thatsache, dass ein grosser Theil der in
den modernen Fabriken und Manufakturen beschäftigten Kinder, vom zar-
testen Alter festgeschmiedet an die einfachsten Manipulationen, Jahrelang
exploitirt wird, ohne Erlernung irgend einer Arbeit, die sie später auch
nur in derselben Manufaktur oder Fabrik brauchbar machte. In den
englischen Buchdruckereien z. B. fand früher ein dem System der alten
Manufaktur und des Handwerks entsprechender Uebergang der Lehrlinge
von leichteren zu inhaltsvolleren Arbeiten statt. Sie machten einen Lern-
gang durch, bis sie fertige Drucker waren. Lesen und schreiben zu
können war für alle ein Handwerkserforderniss. Alles das änderte sich
mit der Druckmaschine. Sie verwendet zwei Sorten von Arbeitern, einen
erwachsnen Arbeiter, den Maschinenaufseher, und Maschinenjungen, meist
von 11 bis 17 Jahren, deren Geschäft ausschliesslich darin besteht, einen
Bogen Papier der Maschine zu unterbreiten oder ihr den gedruckten Bogen
zu entziehen. Sie verrichten, in London namentlich, diese Plackerei
14, 15, 16 Stunden ununterbrochen während einiger Tage in der Woche
und oft 36 Stunden nach einander mit nur zwei Stunden Rast für Mahlzeit
und Schlaf302)! Ein grosser Theil von ihnen kann nicht lesen und sie
sind in der Regel ganz verwilderte, abnorme Geschöpfe. „Um sie zu ihrem

301) Wo handwerksmässige Maschinen, durch Menschenkraft getrieben, direkt
oder indirekt mit entwickelter und daher mechanische Triebkraft voraussetzender
Maschinerie konkurriren, geht eine grosse Umwandlung vor mit Bezug auf den
Arbeiter, der die Maschine treibt. Ursprünglich ersetzte die Dampfmaschine diesen
Arbeiter, jetzt soll er die Dampfmaschine ersetzen. Die Spannung und Veraus-
gabung seiner Arbeitskraft wird daher monströs, und nun gar für Unerwachsne,
die zu dieser Tortur verurtheilt sind! So fand der Kommissär Longe in Coventry
und Umgebung Jungen von 10 bis 15 Jahren zum Drehn der Bandstühle verwandt,
abgesehn von jüngeren Kindern, die Stühle von kleinerer Dimension zu drehn
hatten. „Es ist ausserordentlich mühsame Arbeit. The boy is a mere sub-
stitute for steam-power
.“ („Child. Empl. Comm. V. Rep. 1866“,
p. 114, n. 6.) Ueber die mörderischen Folgen „dieses Systems der Skla-
verei
“, wie der officielle Bericht es nennt, l. c. sq.
302) l. c. p. 3, n. 24.
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[477/0496] schinenarbeit 301), theils durch Einführung von Weiber-, Kinder- und un- geschickter Arbeit als neuer Grundlage der Arbeitstheilung. Der Wider- spruch zwischen der manufakturmässigen Theilung der Arbeit und dem Wesen der grossen Industrie macht sich gewaltsam geltend. Er er- scheint u. a. in der furchtbaren Thatsache, dass ein grosser Theil der in den modernen Fabriken und Manufakturen beschäftigten Kinder, vom zar- testen Alter festgeschmiedet an die einfachsten Manipulationen, Jahrelang exploitirt wird, ohne Erlernung irgend einer Arbeit, die sie später auch nur in derselben Manufaktur oder Fabrik brauchbar machte. In den englischen Buchdruckereien z. B. fand früher ein dem System der alten Manufaktur und des Handwerks entsprechender Uebergang der Lehrlinge von leichteren zu inhaltsvolleren Arbeiten statt. Sie machten einen Lern- gang durch, bis sie fertige Drucker waren. Lesen und schreiben zu können war für alle ein Handwerkserforderniss. Alles das änderte sich mit der Druckmaschine. Sie verwendet zwei Sorten von Arbeitern, einen erwachsnen Arbeiter, den Maschinenaufseher, und Maschinenjungen, meist von 11 bis 17 Jahren, deren Geschäft ausschliesslich darin besteht, einen Bogen Papier der Maschine zu unterbreiten oder ihr den gedruckten Bogen zu entziehen. Sie verrichten, in London namentlich, diese Plackerei 14, 15, 16 Stunden ununterbrochen während einiger Tage in der Woche und oft 36 Stunden nach einander mit nur zwei Stunden Rast für Mahlzeit und Schlaf 302)! Ein grosser Theil von ihnen kann nicht lesen und sie sind in der Regel ganz verwilderte, abnorme Geschöpfe. „Um sie zu ihrem 301) Wo handwerksmässige Maschinen, durch Menschenkraft getrieben, direkt oder indirekt mit entwickelter und daher mechanische Triebkraft voraussetzender Maschinerie konkurriren, geht eine grosse Umwandlung vor mit Bezug auf den Arbeiter, der die Maschine treibt. Ursprünglich ersetzte die Dampfmaschine diesen Arbeiter, jetzt soll er die Dampfmaschine ersetzen. Die Spannung und Veraus- gabung seiner Arbeitskraft wird daher monströs, und nun gar für Unerwachsne, die zu dieser Tortur verurtheilt sind! So fand der Kommissär Longe in Coventry und Umgebung Jungen von 10 bis 15 Jahren zum Drehn der Bandstühle verwandt, abgesehn von jüngeren Kindern, die Stühle von kleinerer Dimension zu drehn hatten. „Es ist ausserordentlich mühsame Arbeit. The boy is a mere sub- stitute for steam-power.“ („Child. Empl. Comm. V. Rep. 1866“, p. 114, n. 6.) Ueber die mörderischen Folgen „dieses Systems der Skla- verei“, wie der officielle Bericht es nennt, l. c. sq. 302) l. c. p. 3, n. 24.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/496>, abgerufen am 22.11.2024.