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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.

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lamentarische Reglement gedemüthigte Montagne nicht gar zu unglücklich vor¬
stellen. Wenn der 13. Juni ihre Chefs beseitigt hatte, so macht er andrer¬
seits untergeordneteren Kapazitäten Platz, denen diese neue Stellung
schmeichelt. Wenn ihre Machtlosigkeit im Parlamente nicht mehr bezweifelt
werden konnte, so waren sie nun auch berechtigt, ihre That auf Ausbrüche sitt¬
licher Entrüstung und polternde Deklamation zu beschränken. Wenn die Ord¬
nungspartei in ihnen als den letzten offiziellen Repräsentanten der Revolution
alle Schrecken der Anarchie verkörpert zu sehn vorgab, so konnten sie in der
Wirklichkeit desto platter und bescheidener sein. Ueber den 13. Juni aber ver¬
trösteten sie sich mit der tiefen Wendung: Aber wenn man das allgemeine
Wahlrecht anzugreifen wagt, aber dann! Dann werden wir zeigen, wer wir
sind. Nous verrons.

Was die in's Ausland geflüchteten Montagnards betrifft, so genügt es
hier zu bemerken, daß Ledru-Rollin, weil es ihm gelungen war, in kaum zwei
Wochen die mächtige Partei, an deren Spitze er stand, rettungslos zu ruiniren,
sich nun berufen fand, eine französische Regierung in partibus zu bilden; daß
seine Figur, in der Ferne, vom Boden der Aktion weggehoben, im Maßstab
als das Niveau der Revolution sank und die offiziellen Größen des offiziellen
Frankreichs zwerghafter wurden, an Größe zu wachsen schien; daß er als repu¬
blikanischer Prätendent für 1852 figuriren konnte, daß er periodische Rund¬
schreiben an die Walachen und andere Völker erließ, worin den Despoten des
Kontinents mit seinen und seiner Verbündeten Thaten gedroht wird. Hatte
Proudhon ganz Unrecht, wenn er diesen Herren zurief: "Vous n'etes que
des blagueurs
?"

Die Ordnungspartei hatte am 13. Juni nicht nur die Montagne ge¬
brochen, sie hatte die Unterordnung der Konstitution unter die
Majoritätsbeschlüsse der Nationalversammlung
durchgesetzt.
Und so verstand sie die Republik. Daß die Bourgeoisie hier in parlamenta¬
rischen Formen herrsche, ohne wie in der Monarchie an dem Veto der Exeku¬
tivgewalt oder an der Auflösbarkeit des Parlaments eine Schranke zu finden.
Das war die parlamentarische Republik, wie Thiers sie nannte.
Aber wenn die Bourgeoisie am 13. Juni ihre Allmacht innerhalb des Parla¬
mentsgebäudes sicherte, schlug sie nicht das Parlament selbst, der Exekutivgewalt
und dem Volke gegenüber, mit unheilbarer Schwäche, indem sie den populärsten
Theil desselben ausstieß? Indem sie zahlreiche Deputirte ohne weitere Cere¬
monien der Requisition der Parkette preisgab, hob sie ihre eigne parlamen¬

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lamentariſche Reglement gedemüthigte Montagne nicht gar zu unglücklich vor¬
ſtellen. Wenn der 13. Juni ihre Chefs beſeitigt hatte, ſo macht er andrer¬
ſeits untergeordneteren Kapazitäten Platz, denen dieſe neue Stellung
ſchmeichelt. Wenn ihre Machtloſigkeit im Parlamente nicht mehr bezweifelt
werden konnte, ſo waren ſie nun auch berechtigt, ihre That auf Ausbrüche ſitt¬
licher Entrüſtung und polternde Deklamation zu beſchränken. Wenn die Ord¬
nungspartei in ihnen als den letzten offiziellen Repräſentanten der Revolution
alle Schrecken der Anarchie verkörpert zu ſehn vorgab, ſo konnten ſie in der
Wirklichkeit deſto platter und beſcheidener ſein. Ueber den 13. Juni aber ver¬
tröſteten ſie ſich mit der tiefen Wendung: Aber wenn man das allgemeine
Wahlrecht anzugreifen wagt, aber dann! Dann werden wir zeigen, wer wir
ſind. Nous verrons.

