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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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Reichthums. Diese naive Form der Schatzbildung verewigt sich bei Völ-
kern, wo der traditionellen und auf Selbstbedarf gerichteten Produktions-
weise ein fest abgeschlossner Kreis von Bedürfnissen entspricht. So bei
den Asiaten, namentlich den Indern. Vanderlint, der die Waaren-
preise durch die Masse des in einem Land befindlichen Goldes und Silbers
bestimmt wähnt, fragt sich, warum die indischen Waaren so wohlfeil?
Antwort: Weil die Inder das Geld vergraben. Von 1602--1734, be-
merkt er, vergruben sie 150 Millionen Pfd. St. Silber, die ursprünglich von
Amerika nach Europa kamen70). Von 1856--1866, also in 10 Jahren,
exportirte England nach Indien und China (das nach China exportirte Me-
tall fliesst grossentheils wieder nach Indien) 120 Millionen Pfd. St. in
Silber, welches vorher gegen australisches Gold eingewechselt wurde.

Mit mehr entwickelter Waarenproduktion muss jeder Waarenpro-
ducent sich den nexus rerum, das "gesellschaftliche Faustpfand" sichern71).
Seine Bedürfnisse erneuern sich unaufhörlich und gebieten unaufhörlichen
Kauf fremder Waare, während Produktion und Verkauf seiner eignen
Waare Zeit kosten und von Zufällen abhängen. Um zu kaufen, ohne zu
verkaufen, muss er vorher verkauft haben, ohne zu kaufen. Diese Ope-
ration, auf allgemeiner Stufenleiter ausgeführt, scheint sich selbst zu wider-
sprechen. An ihren Produktionsquellen jedoch tauschen sich die edlen
Metalle direkt mit andern Waaren aus. Es findet hier Verkauf (auf Seite
der Waarenbesitzer) ohne Kauf (auf Seite der Gold- und Silberbesitzer)
statt72). Und spätere Verkäufe ohne nachfolgende Käufe vermitteln bloss
die weitere Vertheilung der edlen Metalle unter alle Waarenbesitzer. So
entstehn auf allen Punkten des Verkehrs Gold- und Silberschätze vom
verschiedensten Umfang. Mit der Möglichkeit, die Waare als Tausch-
werth oder den Tauschwerth als Waare festzuhalten, erwacht die Goldgier.
Mit der Ausdehnung der Waarencirculation wächst die Macht des Geldes,
der stets schlagfertigen, absolut gesellschaftlichen Form des Reichthums.
"Gold ist ein wunderbares Ding! Wer dasselbe besitzt, ist Herr von

70) 'Tis by this practice they keep all their goods and manufactures at such
low rates." (Vanderlint l. c. p. 95, 96.)
71) "Money is a pledge." (John Bellers: "Essays about the
Poor, Manufactures, Trade, Plantations, and Immorality.
Lond
. 1699", p. 13.)
72) Kauf im kategorischen Sinn unterstellt nämlich Gold oder Silber schon
als verwandelte Gestalt der Waare, oder als Produkt des Verkaufs.

Reichthums. Diese naive Form der Schatzbildung verewigt sich bei Völ-
kern, wo der traditionellen und auf Selbstbedarf gerichteten Produktions-
weise ein fest abgeschlossner Kreis von Bedürfnissen entspricht. So bei
den Asiaten, namentlich den Indern. Vanderlint, der die Waaren-
preise durch die Masse des in einem Land befindlichen Goldes und Silbers
bestimmt wähnt, fragt sich, warum die indischen Waaren so wohlfeil?
Antwort: Weil die Inder das Geld vergraben. Von 1602—1734, be-
merkt er, vergruben sie 150 Millionen Pfd. St. Silber, die ursprünglich von
Amerika nach Europa kamen70). Von 1856—1866, also in 10 Jahren,
exportirte England nach Indien und China (das nach China exportirte Me-
tall fliesst grossentheils wieder nach Indien) 120 Millionen Pfd. St. in
Silber, welches vorher gegen australisches Gold eingewechselt wurde.

