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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.

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Meinung führen und die selbstständigen Bewegungsorgane der Gesellschaft
mißtrauisch verstümmeln, lähmen mußte, wo es ihr nicht gelang, sie gänzlich
zu amputiren. So war die französische Bourgeoisie durch ihre Klassenstellung
gezwungen, einerseits die Lebensbedingungen einer jeden, also auch ihrer eig¬
nen parlamentarischen Gewalt zu vernichten, andrerseits die ihr feindliche
Exekutivgewalt unwiderstehlich zu machen.

Das neue Ministerium hieß das Ministerium d'Hautpoul. Nicht als
hätte General d'Hautpoul den Rang eines Ministerpräsidenten erhalten.
Mit Barrot schaffte Bonaparte vielmehr zugleich diese Würde ab, die den
Präsidenten der Republik allerdings zur legalen Nichtigkeit eines konstitu¬
tionellen Königs verdammte, aber eines konstitutionellen Königs ohne Thron
und ohne Krone, ohne Scepter und ohne Schwert, ohne Unverantwortlich¬
keit, ohne den unverjährbaren Besitz der höchsten Staatswürde, und was
das Fatalste war, ohne Civilliste. Das Ministerium d'Hautpoul besaß nur
einen Mann von parlamentarischem Rufe, den Juden Fould, eins der
berüchtigtsten Glieder der hohen Finanz. Ihm fiel das Finanzministerium
anheim. Man schlage die Pariser Börsennotationen nach und man wird
finden, daß vom 1. November 1849 an die französischen Fonds steigen
und fallen mit dem Fallen und Steigen der bonapartistischen Aktien. Wäh¬
rend Bonaparte so seinen Affiliirten in der Börse gefunden hatte, bemäch¬
tigte er sich zugleich der Polizei durch Carlier's Ernennung zum Polizei¬
präfekten von Paris.

Indeß konnten sich die Folgen des Ministerwechsels erst im Laufe der
Entwicklung herausstellen. Zunächst hatte Bonaparte nur einen Schritt vor¬
wärts gethan, um desto augenfälliger rückwärts getrieben zu werden. Seiner
barschen Botschaft folgte die servilste Unterthänigkeitserklärung an die Natio¬
nalversammlung. So oft die Minister den schüchternen Versuch wagten,
seine persönlichen Marotten als Gesetzesvorschläge einzubringen, schienen sie
selbst nur widerwillig und durch ihre Stellung gezwungen die komischen Auf¬
träge zu erfüllen, von deren Erfolglosigkeit sie im voraus überzeugt waren.
So oft Bonaparte im Rücken der Minister seine Absichten ausplauderte und mit
seinen "idees napoleoniennes" spielte, desavouirten ihn die eignen Minister
von der Tribüne der Nationalversammlung herab. Seine Usurpationsgelüste,
schienen nur laut zu werden, damit das schadenfrohe Gelächter seiner Gegner
nicht verstumme. Er gebärdete sich als ein verkanntes Genie, das alle
Welt für einen Simpel ausgibt. Nie genoß er in vollerem Maße die

Meinung führen und die ſelbſtſtändigen Bewegungsorgane der Geſellſchaft
mißtrauiſch verſtümmeln, lähmen mußte, wo es ihr nicht gelang, ſie gänzlich
zu amputiren. So war die franzöſiſche Bourgeoiſie durch ihre Klaſſenſtellung
gezwungen, einerſeits die Lebensbedingungen einer jeden, alſo auch ihrer eig¬
nen parlamentariſchen Gewalt zu vernichten, andrerſeits die ihr feindliche
Exekutivgewalt unwiderſtehlich zu machen.

Das neue Miniſterium hieß das Miniſterium d'Hautpoul. Nicht als
hätte General d'Hautpoul den Rang eines Miniſterpräſidenten erhalten.
Mit Barrot ſchaffte Bonaparte vielmehr zugleich dieſe Würde ab, die den
Präſidenten der Republik allerdings zur legalen Nichtigkeit eines konſtitu¬
tionellen Königs verdammte, aber eines konſtitutionellen Königs ohne Thron
und ohne Krone, ohne Scepter und ohne Schwert, ohne Unverantwortlich¬
keit, ohne den unverjährbaren Beſitz der höchſten Staatswürde, und was
das Fatalſte war, ohne Civilliſte. Das Miniſterium d'Hautpoul beſaß nur
einen Mann von parlamentariſchem Rufe, den Juden Fould, eins der
berüchtigtſten Glieder der hohen Finanz. Ihm fiel das Finanzminiſterium
anheim. Man ſchlage die Pariſer Börſennotationen nach und man wird
finden, daß vom 1. November 1849 an die franzöſiſchen Fonds ſteigen
und fallen mit dem Fallen und Steigen der bonapartiſtiſchen Aktien. Wäh¬
rend Bonaparte ſo ſeinen Affiliirten in der Börſe gefunden hatte, bemäch¬
tigte er ſich zugleich der Polizei durch Carlier's Ernennung zum Polizei¬
präfekten von Paris.

