den andern ihr Material ausweitet. Andrerseits, wie ich früher bemerkt, entspringt der Produktenaustausch an den Punkten, wo verschiedne Fa- milien, Stämme, Gemeinwesen in Kontakt kommen, denn nicht Privatper- sonen, sondern Familien, Stämme u. s. w. treten sich in den Anfängen der Kultur selbstständig gegenüber. Verschiedne Gemeinwesen finden ver- schiedne Produktionsmittel und verschiedne Lebensmittel in ihrer Natur- umgebung vor. Ihre Produktionsweise, Lebensweise und Produkte sind daher verschieden. Es ist diese naturwüchsige Verschiedenheit, die bei dem Kontakt der Gemeinwesen den Austausch der wechselseitigen Produkte und daher die allmälige Verwandlung dieser Produkte in Waaren hervorruft. Der Austausch schafft nicht den Unterschied der Produktionssphären, sondern bezieht die unterschiednen auf einander und verwandelt sie so in mehr oder minder von einander abhängige Zweige einer gesellschaft- lichen Gesammtproduktion. Hier entsteht die gesellschaftliche Theilung der Arbeit durch den Austausch ursprünglich verschiedner, aber gegen einander selbstständiger Produktionssphären. Dort, wo die phy- siologische Theilung der Arbeit den Ausgangspunkt bildet, lösen sich die besondern Organe eines unmittelbar zusammengehörigen Ganzen von einander ab, zersetzen sich, zu welchem Zersetzungsprozess der Waaren- austausch mit fremden Gemeinwesen den Hauptanstoss giebt, und verselbst- ständigen sich bis zu dem Punkt, wo der Zusammenhang der verschiednen Arbeiten durch den Austausch der Produkte als Waaren vermittelt wird. Es ist in dem einen Fall Verunselbstständigung der früher Selbstständigen, in dem andern Verselbstständigung der früher Unselbstständigen.
Die Grundlage aller entwickelten und durch Waarenaustausch ver- mittelten Theilung der Arbeit ist die Scheidung von Stadt und Land51). Man kann sagen, dass die ganze ökonomische Geschichte der Gesellschaft sich in der Bewegung dieses Gegensatzes resümirt, auf den wir jedoch hier nicht weiter eingehn.
51)Sir James Steuart hat diesen Punktam besten behandelt. Wie wenig sein Werk, welches zehn Jahre vor dem "Wealth of Nations" erschien, heut zu Tage bekannt ist, sieht man u. a. daraus, dass die Bewunderer des Malthus nicht einmal wissen, dass dieser in der ersten Ausgabe seiner Schrift über die "Popu- lation", vom rein deklamatorischen Theil abgesehn, neben den Pfaffen Wallace und Townsend fast nur den Steuart abschreibt.
den andern ihr Material ausweitet. Andrerseits, wie ich früher bemerkt, entspringt der Produktenaustausch an den Punkten, wo verschiedne Fa- milien, Stämme, Gemeinwesen in Kontakt kommen, denn nicht Privatper- sonen, sondern Familien, Stämme u. s. w. treten sich in den Anfängen der Kultur selbstständig gegenüber. Verschiedne Gemeinwesen finden ver- schiedne Produktionsmittel und verschiedne Lebensmittel in ihrer Natur- umgebung vor. Ihre Produktionsweise, Lebensweise und Produkte sind daher verschieden. Es ist diese naturwüchsige Verschiedenheit, die bei dem Kontakt der Gemeinwesen den Austausch der wechselseitigen Produkte und daher die allmälige Verwandlung dieser Produkte in Waaren hervorruft. Der Austausch schafft nicht den Unterschied der Produktionssphären, sondern bezieht die unterschiednen auf einander und verwandelt sie so in mehr oder minder von einander abhängige Zweige einer gesellschaft- lichen Gesammtproduktion. Hier entsteht die gesellschaftliche Theilung der Arbeit durch den Austausch ursprünglich verschiedner, aber gegen einander selbstständiger Produktionssphären. Dort, wo die phy- siologische Theilung der Arbeit den Ausgangspunkt bildet, lösen sich die besondern Organe eines unmittelbar zusammengehörigen Ganzen von einander ab, zersetzen sich, zu welchem Zersetzungsprozess der Waaren- austausch mit fremden Gemeinwesen den Hauptanstoss giebt, und verselbst- ständigen sich bis zu dem Punkt, wo der Zusammenhang der verschiednen Arbeiten durch den Austausch der Produkte als Waaren vermittelt wird. Es ist in dem einen Fall Verunselbstständigung der früher Selbstständigen, in dem andern Verselbstständigung der früher Unselbstständigen.
