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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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"Was ist ein Arbeitstag?" Wie gross ist die Zeit, während deren
das Kapital die Arbeitskraft, deren Tageswerth es zahlt, konsumiren darf?
Wie weit kann der Arbeitstag verlängert werden über die zur Repro-
duktion der Arbeitskraft selbst nothwendige Arbeitszeit? Auf diese Fragen,
man hat es gesehn, antwortet das Kapital: der Arbeitstag zählt täg-
lich volle 24 Stunden nach Abzug der wenigen Ruhestunden, ohne
welche die Arbeitskraft ihren erneuerten Dienst absolut versagt. Es ver-
steht sich zunächst von selbst, dass der Arbeiter seinen ganzen Lebenstag
durch nichts ist ausser Arbeitskraft, dass daher alle seine dis-
ponible Zeit
von Natur und Rechtswegen Arbeitszeit ist, also der
Selbstverwerthung des Kapitals angehört. Zeit zu menschlicher
Bildung, zu geistiger Entwicklung, zur Erfüllung sozialer Funktionen, zu

regulärer Mahlzeiten, aber selbst in Geldwerth ist es nichts verglichen
mit der Verwüstung von Lebenskraft ("the waste of animal power"),
die jetzt dem Königreich daraus erwächst, dass in den Glashütten beschäftigte und
im Wachsthum begriffene Kinder keine Ruhezeit finden, ihre Speisen bequem ein-
zunehmen und zu verdauen." (l. c. p. XLV.) Und das im "Fortschrittsjahr"
1865! Abgesehn von der Kraftausgabe im Heben und Tragen, marschirt ein
solches Kind in den Hütten, die Flaschen und Flintglas machen, während der
kontinuirlichen Verrichtung seiner Arbeit, 15 bis 20 (englische) Meilen in 6
Stunden! Und die Arbeit dauert oft 14 bis 15 Stunden! In vielen dieser Glas-
hütten herrscht, wie in den Spinnereien von Moskau, das System sechsstündi-
ger Ablösungen
. "Während der Arbeitszeit der Woche sind sechs Stunden
die äusserste ununterbrochne Rastperiode, und davon geht ab die Zeit zur und
von der Fabrik zu gehn, Waschen, Kleiden, Speisen, was alles Zeit kostet. So
bleibt in der That nur die kürzeste Ruhezeit. Keine Zeit für Spiel und frische
Luft, ausser auf Kosten des Schlafes, so unentbehrlich für Kinder, die in solch
heisser Atmosphäre solch anstrengendes Werk verrichten . . . . Selbst der kurze
Schlaf ist dadurch unterbrochen, dass das Kind sich selbst wecken muss bei Nacht,
oder bei Tag vom Aussenlärm geweckt wird." Herr White giebt Fälle, wo ein
Junge 36 Stunden nach einander arbeitete; andere, wo Knaben von 12 Jahren
bis zwei Uhr Nachts schanzen und dann in der Hütte schlafen bis 5 Uhr
Morgens
(3 Stunden!), um das Tagewerk von neuem zu beginnen! "Die Masse
Arbeit," sagen die Redakteure des allgemeinen Berichts, Tremenheere und Tufnell,
"die Knaben, Mädchen und Weiber im Lauf ihres täglichen oder nächtlichen Ar-
beitsbanns
("spell of labour") verrichten, ist fabelhaft." (l. c. XLIII
und XLIV.) Unterdess wankt vielleicht, eines Abends späte, das "entsagungs-
volle" Glaskapital, Portweinduslig, aus dem Klub nach Haus, idiotisch vor sich
hersummend: "Britons never, never shall be slaves!"

Was ist ein Arbeitstag?“ Wie gross ist die Zeit, während deren
das Kapital die Arbeitskraft, deren Tageswerth es zahlt, konsumiren darf?
Wie weit kann der Arbeitstag verlängert werden über die zur Repro-
duktion der Arbeitskraft selbst nothwendige Arbeitszeit? Auf diese Fragen,
man hat es gesehn, antwortet das Kapital: der Arbeitstag zählt täg-
lich volle 24 Stunden nach Abzug der wenigen Ruhestunden, ohne
welche die Arbeitskraft ihren erneuerten Dienst absolut versagt. Es ver-
steht sich zunächst von selbst, dass der Arbeiter seinen ganzen Lebenstag
durch nichts ist ausser Arbeitskraft, dass daher alle seine dis-
ponible Zeit
von Natur und Rechtswegen Arbeitszeit ist, also der
Selbstverwerthung des Kapitals angehört. Zeit zu menschlicher
Bildung, zu geistiger Entwicklung, zur Erfüllung sozialer Funktionen, zu

