mit jedem Tropfen Arbeit ein proportionelles Quantum Mehr- arbeit einzusaugen. So weit sie das nicht thun, bildet ihre blosse Existenz einen negativen Verlust für den Kapitalisten, denn sie repräsentiren während der Zeit, wo sie brach liegen, nutzlosen Kapital- vorschuss, und dieser Verlust wird positiv, sobald sie während der In- tervalle des Arbeitsprozesses zusätzliche Auslagen erheischen, um sie für den Wiederbeginn des Werks im Gang zu erhalten. Die Verlänge- rungdes Arbeitstags über die Grenzen des natürlichen Tags in die Nacht hinein wirkt nur als Palliativ, stillt nur an- nähernd den Vampyrdurst nach lebendigem Arbeitsblut. Arbeit während aller 24 Stunden des Tags anzueignen, ist daher der immanente Trieb der kapitalistischen Produktion. Da diess aber physisch unmöglich, wür- den dieselben Arbeitskräfte Tag und Nacht fortwährend ausgesaugt, so bedarf es, zur Ueberwindung des physischen Hindernisses, der Ab- wechslung zwischen den bei Tag und bei Nacht verspeisten Arbeits- kräften, eine Abwechslung, die verschiedne Methoden zulässt, z. B. so ge- ordnet sein kann, dass ein Theil des Arbeiterpersonals eine Woche Tagdienst, Nachtdienst die andre Woche versieht u. s. w. Man weiss, dass dieses Ablö- sungssystem, diese Wechselwirthschaft, in der vollblütigen Jugend- periode der englischen Baumwollindustrie u. s. w. vorherrschte, und u. a. gegenwärtig in den Baumwollspinnereien von Moskau blüht. Als Sy- stem existirt dieser 24stündige Produktionsprozess heute noch in vielen bis jetzt "freien" Industriezweigen Grossbritaniens, u. a. in den Hoch- öfen, Schmieden, Walzwerken und andern Metallmanufakturen von Eng- land, Wales und Schottland. Der Arbeitsprozess umfasst hier ausser den 24 Stunden der 6 Werkeltage grossentheils auch die 24 Stunden des Sonntags. Die Arbeiter bestehn aus Männern und Weibern, Erwachsenen und Kindern beiderlei Geschlechts. Das Alter der Kinder und jungen Per- sonen durchläuft alle Zwischenstufen vom 8. (in einigen Fällen vom 6.) bis zum 18. Jahr92). In einigen Branchen arbeiten auch die Mädchen und Weiber des Nachts zusammen mit dem männlichen Personal93).
92) "Children's Employment Commission." Third Report. Lond. 1864, p. IV, V, VII.
93) "Both in Staffordshire and in South Wales young girls and women are employed on the pit banks and on the coke heaps, not only by day, but also by
15*
mit jedem Tropfen Arbeit ein proportionelles Quantum Mehr- arbeit einzusaugen. So weit sie das nicht thun, bildet ihre blosse Existenz einen negativen Verlust für den Kapitalisten, denn sie repräsentiren während der Zeit, wo sie brach liegen, nutzlosen Kapital- vorschuss, und dieser Verlust wird positiv, sobald sie während der In- tervalle des Arbeitsprozesses zusätzliche Auslagen erheischen, um sie für den Wiederbeginn des Werks im Gang zu erhalten. Die Verlänge- rungdes Arbeitstags über die Grenzen des natürlichen Tags in die Nacht hinein wirkt nur als Palliativ, stillt nur an- nähernd den Vampyrdurst nach lebendigem Arbeitsblut. Arbeit während aller 24 Stunden des Tags anzueignen, ist daher der immanente Trieb der kapitalistischen Produktion. Da diess aber physisch unmöglich, wür- den dieselben Arbeitskräfte Tag und Nacht fortwährend ausgesaugt, so bedarf es, zur Ueberwindung des physischen Hindernisses, der Ab- wechslung zwischen den bei Tag und bei Nacht verspeisten Arbeits- kräften, eine Abwechslung, die verschiedne Methoden zulässt, z. B. so ge- ordnet sein kann, dass ein Theil des Arbeiterpersonals eine Woche Tagdienst, Nachtdienst die andre Woche versieht u. s. w. Man weiss, dass dieses Ablö- sungssystem, diese Wechselwirthschaft, in der vollblütigen Jugend- periode der englischen Baumwollindustrie u. s. w. vorherrschte, und u. a. gegenwärtig in den Baumwollspinnereien von Moskau blüht. Als Sy- stem existirt dieser 24stündige Produktionsprozess heute noch in vielen bis jetzt „freien“ Industriezweigen Grossbritaniens, u. a. in den Hoch- öfen, Schmieden, Walzwerken und andern Metallmanufakturen von Eng- land, Wales und Schottland. Der Arbeitsprozess umfasst hier ausser den 24 Stunden der 6 Werkeltage grossentheils auch die 24 Stunden des Sonntags. Die Arbeiter bestehn aus Männern und Weibern, Erwachsenen und Kindern beiderlei Geschlechts. Das Alter der Kinder und jungen Per- sonen durchläuft alle Zwischenstufen vom 8. (in einigen Fällen vom 6.) bis zum 18. Jahr92). In einigen Branchen arbeiten auch die Mädchen und Weiber des Nachts zusammen mit dem männlichen Personal93).