Die Grundlage aller entwickelten und durch Waarenaustausch ver- mittelten Theilung der Arbeit ist die Scheidung von Stadt und Land51). Man kann sagen, dass die ganze ökonomische Geschichte der Gesellschaft sich in der Bewegung dieses Gegensatzes resümirt, auf den wir jedoch hier nicht weiter eingehn.
51)Sir James Steuart hat diesen Punktam besten behandelt. Wie wenig sein Werk, welches zehn Jahre vor dem „Wealth of Nations“ erschien, heut zu Tage bekannt ist, sieht man u. a. daraus, dass die Bewunderer des Malthus nicht einmal wissen, dass dieser in der ersten Ausgabe seiner Schrift über die „Popu- lation“, vom rein deklamatorischen Theil abgesehn, neben den Pfaffen Wallace und Townsend fast nur den Steuart abschreibt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0355"n="336"/>
den andern ihr Material ausweitet. Andrerseits, wie ich früher bemerkt,<lb/>
entspringt der <hirendition="#g">Produktenaustausch</hi> an den Punkten, wo verschiedne Fa-<lb/>
milien, Stämme, Gemeinwesen in Kontakt kommen, denn nicht Privatper-<lb/>
sonen, sondern Familien, Stämme u. s. w. treten sich in den Anfängen der<lb/>
Kultur selbstständig gegenüber. Verschiedne Gemeinwesen finden ver-<lb/>
schiedne Produktionsmittel und verschiedne Lebensmittel in ihrer <hirendition="#g">Natur-<lb/>
umgebung</hi> vor. Ihre Produktionsweise, Lebensweise und Produkte sind<lb/>
daher verschieden. Es ist diese naturwüchsige Verschiedenheit, die bei<lb/>
dem Kontakt der Gemeinwesen den Austausch der wechselseitigen Produkte<lb/>
und daher die allmälige Verwandlung dieser Produkte in Waaren hervorruft.<lb/>
Der Austausch schafft nicht den Unterschied der Produktionssphären,<lb/>
sondern bezieht die unterschiednen auf einander und verwandelt sie so in<lb/>
mehr oder minder von einander abhängige Zweige einer <hirendition="#g">gesellschaft-<lb/>
lichen</hi> Gesammtproduktion. Hier entsteht die gesellschaftliche Theilung<lb/>
der Arbeit durch den Austausch <hirendition="#g">ursprünglich verschiedner, aber</hi><lb/>
gegen einander <hirendition="#g">selbstständiger</hi> Produktionssphären. Dort, wo die <hirendition="#g">phy-<lb/>
siologische Theilung der Arbeit</hi> den Ausgangspunkt bildet, lösen sich<lb/>
die besondern Organe eines unmittelbar zusammengehörigen Ganzen von<lb/>
einander ab, zersetzen sich, zu welchem Zersetzungsprozess der Waaren-<lb/>
austausch mit fremden Gemeinwesen den Hauptanstoss giebt, und verselbst-<lb/>
ständigen sich bis zu dem Punkt, wo der Zusammenhang der verschiednen<lb/>
Arbeiten durch den Austausch der Produkte als <hirendition="#g">Waaren</hi> vermittelt wird.<lb/>
Es ist in dem einen Fall Verunselbstständigung der früher Selbstständigen,<lb/>
in dem andern Verselbstständigung der früher Unselbstständigen.</p><lb/><p>Die Grundlage aller entwickelten und durch Waarenaustausch ver-<lb/>
mittelten Theilung der Arbeit ist <hirendition="#g">die Scheidung von Stadt und<lb/>
Land</hi><noteplace="foot"n="51)"><hirendition="#g">Sir James Steuart</hi> hat diesen Punktam besten behandelt. Wie wenig<lb/>
sein Werk, welches zehn Jahre vor dem „Wealth of Nations“ erschien, heut zu<lb/>
