kann die Veränderung aus dem zweiten Akt, dem Wiederverkauf der Waare, entspringen, denn dieser Akt verwandelt die Waare blos aus der Naturalform zurück in die Geldform. Die Veränderung muss sich also zutragen mit der Waare, die im ersten Akt G -- W gekauft wird, aber nicht mit ihrem Tauschwerth, denn es werden Aequivalente aus- getauscht, die Waare wird zu ihrem Werthe bezahlt. Die Veränderung kann also erst entspringen aus ihrem Gebrauchswerth als solchem, d. h. aus ihrem Verbrauch. Um aus dem Verbrauch einer Waare Tauschwerth herauszuziehn, müsste unser Geldbesitzer so glücklich sein innerhalb der Cirkulationssphäre, auf dem Markt, eine Waare zu entdecken, deren Gebrauchswerth selbst die eigenthümliche Be- schaffenheit besässe, Quelle von Tauschwerth zu sein, deren wirk- licher Verbrauch also selbst Vergegenständlichung von Arbeit wäre, daher Werthschöpfung. Und der Geldbesitzer findet auf dem Markt eine solche spezifische Waare vor -- das Arbeitsvermögen oder die Arbeitskraft.
Unter Arbeitskraft oder Arbeitsvermögen verstehn wir den Inbegriff der physischen und geistigen Fähigkeiten, die in der Leiblichkeit, der lebendigen Persönlichkeit eines Menschen existiren und die er in Be- wegung setzt, so oft er Gebrauchswerthe irgend einer Art producirt.
Damit jedoch der Geldbesitzer die Arbeitskraft als Waare auf dem Markt vorfinde, müssen verschiedne Bedingungen erfüllt sein. Der Waaren- austausch schliesst an und für sich keine andern Abhängigkeitsver- hältnisse ein als die aus seiner eignen Natur entspringenden. Unter dieser Voraussetzung kann die Arbeitskraft als Waare nur auf dem Markt erscheinen, sofern und weil sie von ihrem eignen Besitzer, der Person, deren Arbeitskraft sie ist, als Waare feilgeboten oder ver- kauft wird. Damit ihr Besitzer sie als Waare verkaufe, muss er über sie verfügen können, also freier Eigenthümer seines Arbeitsvermögens, seiner Person sein40). Er und der Geldbesitzer begegnen sich auf dem Markt und treten in Verhältniss zu einander als ebenbürtige Waaren-
40) In Realencyklopädien des klassischen Alterthums kann man den Unsinn lesen, dass in der antiken Welt das Kapital völlig entwickelt war "ausser dass der freie Arbeiter und das Creditwesen fehlten." Auch Herr Mommsen in seiner "Römischen Geschichte" begeht ein quid pro quo über das andere.
kann die Veränderung aus dem zweiten Akt, dem Wiederverkauf der Waare, entspringen, denn dieser Akt verwandelt die Waare blos aus der Naturalform zurück in die Geldform. Die Veränderung muss sich also zutragen mit der Waare, die im ersten Akt G — W gekauft wird, aber nicht mit ihrem Tauschwerth, denn es werden Aequivalente aus- getauscht, die Waare wird zu ihrem Werthe bezahlt. Die Veränderung kann also erst entspringen aus ihrem Gebrauchswerth als solchem, d. h. aus ihrem Verbrauch. Um aus dem Verbrauch einer Waare Tauschwerth herauszuziehn, müsste unser Geldbesitzer so glücklich sein innerhalb der Cirkulationssphäre, auf dem Markt, eine Waare zu entdecken, deren Gebrauchswerth selbst die eigenthümliche Be- schaffenheit besässe, Quelle von Tauschwerth zu sein, deren wirk- licher Verbrauch also selbst Vergegenständlichung von Arbeit wäre, daher Werthschöpfung. Und der Geldbesitzer findet auf dem Markt eine solche spezifische Waare vor — das Arbeitsvermögen oder die Arbeitskraft.
Unter Arbeitskraft oder Arbeitsvermögen verstehn wir den Inbegriff der physischen und geistigen Fähigkeiten, die in der Leiblichkeit, der lebendigen Persönlichkeit eines Menschen existiren und die er in Be- wegung setzt, so oft er Gebrauchswerthe irgend einer Art producirt.
