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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.

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Mole, kurz die sogenannten Burggrafen, das Staatsruder in eigner Person
zu ergreifen. Die Partei der Ordnung wußte diesen unwiederbringlichen
Augenblick nicht zu benutzen. Statt sich kühn der angebotenen Gewalt zu be¬
mächtigen, zwang sie Bonaparte nicht einmal, das am 1. November entlassene
Ministerium wieder einzusetzen; sie begnügte sich, ihn durch die Verzeihung
zu demüthigen und dem Ministerium d'Hautpoul Herrn Baroche beizuge¬
sellen. Dieser Baroche hatte als öffentlicher Ankläger, das eine Mal gegen
die Revolutionäre vom 15. Mai, das andere Mal gegen die Demokraten des
13. Juni vor dem Hochgerichte zu Bourges gewüthet, beide Male wegen
Attentat auf die Nationalversammlung. Keiner der Minister Bonaparte's
trug später mehr dazu bei, die Nationalversammlung herabzuwürdigen, und
nach dem 2. Dezember 1851 finden wir ihn wieder als wohlbestallten und
theuer bezahlten Vizepräsidenten des Senats. Er hatte den Revolutionären
in die Suppe gespuckt, damit Bonaparte sie aufesse.

Die sozial-demokratische Partei ihrerseits schien nur nach Vorwänden
zu haschen, um ihren eignen Sieg wieder in Frage zu stellen und ihm die
Pointe abzubrechen. Vidal, einer der neu erwählten Pariser Repräsentanten
war gleichzeitig in Straßburg gewählt worden. Man bewog ihn, die Wahl
für Paris abzulehnen und die für Straßburg anzunehmen. Statt also
ihrem Siege auf dem Wahlplatze einen definitiven Charakter zu geben und
dadurch die Ordnungspartei zu zwingen, ihn sofort im Parlamente streitig
zu machen, statt so den Gegner im Augenblick des Volksenthusiasmus und
der günstigen Stimmung der Armee zum Kampfe zu treiben, ermüdete die
demokratische Partei Paris während der Monate März und April mit einer
neuen Wahlagitation, ließ die aufgeregten Volksleidenschaften in diesem aber¬
maligen provisorischen Stimmenspiel sich aufreiben, die revolutionäre That¬
kraft in konstitutionellen Erfolgen sich sättigen, in kleinen Intriguen, hohlen
Deklamationen und Scheinbewegungen verpuffen, die Bourgeoisie sich sam¬
meln und ihre Vorkehrungen treffen, endlich die Bedeutung der Märzwahlen
in der nachträglichen Aprilwahl, in der Wahl Eugen Sue's, einen sentimental
abschwächenden Kommentar finden. Mit einem Worte, sie schickte den 10.
März in den April.

Die parlamentarische Majorität begriff die Schwäche ihres Gegners.
Ihre siebzehn Burggrafen, denn Bonaparte hatte ihr die Leitung und die
Verantwortlichkeit des Angriffs überlassen, arbeiteten ein neues Wahlgesetz
aus, dessen Vorlage dem Herrn Faucher, der sich diese Ehre ausbat, anver¬

Mole, kurz die ſogenannten Burggrafen, das Staatsruder in eigner Perſon
zu ergreifen. Die Partei der Ordnung wußte dieſen unwiederbringlichen
Augenblick nicht zu benutzen. Statt ſich kühn der angebotenen Gewalt zu be¬
mächtigen, zwang ſie Bonaparte nicht einmal, das am 1. November entlaſſene
Miniſterium wieder einzuſetzen; ſie begnügte ſich, ihn durch die Verzeihung
zu demüthigen und dem Miniſterium d'Hautpoul Herrn Baroche beizuge¬
ſellen. Dieſer Baroche hatte als öffentlicher Ankläger, das eine Mal gegen
die Revolutionäre vom 15. Mai, das andere Mal gegen die Demokraten des
13. Juni vor dem Hochgerichte zu Bourges gewüthet, beide Male wegen
Attentat auf die Nationalverſammlung. Keiner der Miniſter Bonaparte's
trug ſpäter mehr dazu bei, die Nationalverſammlung herabzuwürdigen, und
nach dem 2. Dezember 1851 finden wir ihn wieder als wohlbeſtallten und
theuer bezahlten Vizepräſidenten des Senats. Er hatte den Revolutionären
in die Suppe geſpuckt, damit Bonaparte ſie aufeſſe.

