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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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über 13 Jahre Tag und Nacht hindurch beliebig abzuarbeiten180). Er
ist ein parlamentarischer Abort181).

Dennoch hatte das Prinzip gesiegt mit seinem Sieg in den grossen
Industriezweigen, welche das eigenste Geschöpf der modernen Produktions-
weise. Ihre wundervolle Entwicklung von 1853--1860, Hand in Hand
mit der physischen und moralischen Wiedergeburt der Fabrikarbeiter.
schlug das blödeste Auge. Die Fabrikanten selbst, denen die gesetzliche
Schranke und Regel des Arbeitstags durch halbhundertjährigen Bürger-
krieg Schritt für Schritt abgetrotzt, wiesen prahlend auf den Kontrast mit
den noch "freien" Exploitationsgebieten hin182). Die Pharisäer der
"politischen Oekonomie" proklamirten nun die Einsicht in die Noth-
wendigkeit eines gesetzlich geregelten Arbeitstags als charakteristische
Neuerrungenschaft ihrer "Wissenschaft"183). Man versteht leicht, dass
nachdem sich die Fabrikmagnaten in das Unvermeidliche gefügt und mit
ihm ausgesöhnt, die Widerstandskraft des Kapitals graduell abschwachte,
während zugleich die Angriffskraft der Arbeiterklasse wuchs mit der Zahl
ihrer Verbündeten in den nicht unmittelbar interessirten Gesellschafts-
schichten. Daher vergleichungsweis rascher Fortschritt seit 1860.

Die Färbereien und Bleichereien184) wurden 1860, die Spitzenfabri-

180) "Kinder von 8 Jahren und drüber sind in der That von 6 Uhr Morgens
bis 9 Uhr Abends während des letzten Halbjahrs (1857) in meinem Distrikt abge
rackert worden." ("Reports etc. for 31. Oct. 1857", p. 39.)
181) "The Printwork's Act is admitted to be a failure, both with reference to
its educational and protective provisions." ("Reports etc. for 31. Oct. 1862",
p. 52.)
182) So z. B. E. Potter in Brief an Times vom 24. März 1863. Die
Times erinnert ihn an die Fabrikantenrevolte gegen das Zehnstundengesetz.
183) So u. a. Herr W. Newmarch, Mitarbeiter an und Herausgeber von
Tooke's: "History of Prices". Ist es wissenschaftlicher Fort-
schritt, der öffentlichen Meinung feige Concessionen zu machen?
184) Der 1860 erlassene Akt über Bleichereien und Färbereien bestimmt, dass
der Arbeitstag am 1. August 1861 vorläufig auf 12, am 1. August 1862 definitiv
auf 10 Stunden, d. h. 101/2 für Werkeltage und 71/2 für Samstage herabgesetzt
werde. Als nun das böse Jahr 1862 anbrach, wiederholte sich die alte Farce.
Die Herrn Fabrikanten petitionirten das Parlament, nur noch für ein einziges Jahr
länger die zwölfstündige Beschäftigung von jungen Personen und Frauenzimmern
zu dulden . . . . "Beim gegenwärtigen Zustand des Geschäfts (zur Zeit der Baum-
wollnoth) sei es ein grosser Vortheil für die Arbeiter, wenn man ihnen erlaube
I. 18

über 13 Jahre Tag und Nacht hindurch beliebig abzuarbeiten180). Er
ist ein parlamentarischer Abort181).

Dennoch hatte das Prinzip gesiegt mit seinem Sieg in den grossen
Industriezweigen, welche das eigenste Geschöpf der modernen Produktions-
weise. Ihre wundervolle Entwicklung von 1853—1860, Hand in Hand
mit der physischen und moralischen Wiedergeburt der Fabrikarbeiter.
schlug das blödeste Auge. Die Fabrikanten selbst, denen die gesetzliche
Schranke und Regel des Arbeitstags durch halbhundertjährigen Bürger-
krieg Schritt für Schritt abgetrotzt, wiesen prahlend auf den Kontrast mit
den noch „freien“ Exploitationsgebieten hin182). Die Pharisäer der
„politischen Oekonomie“ proklamirten nun die Einsicht in die Noth-
wendigkeit eines gesetzlich geregelten Arbeitstags als charakteristische
Neuerrungenschaft ihrer „Wissenschaft“183). Man versteht leicht, dass
nachdem sich die Fabrikmagnaten in das Unvermeidliche gefügt und mit
ihm ausgesöhnt, die Widerstandskraft des Kapitals graduell abschwachte,
während zugleich die Angriffskraft der Arbeiterklasse wuchs mit der Zahl
ihrer Verbündeten in den nicht unmittelbar interessirten Gesellschafts-
schichten. Daher vergleichungsweis rascher Fortschritt seit 1860.