Damit jedoch der Geldbesitzer die Arbeitskraft als Waare auf dem Markt vorfinde, müssen verschiedne Bedingungen erfüllt sein. Der Waaren- austausch schliesst an und für sich keine andern Abhängigkeitsver- hältnisse ein als die aus seiner eignen Natur entspringenden. Unter dieser Voraussetzung kann die Arbeitskraft als Waare nur auf dem Markt erscheinen, sofern und weil sie von ihrem eignen Besitzer, der Person, deren Arbeitskraft sie ist, als Waare feilgeboten oder ver- kauft wird. Damit ihr Besitzer sie als Waare verkaufe, muss er über sie verfügen können, also freier Eigenthümer seines Arbeitsvermögens, seiner Person sein40). Er und der Geldbesitzer begegnen sich auf dem Markt und treten in Verhältniss zu einander als ebenbürtige Waaren-
40) In Realencyklopädien des klassischen Alterthums kann man den Unsinn lesen, dass in der antiken Welt das Kapital völlig entwickelt war „ausser dass der freie Arbeiter und das Creditwesen fehlten.“ Auch Herr Mommsen in seiner „Römischen Geschichte“ begeht ein quid pro quo über das andere.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0149"n="130"/>
kann die Veränderung aus dem zweiten Akt, dem Wiederverkauf der<lb/>
Waare, entspringen, denn dieser Akt verwandelt die Waare blos aus der<lb/>
Naturalform zurück in die Geldform. Die Veränderung muss sich also<lb/>
zutragen mit <hirendition="#g">der Waare</hi>, die im ersten Akt G — W gekauft wird,<lb/>
aber nicht mit ihrem <hirendition="#g">Tauschwerth</hi>, denn es werden Aequivalente aus-<lb/>
getauscht, die Waare wird zu ihrem Werthe bezahlt. Die Veränderung<lb/>
kann also erst entspringen aus ihrem <hirendition="#g">Gebrauchswerth als solchem</hi>,<lb/>
d. h. aus ihrem <hirendition="#g">Verbrauch</hi>. Um aus dem Verbrauch einer Waare<lb/>
Tauschwerth herauszuziehn, müsste unser Geldbesitzer so glücklich sein<lb/><hirendition="#g">innerhalb</hi> der <hirendition="#g">Cirkulationssphäre</hi>, auf dem Markt, eine Waare<lb/>
zu entdecken, deren <hirendition="#g">Gebrauchswerth</hi> selbst die eigenthümliche Be-<lb/>
schaffenheit besässe, <hirendition="#g">Quelle von Tauschwerth</hi> zu sein, deren wirk-<lb/>
licher Verbrauch also selbst <hirendition="#g">Vergegenständlichung von Arbeit</hi><lb/>
wäre, daher <hirendition="#g">Werthschöpfung</hi>. Und der Geldbesitzer findet auf dem<lb/>
Markt eine solche <hirendition="#g">spezifische</hi> Waare vor — das <hirendition="#g">Arbeitsvermögen</hi><lb/>
oder <hirendition="#g">die Arbeitskraft</hi>.</p><lb/><p>Unter <hirendition="#g">Arbeitskraft</hi> oder <hirendition="#g">Arbeitsvermögen</hi> verstehn wir den<lb/>
Inbegriff der physischen und geistigen Fähigkeiten, die in der Leiblichkeit,<lb/>
der lebendigen Persönlichkeit eines Menschen existiren und die er in Be-<lb/>
wegung setzt, so oft er Gebrauchswerthe irgend einer Art producirt.</p><lb/><p>Damit jedoch der Geldbesitzer die Arbeitskraft als <hirendition="#g">Waare</hi> auf dem<lb/>
Markt vorfinde, müssen verschiedne Bedingungen erfüllt sein. Der Waaren-<lb/>
austausch schliesst an und für sich keine andern <hirendition="#g">Abhängigkeitsver-<lb/>
hältnisse</hi> ein als die aus seiner eignen Natur entspringenden. Unter<lb/>
dieser Voraussetzung kann die <hirendition="#g">Arbeitskraft</hi> als <hirendition="#g">Waare</hi> nur auf dem<lb/>
Markt erscheinen, sofern und weil sie <hirendition="#g">von ihrem eignen Besitzer</hi>,<lb/>