Indeß konnten ſich die Folgen des Miniſterwechſels erſt im Laufe der
Entwicklung herausſtellen. Zunächſt hatte Bonaparte nur einen Schritt vor¬
wärts gethan, um deſto augenfälliger rückwärts getrieben zu werden. Seiner
barſchen Botſchaft folgte die ſervilſte Unterthänigkeitserklärung an die Natio¬
nalverſammlung. So oft die Miniſter den ſchüchternen Verſuch wagten,
ſeine perſönlichen Marotten als Geſetzesvorſchläge einzubringen, ſchienen ſie
ſelbſt nur widerwillig und durch ihre Stellung gezwungen die komiſchen Auf¬
träge zu erfüllen, von deren Erfolgloſigkeit ſie im voraus überzeugt waren.
So oft Bonaparte im Rücken der Miniſter ſeine Abſichten ausplauderte und mit
ſeinen „idées napoléoniennes“ ſpielte, desavouirten ihn die eignen Miniſter
von der Tribüne der Nationalverſammlung herab. Seine Uſurpationsgelüſte,
ſchienen nur laut zu werden, damit das ſchadenfrohe Gelächter ſeiner Gegner
nicht verſtumme. Er gebärdete ſich als ein verkanntes Genie, das alle
Welt für einen Simpel ausgibt. Nie genoß er in vollerem Maße die

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[39/0051] Meinung führen und die ſelbſtſtändigen Bewegungsorgane der Geſellſchaft mißtrauiſch verſtümmeln, lähmen mußte, wo es ihr nicht gelang, ſie gänzlich zu amputiren. So war die franzöſiſche Bourgeoiſie durch ihre Klaſſenſtellung gezwungen, einerſeits die Lebensbedingungen einer jeden, alſo auch ihrer eig¬ nen parlamentariſchen Gewalt zu vernichten, andrerſeits die ihr feindliche Exekutivgewalt unwiderſtehlich zu machen. Das neue Miniſterium hieß das Miniſterium d'Hautpoul. Nicht als hätte General d'Hautpoul den Rang eines Miniſterpräſidenten erhalten. Mit Barrot ſchaffte Bonaparte vielmehr zugleich dieſe Würde ab, die den Präſidenten der Republik allerdings zur legalen Nichtigkeit eines konſtitu¬ tionellen Königs verdammte, aber eines konſtitutionellen Königs ohne Thron und ohne Krone, ohne Scepter und ohne Schwert, ohne Unverantwortlich¬ keit, ohne den unverjährbaren Beſitz der höchſten Staatswürde, und was das Fatalſte war, ohne Civilliſte. Das Miniſterium d'Hautpoul beſaß nur einen Mann von parlamentariſchem Rufe, den Juden Fould, eins der berüchtigtſten Glieder der hohen Finanz. Ihm fiel das Finanzminiſterium anheim. Man ſchlage die Pariſer Börſennotationen nach und man wird finden, daß vom 1. November 1849 an die franzöſiſchen Fonds ſteigen und fallen mit dem Fallen und Steigen der bonapartiſtiſchen Aktien. Wäh¬ rend Bonaparte ſo ſeinen Affiliirten in der Börſe gefunden hatte, bemäch¬ tigte er ſich zugleich der Polizei durch Carlier's Ernennung zum Polizei¬ präfekten von Paris. Indeß konnten ſich die Folgen des Miniſterwechſels erſt im Laufe der Entwicklung herausſtellen. Zunächſt hatte Bonaparte nur einen Schritt vor¬ wärts gethan, um deſto augenfälliger rückwärts getrieben zu werden. Seiner barſchen Botſchaft folgte die ſervilſte Unterthänigkeitserklärung an die Natio¬ nalverſammlung. So oft die Miniſter den ſchüchternen Verſuch wagten, ſeine perſönlichen Marotten als Geſetzesvorſchläge einzubringen, ſchienen ſie ſelbſt nur widerwillig und durch ihre Stellung gezwungen die komiſchen Auf¬ träge zu erfüllen, von deren Erfolgloſigkeit ſie im voraus überzeugt waren. So oft Bonaparte im Rücken der Miniſter ſeine Abſichten ausplauderte und mit ſeinen „idées napoléoniennes“ ſpielte, desavouirten ihn die eignen Miniſter von der Tribüne der Nationalverſammlung herab. Seine Uſurpationsgelüſte, ſchienen nur laut zu werden, damit das ſchadenfrohe Gelächter ſeiner Gegner nicht verſtumme. Er gebärdete ſich als ein verkanntes Genie, das alle Welt für einen Simpel ausgibt. Nie genoß er in vollerem Maße die

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/51>, abgerufen am 27.11.2024.