92) „Children’s Employment Commission.“ Third Report. Lond. 1864, p. IV, V, VII.
93) „Both in Staffordshire and in South Wales young girls and women are employed on the pit banks and on the coke heaps, not only by day, but also by
15*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0246"n="227"/>
mit jedem Tropfen Arbeit ein <hirendition="#g">proportionelles Quantum Mehr-<lb/>
arbeit einzusaugen</hi>. So weit sie das nicht thun, bildet ihre blosse<lb/>
Existenz einen <hirendition="#g">negativen Verlust</hi> für den Kapitalisten, denn sie<lb/>
repräsentiren während der Zeit, wo sie brach liegen, nutzlosen Kapital-<lb/>
vorschuss, und dieser Verlust wird <hirendition="#g">positiv</hi>, sobald sie während der In-<lb/>
tervalle des Arbeitsprozesses zusätzliche Auslagen erheischen, um sie für<lb/>
den Wiederbeginn des Werks im Gang zu erhalten. <hirendition="#g">Die Verlänge-<lb/>
rungdes Arbeitstags über die Grenzen des natürlichen<lb/>
Tags in die Nacht hinein</hi> wirkt nur als Palliativ, stillt nur an-<lb/>
nähernd den Vampyrdurst nach lebendigem Arbeitsblut. Arbeit während<lb/><hirendition="#g">aller</hi> 24 Stunden des Tags anzueignen, ist daher der immanente Trieb<lb/>
der kapitalistischen Produktion. Da diess aber physisch unmöglich, wür-<lb/>
den <hirendition="#g">dieselben</hi> Arbeitskräfte Tag und Nacht fortwährend ausgesaugt,<lb/>
so bedarf es, zur Ueberwindung des physischen Hindernisses, der <hirendition="#g">Ab-<lb/>
wechslung</hi> zwischen den bei Tag und bei Nacht verspeisten Arbeits-<lb/>
kräften, eine Abwechslung, die verschiedne Methoden zulässt, z. B. so ge-<lb/>
ordnet sein kann, dass ein Theil des Arbeiterpersonals eine Woche Tagdienst,<lb/>
Nachtdienst die andre Woche versieht u. s. w. Man weiss, dass dieses <hirendition="#g">Ablö-<lb/>
sungssystem</hi>, diese <hirendition="#g">Wechselwirthschaft</hi>, in der vollblütigen Jugend-<lb/>
periode der englischen Baumwollindustrie u. s. w. vorherrschte, und u. a.<lb/>
gegenwärtig in den Baumwollspinnereien von Moskau blüht. Als <hirendition="#g">Sy-<lb/>
stem</hi> existirt dieser 24stündige Produktionsprozess heute noch in vielen<lb/>
bis jetzt „<hirendition="#g">freien</hi>“ Industriezweigen Grossbritaniens, u. a. in den Hoch-<lb/>
öfen, Schmieden, Walzwerken und andern Metallmanufakturen von Eng-<lb/>
land, Wales und Schottland. Der Arbeitsprozess umfasst hier ausser den<lb/>
24 Stunden der 6 Werkeltage grossentheils auch die 24 Stunden des<lb/>
Sonntags. Die Arbeiter bestehn aus Männern und Weibern, Erwachsenen<lb/>
und Kindern beiderlei Geschlechts. Das Alter der Kinder und jungen Per-<lb/>
sonen durchläuft alle Zwischenstufen vom 8. (in einigen Fällen vom 6.)<lb/>
bis zum 18. Jahr<noteplace="foot"n="92)">„<hirendition="#g">Children’s Employment Commission</hi>.“<hirendition="#g">Third Report.<lb/>
Lond</hi>. 1864, p. IV, V, VII.</note>. In einigen Branchen arbeiten auch die Mädchen<lb/>