Die Färbereien und Bleichereien184) wurden 1860, die Spitzenfabri-

180) „Kinder von 8 Jahren und drüber sind in der That von 6 Uhr Morgens
bis 9 Uhr Abends während des letzten Halbjahrs (1857) in meinem Distrikt abge
rackert worden.“ („Reports etc. for 31. Oct. 1857“, p. 39.)
181) „The Printwork’s Act is admitted to be a failure, both with reference to
its educational and protective provisions.“ („Reports etc. for 31. Oct. 1862“,
p. 52.)
182) So z. B. E. Potter in Brief an Times vom 24. März 1863. Die
Times erinnert ihn an die Fabrikantenrevolte gegen das Zehnstundengesetz.
183) So u. a. Herr W. Newmarch, Mitarbeiter an und Herausgeber von
Tooke’s: „History of Prices“. Ist es wissenschaftlicher Fort-
schritt, der öffentlichen Meinung feige Concessionen zu machen?
184) Der 1860 erlassene Akt über Bleichereien und Färbereien bestimmt, dass
der Arbeitstag am 1. August 1861 vorläufig auf 12, am 1. August 1862 definitiv
auf 10 Stunden, d. h. 10½ für Werkeltage und 7½ für Samstage herabgesetzt
werde. Als nun das böse Jahr 1862 anbrach, wiederholte sich die alte Farce.
Die Herrn Fabrikanten petitionirten das Parlament, nur noch für ein einziges Jahr
länger die zwölfstündige Beschäftigung von jungen Personen und Frauenzimmern
zu dulden . . . . „Beim gegenwärtigen Zustand des Geschäfts (zur Zeit der Baum-
wollnoth) sei es ein grosser Vortheil für die Arbeiter, wenn man ihnen erlaube
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[273/0292] über 13 Jahre Tag und Nacht hindurch beliebig abzuarbeiten 180). Er ist ein parlamentarischer Abort 181). Dennoch hatte das Prinzip gesiegt mit seinem Sieg in den grossen Industriezweigen, welche das eigenste Geschöpf der modernen Produktions- weise. Ihre wundervolle Entwicklung von 1853—1860, Hand in Hand mit der physischen und moralischen Wiedergeburt der Fabrikarbeiter. schlug das blödeste Auge. Die Fabrikanten selbst, denen die gesetzliche Schranke und Regel des Arbeitstags durch halbhundertjährigen Bürger- krieg Schritt für Schritt abgetrotzt, wiesen prahlend auf den Kontrast mit den noch „freien“ Exploitationsgebieten hin 182). Die Pharisäer der „politischen Oekonomie“ proklamirten nun die Einsicht in die Noth- wendigkeit eines gesetzlich geregelten Arbeitstags als charakteristische Neuerrungenschaft ihrer „Wissenschaft“ 183). Man versteht leicht, dass nachdem sich die Fabrikmagnaten in das Unvermeidliche gefügt und mit ihm ausgesöhnt, die Widerstandskraft des Kapitals graduell abschwachte, während zugleich die Angriffskraft der Arbeiterklasse wuchs mit der Zahl ihrer Verbündeten in den nicht unmittelbar interessirten Gesellschafts- schichten. Daher vergleichungsweis rascher Fortschritt seit 1860. Die Färbereien und Bleichereien 184) wurden 1860, die Spitzenfabri- 180) „Kinder von 8 Jahren und drüber sind in der That von 6 Uhr Morgens bis 9 Uhr Abends während des letzten Halbjahrs (1857) in meinem Distrikt abge rackert worden.“ („Reports etc. for 31. Oct. 1857“, p. 39.) 181) „The Printwork’s Act is admitted to be a failure, both with reference to its educational and protective provisions.“ („Reports etc. for 31. Oct. 1862“, p. 52.) 182) So z. B. E. Potter in Brief an Times vom 24. März 1863. Die Times erinnert ihn an die Fabrikantenrevolte gegen das Zehnstundengesetz. 183) So u. a. Herr W. Newmarch, Mitarbeiter an und Herausgeber von Tooke’s: „History of Prices“. Ist es wissenschaftlicher Fort- schritt, der öffentlichen Meinung feige Concessionen zu machen? 184) Der 1860 erlassene Akt über Bleichereien und Färbereien bestimmt, dass der Arbeitstag am 1. August 1861 vorläufig auf 12, am 1. August 1862 definitiv auf 10 Stunden, d. h. 10½ für Werkeltage und 7½ für Samstage herabgesetzt werde. Als nun das böse Jahr 1862 anbrach, wiederholte sich die alte Farce. Die Herrn Fabrikanten petitionirten das Parlament, nur noch für ein einziges Jahr länger die zwölfstündige Beschäftigung von jungen Personen und Frauenzimmern zu dulden . . . . „Beim gegenwärtigen Zustand des Geschäfts (zur Zeit der Baum- wollnoth) sei es ein grosser Vortheil für die Arbeiter, wenn man ihnen erlaube I. 18

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/292>, abgerufen am 18.05.2024.