Die ſozial-demokratiſche Partei ihrerſeits ſchien nur nach Vorwänden
zu haſchen, um ihren eignen Sieg wieder in Frage zu ſtellen und ihm die
Pointe abzubrechen. Vidal, einer der neu erwählten Pariſer Repräſentanten
war gleichzeitig in Straßburg gewählt worden. Man bewog ihn, die Wahl
für Paris abzulehnen und die für Straßburg anzunehmen. Statt alſo
ihrem Siege auf dem Wahlplatze einen definitiven Charakter zu geben und
dadurch die Ordnungspartei zu zwingen, ihn ſofort im Parlamente ſtreitig
zu machen, ſtatt ſo den Gegner im Augenblick des Volksenthuſiasmus und
der günſtigen Stimmung der Armee zum Kampfe zu treiben, ermüdete die
demokratiſche Partei Paris während der Monate März und April mit einer
neuen Wahlagitation, ließ die aufgeregten Volksleidenſchaften in dieſem aber¬
maligen proviſoriſchen Stimmenſpiel ſich aufreiben, die revolutionäre That¬
kraft in konſtitutionellen Erfolgen ſich ſättigen, in kleinen Intriguen, hohlen
Deklamationen und Scheinbewegungen verpuffen, die Bourgeoiſie ſich ſam¬
meln und ihre Vorkehrungen treffen, endlich die Bedeutung der Märzwahlen
in der nachträglichen Aprilwahl, in der Wahl Eugen Sue's, einen ſentimental
abſchwächenden Kommentar finden. Mit einem Worte, ſie ſchickte den 10.
März in den April.

Die parlamentariſche Majorität begriff die Schwäche ihres Gegners.
Ihre ſiebzehn Burggrafen, denn Bonaparte hatte ihr die Leitung und die
Verantwortlichkeit des Angriffs überlaſſen, arbeiteten ein neues Wahlgeſetz
aus, deſſen Vorlage dem Herrn Faucher, der ſich dieſe Ehre ausbat, anver¬

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[44/0056] Mole, kurz die ſogenannten Burggrafen, das Staatsruder in eigner Perſon zu ergreifen. Die Partei der Ordnung wußte dieſen unwiederbringlichen Augenblick nicht zu benutzen. Statt ſich kühn der angebotenen Gewalt zu be¬ mächtigen, zwang ſie Bonaparte nicht einmal, das am 1. November entlaſſene Miniſterium wieder einzuſetzen; ſie begnügte ſich, ihn durch die Verzeihung zu demüthigen und dem Miniſterium d'Hautpoul Herrn Baroche beizuge¬ ſellen. Dieſer Baroche hatte als öffentlicher Ankläger, das eine Mal gegen die Revolutionäre vom 15. Mai, das andere Mal gegen die Demokraten des 13. Juni vor dem Hochgerichte zu Bourges gewüthet, beide Male wegen Attentat auf die Nationalverſammlung. Keiner der Miniſter Bonaparte's trug ſpäter mehr dazu bei, die Nationalverſammlung herabzuwürdigen, und nach dem 2. Dezember 1851 finden wir ihn wieder als wohlbeſtallten und theuer bezahlten Vizepräſidenten des Senats. Er hatte den Revolutionären in die Suppe geſpuckt, damit Bonaparte ſie aufeſſe. Die ſozial-demokratiſche Partei ihrerſeits ſchien nur nach Vorwänden zu haſchen, um ihren eignen Sieg wieder in Frage zu ſtellen und ihm die Pointe abzubrechen. Vidal, einer der neu erwählten Pariſer Repräſentanten war gleichzeitig in Straßburg gewählt worden. Man bewog ihn, die Wahl für Paris abzulehnen und die für Straßburg anzunehmen. Statt alſo ihrem Siege auf dem Wahlplatze einen definitiven Charakter zu geben und dadurch die Ordnungspartei zu zwingen, ihn ſofort im Parlamente ſtreitig zu machen, ſtatt ſo den Gegner im Augenblick des Volksenthuſiasmus und der günſtigen Stimmung der Armee zum Kampfe zu treiben, ermüdete die demokratiſche Partei Paris während der Monate März und April mit einer neuen Wahlagitation, ließ die aufgeregten Volksleidenſchaften in dieſem aber¬ maligen proviſoriſchen Stimmenſpiel ſich aufreiben, die revolutionäre That¬ kraft in konſtitutionellen Erfolgen ſich ſättigen, in kleinen Intriguen, hohlen Deklamationen und Scheinbewegungen verpuffen, die Bourgeoiſie ſich ſam¬ meln und ihre Vorkehrungen treffen, endlich die Bedeutung der Märzwahlen in der nachträglichen Aprilwahl, in der Wahl Eugen Sue's, einen ſentimental abſchwächenden Kommentar finden. Mit einem Worte, ſie ſchickte den 10. März in den April. Die parlamentariſche Majorität begriff die Schwäche ihres Gegners. Ihre ſiebzehn Burggrafen, denn Bonaparte hatte ihr die Leitung und die Verantwortlichkeit des Angriffs überlaſſen, arbeiteten ein neues Wahlgeſetz aus, deſſen Vorlage dem Herrn Faucher, der ſich dieſe Ehre ausbat, anver¬

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/56>, abgerufen am 27.11.2024.