Tage bekannt ist, sieht man u. a. daraus, dass die Bewunderer des <hirendition="#g">Malthus</hi> nicht<lb/>
einmal wissen, dass dieser in der ersten Ausgabe seiner Schrift über die „Popu-<lb/>
lation“, vom rein deklamatorischen Theil abgesehn, neben den Pfaffen <hirendition="#g">Wallace</hi><lb/>
und <hirendition="#g">Townsend</hi> fast nur den <hirendition="#g">Steuart abschreibt</hi>.</note>. Man kann sagen, dass die ganze ökonomische Geschichte der<lb/>
Gesellschaft sich in der Bewegung dieses Gegensatzes resümirt, auf den<lb/>
wir jedoch hier nicht weiter eingehn.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[336/0355]
den andern ihr Material ausweitet. Andrerseits, wie ich früher bemerkt,
entspringt der Produktenaustausch an den Punkten, wo verschiedne Fa-
milien, Stämme, Gemeinwesen in Kontakt kommen, denn nicht Privatper-
sonen, sondern Familien, Stämme u. s. w. treten sich in den Anfängen der
Kultur selbstständig gegenüber. Verschiedne Gemeinwesen finden ver-
schiedne Produktionsmittel und verschiedne Lebensmittel in ihrer Natur-
umgebung vor. Ihre Produktionsweise, Lebensweise und Produkte sind
daher verschieden. Es ist diese naturwüchsige Verschiedenheit, die bei
dem Kontakt der Gemeinwesen den Austausch der wechselseitigen Produkte
und daher die allmälige Verwandlung dieser Produkte in Waaren hervorruft.
Der Austausch schafft nicht den Unterschied der Produktionssphären,
sondern bezieht die unterschiednen auf einander und verwandelt sie so in
mehr oder minder von einander abhängige Zweige einer gesellschaft-
lichen Gesammtproduktion. Hier entsteht die gesellschaftliche Theilung
der Arbeit durch den Austausch ursprünglich verschiedner, aber
gegen einander selbstständiger Produktionssphären. Dort, wo die phy-
siologische Theilung der Arbeit den Ausgangspunkt bildet, lösen sich
die besondern Organe eines unmittelbar zusammengehörigen Ganzen von
einander ab, zersetzen sich, zu welchem Zersetzungsprozess der Waaren-
austausch mit fremden Gemeinwesen den Hauptanstoss giebt, und verselbst-
ständigen sich bis zu dem Punkt, wo der Zusammenhang der verschiednen
Arbeiten durch den Austausch der Produkte als Waaren vermittelt wird.
Es ist in dem einen Fall Verunselbstständigung der früher Selbstständigen,
in dem andern Verselbstständigung der früher Unselbstständigen.
Die Grundlage aller entwickelten und durch Waarenaustausch ver-
mittelten Theilung der Arbeit ist die Scheidung von Stadt und
Land 51). Man kann sagen, dass die ganze ökonomische Geschichte der
Gesellschaft sich in der Bewegung dieses Gegensatzes resümirt, auf den
wir jedoch hier nicht weiter eingehn.
51) Sir James Steuart hat diesen Punktam besten behandelt. Wie wenig
sein Werk, welches zehn Jahre vor dem „Wealth of Nations“ erschien, heut zu
Tage bekannt ist, sieht man u. a. daraus, dass die Bewunderer des Malthus nicht
einmal wissen, dass dieser in der ersten Ausgabe seiner Schrift über die „Popu-
lation“, vom rein deklamatorischen Theil abgesehn, neben den Pfaffen Wallace
und Townsend fast nur den Steuart abschreibt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/355>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.