Was die in's Ausland geflüchteten Montagnards betrifft, ſo genügt es
hier zu bemerken, daß Ledru-Rollin, weil es ihm gelungen war, in kaum zwei
Wochen die mächtige Partei, an deren Spitze er ſtand, rettungslos zu ruiniren,
ſich nun berufen fand, eine franzöſiſche Regierung in partibus zu bilden; daß
ſeine Figur, in der Ferne, vom Boden der Aktion weggehoben, im Maßſtab
als das Niveau der Revolution ſank und die offiziellen Größen des offiziellen
Frankreichs zwerghafter wurden, an Größe zu wachſen ſchien; daß er als repu¬
blikaniſcher Prätendent für 1852 figuriren konnte, daß er periodiſche Rund¬
ſchreiben an die Walachen und andere Völker erließ, worin den Despoten des
Kontinents mit ſeinen und ſeiner Verbündeten Thaten gedroht wird. Hatte
Proudhon ganz Unrecht, wenn er dieſen Herren zurief: „Vous n'êtes que
des blagueurs
?“

Die Ordnungspartei hatte am 13. Juni nicht nur die Montagne ge¬
brochen, ſie hatte die Unterordnung der Konſtitution unter die
Majoritätsbeſchlüſſe der Nationalverſammlung
durchgeſetzt.
Und ſo verſtand ſie die Republik. Daß die Bourgeoiſie hier in parlamenta¬
riſchen Formen herrſche, ohne wie in der Monarchie an dem Veto der Exeku¬
tivgewalt oder an der Auflösbarkeit des Parlaments eine Schranke zu finden.
Das war die parlamentariſche Republik, wie Thiers ſie nannte.
Aber wenn die Bourgeoiſie am 13. Juni ihre Allmacht innerhalb des Parla¬
mentsgebäudes ſicherte, ſchlug ſie nicht das Parlament ſelbſt, der Exekutivgewalt
und dem Volke gegenüber, mit unheilbarer Schwäche, indem ſie den populärſten
Theil deſſelben ausſtieß? Indem ſie zahlreiche Deputirte ohne weitere Cere¬
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[33/0045] lamentariſche Reglement gedemüthigte Montagne nicht gar zu unglücklich vor¬ ſtellen. Wenn der 13. Juni ihre Chefs beſeitigt hatte, ſo macht er andrer¬ ſeits untergeordneteren Kapazitäten Platz, denen dieſe neue Stellung ſchmeichelt. Wenn ihre Machtloſigkeit im Parlamente nicht mehr bezweifelt werden konnte, ſo waren ſie nun auch berechtigt, ihre That auf Ausbrüche ſitt¬ licher Entrüſtung und polternde Deklamation zu beſchränken. Wenn die Ord¬ nungspartei in ihnen als den letzten offiziellen Repräſentanten der Revolution alle Schrecken der Anarchie verkörpert zu ſehn vorgab, ſo konnten ſie in der Wirklichkeit deſto platter und beſcheidener ſein. Ueber den 13. Juni aber ver¬ tröſteten ſie ſich mit der tiefen Wendung: Aber wenn man das allgemeine Wahlrecht anzugreifen wagt, aber dann! Dann werden wir zeigen, wer wir ſind. Nous verrons. Was die in's Ausland geflüchteten Montagnards betrifft, ſo genügt es hier zu bemerken, daß Ledru-Rollin, weil es ihm gelungen war, in kaum zwei Wochen die mächtige Partei, an deren Spitze er ſtand, rettungslos zu ruiniren, ſich nun berufen fand, eine franzöſiſche Regierung in partibus zu bilden; daß ſeine Figur, in der Ferne, vom Boden der Aktion weggehoben, im Maßſtab als das Niveau der Revolution ſank und die offiziellen Größen des offiziellen Frankreichs zwerghafter wurden, an Größe zu wachſen ſchien; daß er als repu¬ blikaniſcher Prätendent für 1852 figuriren konnte, daß er periodiſche Rund¬ ſchreiben an die Walachen und andere Völker erließ, worin den Despoten des Kontinents mit ſeinen und ſeiner Verbündeten Thaten gedroht wird. Hatte Proudhon ganz Unrecht, wenn er dieſen Herren zurief: „Vous n'êtes que des blagueurs?“ Die Ordnungspartei hatte am 13. Juni nicht nur die Montagne ge¬ brochen, ſie hatte die Unterordnung der Konſtitution unter die Majoritätsbeſchlüſſe der Nationalverſammlung durchgeſetzt. Und ſo verſtand ſie die Republik. Daß die Bourgeoiſie hier in parlamenta¬ riſchen Formen herrſche, ohne wie in der Monarchie an dem Veto der Exeku¬ tivgewalt oder an der Auflösbarkeit des Parlaments eine Schranke zu finden. Das war die parlamentariſche Republik, wie Thiers ſie nannte. Aber wenn die Bourgeoiſie am 13. Juni ihre Allmacht innerhalb des Parla¬ mentsgebäudes ſicherte, ſchlug ſie nicht das Parlament ſelbſt, der Exekutivgewalt und dem Volke gegenüber, mit unheilbarer Schwäche, indem ſie den populärſten Theil deſſelben ausſtieß? Indem ſie zahlreiche Deputirte ohne weitere Cere¬ monien der Requiſition der Parkette preisgab, hob ſie ihre eigne parlamen¬ 3

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/45>, abgerufen am 19.11.2024.