der Person, deren Arbeitskraft sie ist, <hirendition="#g">als Waare</hi> feilgeboten oder ver-<lb/>
kauft wird. Damit ihr Besitzer sie als Waare verkaufe, muss er über sie<lb/>
verfügen können, also <hirendition="#g">freier Eigenthümer</hi> seines Arbeitsvermögens,<lb/>
seiner Person sein<noteplace="foot"n="40)">In Realencyklopädien des klassischen Alterthums kann man den Unsinn<lb/>
lesen, dass in der antiken Welt <hirendition="#g">das Kapital</hi> völlig entwickelt war „ausser dass<lb/>
der freie Arbeiter und das Creditwesen fehlten.“ Auch Herr <hirendition="#g">Mommsen</hi> in seiner<lb/>„<hirendition="#g">Römischen Geschichte</hi>“ begeht ein quid pro quo über das andere.</note>. Er und der Geldbesitzer begegnen sich auf dem<lb/>
Markt und treten in Verhältniss zu einander als ebenbürtige <hirendition="#g">Waaren-<lb/></hi></p></div></div></div></body></text></TEI>
[130/0149]
kann die Veränderung aus dem zweiten Akt, dem Wiederverkauf der
Waare, entspringen, denn dieser Akt verwandelt die Waare blos aus der
Naturalform zurück in die Geldform. Die Veränderung muss sich also
zutragen mit der Waare, die im ersten Akt G — W gekauft wird,
aber nicht mit ihrem Tauschwerth, denn es werden Aequivalente aus-
getauscht, die Waare wird zu ihrem Werthe bezahlt. Die Veränderung
kann also erst entspringen aus ihrem Gebrauchswerth als solchem,
d. h. aus ihrem Verbrauch. Um aus dem Verbrauch einer Waare
Tauschwerth herauszuziehn, müsste unser Geldbesitzer so glücklich sein
innerhalb der Cirkulationssphäre, auf dem Markt, eine Waare
zu entdecken, deren Gebrauchswerth selbst die eigenthümliche Be-
schaffenheit besässe, Quelle von Tauschwerth zu sein, deren wirk-
licher Verbrauch also selbst Vergegenständlichung von Arbeit
wäre, daher Werthschöpfung. Und der Geldbesitzer findet auf dem
Markt eine solche spezifische Waare vor — das Arbeitsvermögen
oder die Arbeitskraft.
Unter Arbeitskraft oder Arbeitsvermögen verstehn wir den
Inbegriff der physischen und geistigen Fähigkeiten, die in der Leiblichkeit,
der lebendigen Persönlichkeit eines Menschen existiren und die er in Be-
wegung setzt, so oft er Gebrauchswerthe irgend einer Art producirt.
Damit jedoch der Geldbesitzer die Arbeitskraft als Waare auf dem
Markt vorfinde, müssen verschiedne Bedingungen erfüllt sein. Der Waaren-
austausch schliesst an und für sich keine andern Abhängigkeitsver-
hältnisse ein als die aus seiner eignen Natur entspringenden. Unter
dieser Voraussetzung kann die Arbeitskraft als Waare nur auf dem
Markt erscheinen, sofern und weil sie von ihrem eignen Besitzer,
der Person, deren Arbeitskraft sie ist, als Waare feilgeboten oder ver-
kauft wird. Damit ihr Besitzer sie als Waare verkaufe, muss er über sie
verfügen können, also freier Eigenthümer seines Arbeitsvermögens,
seiner Person sein 40). Er und der Geldbesitzer begegnen sich auf dem
Markt und treten in Verhältniss zu einander als ebenbürtige Waaren-
40) In Realencyklopädien des klassischen Alterthums kann man den Unsinn
lesen, dass in der antiken Welt das Kapital völlig entwickelt war „ausser dass
der freie Arbeiter und das Creditwesen fehlten.“ Auch Herr Mommsen in seiner
„Römischen Geschichte“ begeht ein quid pro quo über das andere.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/149>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.