Mit mehr entwickelter Waarenproduktion muss jeder Waarenpro-
ducent sich den nexus rerum, das „gesellschaftliche Faustpfand“ sichern71).
Seine Bedürfnisse erneuern sich unaufhörlich und gebieten unaufhörlichen
Kauf fremder Waare, während Produktion und Verkauf seiner eignen
Waare Zeit kosten und von Zufällen abhängen. Um zu kaufen, ohne zu
verkaufen, muss er vorher verkauft haben, ohne zu kaufen. Diese Ope-
ration, auf allgemeiner Stufenleiter ausgeführt, scheint sich selbst zu wider-
sprechen. An ihren Produktionsquellen jedoch tauschen sich die edlen
Metalle direkt mit andern Waaren aus. Es findet hier Verkauf (auf Seite
der Waarenbesitzer) ohne Kauf (auf Seite der Gold- und Silberbesitzer)
statt72). Und spätere Verkäufe ohne nachfolgende Käufe vermitteln bloss
die weitere Vertheilung der edlen Metalle unter alle Waarenbesitzer. So
entstehn auf allen Punkten des Verkehrs Gold- und Silberschätze vom
verschiedensten Umfang. Mit der Möglichkeit, die Waare als Tausch-
werth oder den Tauschwerth als Waare festzuhalten, erwacht die Goldgier.
Mit der Ausdehnung der Waarencirculation wächst die Macht des Geldes,
der stets schlagfertigen, absolut gesellschaftlichen Form des Reichthums.
„Gold ist ein wunderbares Ding! Wer dasselbe besitzt, ist Herr von

70) ’Tis by this practice they keep all their goods and manufactures at such
low rates.“ (Vanderlint l. c. p. 95, 96.)
71) „Money is a pledge.“ (John Bellers: „Essays about the
Poor, Manufactures, Trade, Plantations, and Immorality.
Lond
. 1699“, p. 13.)
72) Kauf im kategorischen Sinn unterstellt nämlich Gold oder Silber schon
als verwandelte Gestalt der Waare, oder als Produkt des Verkaufs.
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[92/0111] Reichthums. Diese naive Form der Schatzbildung verewigt sich bei Völ- kern, wo der traditionellen und auf Selbstbedarf gerichteten Produktions- weise ein fest abgeschlossner Kreis von Bedürfnissen entspricht. So bei den Asiaten, namentlich den Indern. Vanderlint, der die Waaren- preise durch die Masse des in einem Land befindlichen Goldes und Silbers bestimmt wähnt, fragt sich, warum die indischen Waaren so wohlfeil? Antwort: Weil die Inder das Geld vergraben. Von 1602—1734, be- merkt er, vergruben sie 150 Millionen Pfd. St. Silber, die ursprünglich von Amerika nach Europa kamen 70). Von 1856—1866, also in 10 Jahren, exportirte England nach Indien und China (das nach China exportirte Me- tall fliesst grossentheils wieder nach Indien) 120 Millionen Pfd. St. in Silber, welches vorher gegen australisches Gold eingewechselt wurde. Mit mehr entwickelter Waarenproduktion muss jeder Waarenpro- ducent sich den nexus rerum, das „gesellschaftliche Faustpfand“ sichern 71). Seine Bedürfnisse erneuern sich unaufhörlich und gebieten unaufhörlichen Kauf fremder Waare, während Produktion und Verkauf seiner eignen Waare Zeit kosten und von Zufällen abhängen. Um zu kaufen, ohne zu verkaufen, muss er vorher verkauft haben, ohne zu kaufen. Diese Ope- ration, auf allgemeiner Stufenleiter ausgeführt, scheint sich selbst zu wider- sprechen. An ihren Produktionsquellen jedoch tauschen sich die edlen Metalle direkt mit andern Waaren aus. Es findet hier Verkauf (auf Seite der Waarenbesitzer) ohne Kauf (auf Seite der Gold- und Silberbesitzer) statt 72). Und spätere Verkäufe ohne nachfolgende Käufe vermitteln bloss die weitere Vertheilung der edlen Metalle unter alle Waarenbesitzer. So entstehn auf allen Punkten des Verkehrs Gold- und Silberschätze vom verschiedensten Umfang. Mit der Möglichkeit, die Waare als Tausch- werth oder den Tauschwerth als Waare festzuhalten, erwacht die Goldgier. Mit der Ausdehnung der Waarencirculation wächst die Macht des Geldes, der stets schlagfertigen, absolut gesellschaftlichen Form des Reichthums. „Gold ist ein wunderbares Ding! Wer dasselbe besitzt, ist Herr von 70) ’Tis by this practice they keep all their goods and manufactures at such low rates.“ (Vanderlint l. c. p. 95, 96.) 71) „Money is a pledge.“ (John Bellers: „Essays about the Poor, Manufactures, Trade, Plantations, and Immorality. Lond. 1699“, p. 13.) 72) Kauf im kategorischen Sinn unterstellt nämlich Gold oder Silber schon als verwandelte Gestalt der Waare, oder als Produkt des Verkaufs.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/111>, abgerufen am 25.11.2024.