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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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Lasst uns nun hören, wie das Kapital selbst diess Vierundzwanzig-
Stundensystem auffasst. Die Uebertreibungen des Systems, seinen Missbrauch
zur "grausamen und unglaublichen" Verlängerung des Arbeitstags, über-
geht es natürlich mit Stillschweigen. Es spricht nur von dem System in
seiner "normalen" Form.

"Die Herren Naylor und Vickers, Stahlfabrikanten, die zwischen
600 und 700 Personen anwenden, und darunter nur 10 % unter 18 Jah-
ren, und hiervon wieder nur 20 Knaben zum Nachtpersonal, äussern sich
wie folgt: "Die Knaben leiden durchaus nicht von der Hitze. Die Tem-
peratur ist wahrscheinlich 86° bis 90°. . . . . In den Hammer- und
Walzwerken arbeiten die Hände Tag und Nacht ablösungsweise, aber
dahingegen ist auch alles andre Werk Tagwerk, von 6 Uhr Morgens bis
6 Uhr Abends. In der Schmiede wird von 12 Uhr bis 12 Uhr gearbeitet.
Einige Hände arbeiten fortwährend des Nachts ohne
Wechsel zwischen Tag- und Nachtzeit
. . . . Wir finden nicht,
dass Tag- oder Nachtarbeit irgend einen Unterschied in der Gesundheit
(der Herren Naylor und Vickers?) macht, und wahrscheinlich schla-

von 18 Stunden, und die der Nachtreihe 5 Nächte von 12 Stunden und eine von 6
Stunden, in jeder Woche. In andern Fällen arbeitet jede Reihe 24 Stunden, die
eine nach der andern, an Wechseltagen. Eine Reihe arbeitet 6 Stunden am Mon-
tag, und 18 am Samstag, um 24 Stunden vollzumachen. In andern Fällen ist ein
Zwischensystem eingeführt, worin alle an der Papiermacher-Maschinerie Ange-
stellten jeden Tag in der Woche 15--16 Stunden arbeiten. Diess System, sagt
Untersuchungskommissär Lord, scheint alle Uebel der Zwölfstunden- und der
Vierundzwanzigstunden-Ablösung zu vereinigen. Kinder unter 13 Jahren, junge
Personen unter 18 und Weiber arbeiten unter diesem Nachtsystem. Manchmal,
in dem Zwölfstundensystem, mussten sie, wegen Ausbleiben der Ablöser, die
doppelte Reihe von 24 Stunden arbeiten. Zeugenaussagen beweisen, dass
Knaben und Mädchen sehr oft Ueberzeit arbeiten, die sich nicht selten zu 24,
ja 36 Stunden ununterbrochner Arbeit ausdehnt. In dem "kontinuirlichen und
unveränderlichen" Prozess der Glasirräume findet man Mädchen von 12 Jahren,
die den ganzen Monat durch täglich 14 Stunden arbeiten, "ohne irgend eine regel-
mässige Erholung oder Unterbrechung ausser zwei, höchstens drei halbstündigen
Ausfällen für Mahlzeiten." In einigen Fabriken, wo man die reguläre Nacht-
arbeit ganz aufgegeben, wird entsetzlich viel Ueberzeit gearbeitet und "diess häufig
in den schmutzigsten, heissesten und monotonsten Prozessen." ("Children's
Employment Commission. Report
IV, 1865," p. XXXVIII und
XXXIX.)

Lasst uns nun hören, wie das Kapital selbst diess Vierundzwanzig-
Stundensystem auffasst. Die Uebertreibungen des Systems, seinen Missbrauch
zur „grausamen und unglaublichen“ Verlängerung des Arbeitstags, über-
geht es natürlich mit Stillschweigen. Es spricht nur von dem System in
seiner „normalen“ Form.

„Die Herren Naylor und Vickers, Stahlfabrikanten, die zwischen
600 und 700 Personen anwenden, und darunter nur 10 % unter 18 Jah-
ren, und hiervon wieder nur 20 Knaben zum Nachtpersonal, äussern sich
wie folgt: „Die Knaben leiden durchaus nicht von der Hitze. Die Tem-
peratur ist wahrscheinlich 86° bis 90°. . . . . In den Hammer- und
Walzwerken arbeiten die Hände Tag und Nacht ablösungsweise, aber
dahingegen ist auch alles andre Werk Tagwerk, von 6 Uhr Morgens bis
6 Uhr Abends. In der Schmiede wird von 12 Uhr bis 12 Uhr gearbeitet.
Einige Hände arbeiten fortwährend des Nachts ohne
Wechsel zwischen Tag- und Nachtzeit
. . . . Wir finden nicht,
dass Tag- oder Nachtarbeit irgend einen Unterschied in der Gesundheit
(der Herren Naylor und Vickers?) macht, und wahrscheinlich schla-