regulärer Mahlzeiten, aber selbst in Geldwerth ist es nichts verglichen
mit der Verwüstung von Lebenskraft („the waste of animal power“),
die jetzt dem Königreich daraus erwächst, dass in den Glashütten beschäftigte und
im Wachsthum begriffene Kinder keine Ruhezeit finden, ihre Speisen bequem ein-
zunehmen und zu verdauen.“ (l. c. p. XLV.) Und das im „Fortschrittsjahr“
1865! Abgesehn von der Kraftausgabe im Heben und Tragen, marschirt ein
solches Kind in den Hütten, die Flaschen und Flintglas machen, während der
kontinuirlichen Verrichtung seiner Arbeit, 15 bis 20 (englische) Meilen in 6
Stunden! Und die Arbeit dauert oft 14 bis 15 Stunden! In vielen dieser Glas-
hütten herrscht, wie in den Spinnereien von Moskau, das System sechsstündi-
ger Ablösungen
. „Während der Arbeitszeit der Woche sind sechs Stunden
die äusserste ununterbrochne Rastperiode, und davon geht ab die Zeit zur und
von der Fabrik zu gehn, Waschen, Kleiden, Speisen, was alles Zeit kostet. So
bleibt in der That nur die kürzeste Ruhezeit. Keine Zeit für Spiel und frische
Luft, ausser auf Kosten des Schlafes, so unentbehrlich für Kinder, die in solch
heisser Atmosphäre solch anstrengendes Werk verrichten . . . . Selbst der kurze
Schlaf ist dadurch unterbrochen, dass das Kind sich selbst wecken muss bei Nacht,
oder bei Tag vom Aussenlärm geweckt wird.“ Herr White giebt Fälle, wo ein
Junge 36 Stunden nach einander arbeitete; andere, wo Knaben von 12 Jahren
bis zwei Uhr Nachts schanzen und dann in der Hütte schlafen bis 5 Uhr
Morgens
(3 Stunden!), um das Tagewerk von neuem zu beginnen! „Die Masse
Arbeit,“ sagen die Redakteure des allgemeinen Berichts, Tremenheere und Tufnell,
„die Knaben, Mädchen und Weiber im Lauf ihres täglichen oder nächtlichen Ar-
beitsbanns
(„spell of labour“) verrichten, ist fabelhaft.“ (l. c. XLIII
und XLIV.) Unterdess wankt vielleicht, eines Abends späte, das „entsagungs-
volle“ Glaskapital, Portweinduslig, aus dem Klub nach Haus, idiotisch vor sich
hersummend: „Britons never, never shall be slaves!“
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[236/0255] „Was ist ein Arbeitstag?“ Wie gross ist die Zeit, während deren das Kapital die Arbeitskraft, deren Tageswerth es zahlt, konsumiren darf? Wie weit kann der Arbeitstag verlängert werden über die zur Repro- duktion der Arbeitskraft selbst nothwendige Arbeitszeit? Auf diese Fragen, man hat es gesehn, antwortet das Kapital: der Arbeitstag zählt täg- lich volle 24 Stunden nach Abzug der wenigen Ruhestunden, ohne welche die Arbeitskraft ihren erneuerten Dienst absolut versagt. Es ver- steht sich zunächst von selbst, dass der Arbeiter seinen ganzen Lebenstag durch nichts ist ausser Arbeitskraft, dass daher alle seine dis- ponible Zeit von Natur und Rechtswegen Arbeitszeit ist, also der Selbstverwerthung des Kapitals angehört. Zeit zu menschlicher Bildung, zu geistiger Entwicklung, zur Erfüllung sozialer Funktionen, zu 103) 103) regulärer Mahlzeiten, aber selbst in Geldwerth ist es nichts verglichen mit der Verwüstung von Lebenskraft („the waste of animal power“), die jetzt dem Königreich daraus erwächst, dass in den Glashütten beschäftigte und im Wachsthum begriffene Kinder keine Ruhezeit finden, ihre Speisen bequem ein- zunehmen und zu verdauen.“ (l. c. p. XLV.) Und das im „Fortschrittsjahr“ 1865! Abgesehn von der Kraftausgabe im Heben und Tragen, marschirt ein solches Kind in den Hütten, die Flaschen und Flintglas machen, während der kontinuirlichen Verrichtung seiner Arbeit, 15 bis 20 (englische) Meilen in 6 Stunden! Und die Arbeit dauert oft 14 bis 15 Stunden! In vielen dieser Glas- hütten herrscht, wie in den Spinnereien von Moskau, das System sechsstündi- ger Ablösungen. „Während der Arbeitszeit der Woche sind sechs Stunden die äusserste ununterbrochne Rastperiode, und davon geht ab die Zeit zur und von der Fabrik zu gehn, Waschen, Kleiden, Speisen, was alles Zeit kostet. So bleibt in der That nur die kürzeste Ruhezeit. Keine Zeit für Spiel und frische Luft, ausser auf Kosten des Schlafes, so unentbehrlich für Kinder, die in solch heisser Atmosphäre solch anstrengendes Werk verrichten . . . . Selbst der kurze Schlaf ist dadurch unterbrochen, dass das Kind sich selbst wecken muss bei Nacht, oder bei Tag vom Aussenlärm geweckt wird.“ Herr White giebt Fälle, wo ein Junge 36 Stunden nach einander arbeitete; andere, wo Knaben von 12 Jahren bis zwei Uhr Nachts schanzen und dann in der Hütte schlafen bis 5 Uhr Morgens (3 Stunden!), um das Tagewerk von neuem zu beginnen! „Die Masse Arbeit,“ sagen die Redakteure des allgemeinen Berichts, Tremenheere und Tufnell, „die Knaben, Mädchen und Weiber im Lauf ihres täglichen oder nächtlichen Ar- beitsbanns („spell of labour“) verrichten, ist fabelhaft.“ (l. c. XLIII und XLIV.) Unterdess wankt vielleicht, eines Abends späte, das „entsagungs- volle“ Glaskapital, Portweinduslig, aus dem Klub nach Haus, idiotisch vor sich hersummend: „Britons never, never shall be slaves!“

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/255>, abgerufen am 22.11.2024.