und Weiber des Nachts zusammen mit dem männlichen Personal<notexml:id="seg2pn_31_1"next="#seg2pn_31_2"place="foot"n="93)">„Both in Staffordshire and in South Wales young girls and women are<lb/>
employed on the pit banks and on the coke heaps, not only by day, but also by</note>.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">15*</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[227/0246]
mit jedem Tropfen Arbeit ein proportionelles Quantum Mehr-
arbeit einzusaugen. So weit sie das nicht thun, bildet ihre blosse
Existenz einen negativen Verlust für den Kapitalisten, denn sie
repräsentiren während der Zeit, wo sie brach liegen, nutzlosen Kapital-
vorschuss, und dieser Verlust wird positiv, sobald sie während der In-
tervalle des Arbeitsprozesses zusätzliche Auslagen erheischen, um sie für
den Wiederbeginn des Werks im Gang zu erhalten. Die Verlänge-
rungdes Arbeitstags über die Grenzen des natürlichen
Tags in die Nacht hinein wirkt nur als Palliativ, stillt nur an-
nähernd den Vampyrdurst nach lebendigem Arbeitsblut. Arbeit während
aller 24 Stunden des Tags anzueignen, ist daher der immanente Trieb
der kapitalistischen Produktion. Da diess aber physisch unmöglich, wür-
den dieselben Arbeitskräfte Tag und Nacht fortwährend ausgesaugt,
so bedarf es, zur Ueberwindung des physischen Hindernisses, der Ab-
wechslung zwischen den bei Tag und bei Nacht verspeisten Arbeits-
kräften, eine Abwechslung, die verschiedne Methoden zulässt, z. B. so ge-
ordnet sein kann, dass ein Theil des Arbeiterpersonals eine Woche Tagdienst,
Nachtdienst die andre Woche versieht u. s. w. Man weiss, dass dieses Ablö-
sungssystem, diese Wechselwirthschaft, in der vollblütigen Jugend-
periode der englischen Baumwollindustrie u. s. w. vorherrschte, und u. a.
gegenwärtig in den Baumwollspinnereien von Moskau blüht. Als Sy-
stem existirt dieser 24stündige Produktionsprozess heute noch in vielen
bis jetzt „freien“ Industriezweigen Grossbritaniens, u. a. in den Hoch-
öfen, Schmieden, Walzwerken und andern Metallmanufakturen von Eng-
land, Wales und Schottland. Der Arbeitsprozess umfasst hier ausser den
24 Stunden der 6 Werkeltage grossentheils auch die 24 Stunden des
Sonntags. Die Arbeiter bestehn aus Männern und Weibern, Erwachsenen
und Kindern beiderlei Geschlechts. Das Alter der Kinder und jungen Per-
sonen durchläuft alle Zwischenstufen vom 8. (in einigen Fällen vom 6.)
bis zum 18. Jahr 92). In einigen Branchen arbeiten auch die Mädchen
und Weiber des Nachts zusammen mit dem männlichen Personal 93).
92) „Children’s Employment Commission.“ Third Report.
Lond. 1864, p. IV, V, VII.
93) „Both in Staffordshire and in South Wales young girls and women are
employed on the pit banks and on the coke heaps, not only by day, but also by
15*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/246>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.