von 18 Stunden, und die der Nachtreihe 5 Nächte von 12 Stunden und eine von 6
Stunden, in jeder Woche. In andern Fällen arbeitet jede Reihe 24 Stunden, die
eine nach der andern, an Wechseltagen. Eine Reihe arbeitet 6 Stunden am Mon-
tag, und 18 am Samstag, um 24 Stunden vollzumachen. In andern Fällen ist ein
Zwischensystem eingeführt, worin alle an der Papiermacher-Maschinerie Ange-
stellten jeden Tag in der Woche 15—16 Stunden arbeiten. Diess System, sagt
Untersuchungskommissär Lord, scheint alle Uebel der Zwölfstunden- und der
Vierundzwanzigstunden-Ablösung zu vereinigen. Kinder unter 13 Jahren, junge
Personen unter 18 und Weiber arbeiten unter diesem Nachtsystem. Manchmal,
in dem Zwölfstundensystem, mussten sie, wegen Ausbleiben der Ablöser, die
doppelte Reihe von 24 Stunden arbeiten. Zeugenaussagen beweisen, dass
Knaben und Mädchen sehr oft Ueberzeit arbeiten, die sich nicht selten zu 24,
ja 36 Stunden ununterbrochner Arbeit ausdehnt. In dem „kontinuirlichen und
unveränderlichen“ Prozess der Glasirräume findet man Mädchen von 12 Jahren,
die den ganzen Monat durch täglich 14 Stunden arbeiten, „ohne irgend eine regel-
mässige Erholung oder Unterbrechung ausser zwei, höchstens drei halbstündigen
Ausfällen für Mahlzeiten.“ In einigen Fabriken, wo man die reguläre Nacht-
arbeit ganz aufgegeben, wird entsetzlich viel Ueberzeit gearbeitet und „diess häufig
in den schmutzigsten, heissesten und monotonsten Prozessen.“ („Children’s
Employment Commission. Report
IV, 1865,“ p. XXXVIII und
XXXIX.)
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[231/0250] Lasst uns nun hören, wie das Kapital selbst diess Vierundzwanzig- Stundensystem auffasst. Die Uebertreibungen des Systems, seinen Missbrauch zur „grausamen und unglaublichen“ Verlängerung des Arbeitstags, über- geht es natürlich mit Stillschweigen. Es spricht nur von dem System in seiner „normalen“ Form. „Die Herren Naylor und Vickers, Stahlfabrikanten, die zwischen 600 und 700 Personen anwenden, und darunter nur 10 % unter 18 Jah- ren, und hiervon wieder nur 20 Knaben zum Nachtpersonal, äussern sich wie folgt: „Die Knaben leiden durchaus nicht von der Hitze. Die Tem- peratur ist wahrscheinlich 86° bis 90°. . . . . In den Hammer- und Walzwerken arbeiten die Hände Tag und Nacht ablösungsweise, aber dahingegen ist auch alles andre Werk Tagwerk, von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends. In der Schmiede wird von 12 Uhr bis 12 Uhr gearbeitet. Einige Hände arbeiten fortwährend des Nachts ohne Wechsel zwischen Tag- und Nachtzeit . . . . Wir finden nicht, dass Tag- oder Nachtarbeit irgend einen Unterschied in der Gesundheit (der Herren Naylor und Vickers?) macht, und wahrscheinlich schla- 98) 98) von 18 Stunden, und die der Nachtreihe 5 Nächte von 12 Stunden und eine von 6 Stunden, in jeder Woche. In andern Fällen arbeitet jede Reihe 24 Stunden, die eine nach der andern, an Wechseltagen. Eine Reihe arbeitet 6 Stunden am Mon- tag, und 18 am Samstag, um 24 Stunden vollzumachen. In andern Fällen ist ein Zwischensystem eingeführt, worin alle an der Papiermacher-Maschinerie Ange- stellten jeden Tag in der Woche 15—16 Stunden arbeiten. Diess System, sagt Untersuchungskommissär Lord, scheint alle Uebel der Zwölfstunden- und der Vierundzwanzigstunden-Ablösung zu vereinigen. Kinder unter 13 Jahren, junge Personen unter 18 und Weiber arbeiten unter diesem Nachtsystem. Manchmal, in dem Zwölfstundensystem, mussten sie, wegen Ausbleiben der Ablöser, die doppelte Reihe von 24 Stunden arbeiten. Zeugenaussagen beweisen, dass Knaben und Mädchen sehr oft Ueberzeit arbeiten, die sich nicht selten zu 24, ja 36 Stunden ununterbrochner Arbeit ausdehnt. In dem „kontinuirlichen und unveränderlichen“ Prozess der Glasirräume findet man Mädchen von 12 Jahren, die den ganzen Monat durch täglich 14 Stunden arbeiten, „ohne irgend eine regel- mässige Erholung oder Unterbrechung ausser zwei, höchstens drei halbstündigen Ausfällen für Mahlzeiten.“ In einigen Fabriken, wo man die reguläre Nacht- arbeit ganz aufgegeben, wird entsetzlich viel Ueberzeit gearbeitet und „diess häufig in den schmutzigsten, heissesten und monotonsten Prozessen.“ („Children’s Employment Commission. Report IV, 1865,“ p. XXXVIII und XXXIX.)

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/250>, abgerufen am 04.05.2024.