Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.sie gestimmt hatte, war die Montagne nun auch überzeugt, daß die Armee für Man muß sich daher die dezimirte, gebrochene und durch das neue par¬ ſie geſtimmt hatte, war die Montagne nun auch überzeugt, daß die Armee für Man muß ſich daher die dezimirte, gebrochene und durch das neue par¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0044" n="32"/> ſie geſtimmt hatte, war die Montagne nun auch überzeugt, daß die Armee für<lb/> ſie revoltiren werde. Und bei welchem Anlaſſe? Bei einem Anlaſſe, der vom<lb/> Standpunkt der Truppen keinen andern Sinn hatte, als daß die Revolutio¬<lb/> näre für die römiſchen Soldaten gegen die franzöſiſchen Soldaten Partei er¬<lb/> griffen. Andrerſeits waren die Erinnerungen an den Juni 1848 noch zu<lb/> friſch, als daß nicht eine tiefe Abneigung des Proletariats gegen die National¬<lb/> garde und ein durchgreifendes Mißtrauen der Chefs der geheimen Geſell¬<lb/> ſchaften gegen die demokratiſchen Chefs exiſtiren mußten. Um dieſe Differenzen<lb/> auszugleichen, dazu bedurfte es großer gemeinſchaftlicher Intereſſen, die auf<lb/> dem Spiele ſtanden. Die Verletzung eines abſtrakten Verfaſſungsparagraphen<lb/> konnte das Intereſſe nicht bieten. War die Verfaſſung nicht ſchon wiederholt<lb/> verletzt worden nach der Verſicherung der Demokraten ſelbſt? Hatten die<lb/> populärſten Journale ſie nicht als ein kontrerevolutionäres Machwerk gebrand¬<lb/> markt? Aber der Demokrat, weil er das Kleinbürgerthum vertritt, alſo eine<lb/><hi rendition="#g">Uebergangsklaſſe</hi>, worin die Intereſſen zweier Klaſſen ſich zugleich ab¬<lb/> ſtumpfen, dünkt ſich über den Klaſſengegenſatz überhaupt erhaben. Die De¬<lb/> mokraten geben zu, daß eine privilegirte Klaſſe ihnen gegenüberſteht, aber ſie<lb/> mit der ganzen übrigen Umgebung der Nation bilden das <hi rendition="#g">Volk</hi>. Was ſie<lb/> vertreten, iſt das <hi rendition="#g">Volksrecht</hi>; was ſie intereſſirt, iſt das <hi rendition="#g">Volksinter¬<lb/> eſſe</hi>. Sie brauchen daher bei einem bevorſtehenden Kampfe die Intereſſen<lb/> und Stellungen der verſchiedenen Klaſſen nicht zu prüfen. Sie brauchen ihre<lb/> eigenen Mittel nicht allzu bedenklich abzuwägen. Sie haben eben nur das<lb/> Signal zu geben, damit das <hi rendition="#g">Volk</hi> mit allen ſeinen unerſchöpflichen Reſſourcen<lb/> über die <hi rendition="#g">Dränger</hi> herfalle. Stellen ſich nun in der Ausführung ihre In¬<lb/> tereſſen als unintereſſant und ihre Macht als Ohnmacht heraus, ſo liegt das<lb/> entweder an verderblichen Sophiſten, die das <hi rendition="#g">untheilbare Volk</hi> in ver¬<lb/> ſchiedene feindliche Lager ſpalten, oder die Armee war zu verthiert und zu ver¬<lb/> blendet, um die reinen Zwecke der Demokratie als ihr eignes Beſte zu be¬<lb/> greifen, oder an einem Detail der Ausführung iſt das Ganze geſcheitert, oder<lb/> aber ein unvorhergeſehener Zufall hat für diesmal die Partie vereitelt. Jeden¬<lb/> falls geht der Demokrat eben ſo makellos aus der ſchmählichſten Niederlage<lb/> heraus, wie er unſchuldig in ſie hineingegangen iſt, mit der neugewonnenen<lb/> Ueberzeugung, daß er ſiegen muß, nicht daß er ſelbſt und ſeine Partei den<lb/> alten Standpunkt aufzugeben, ſondern umgekehrt, daß die Verhältniſſe ihm<lb/> entgegenzureifen haben.</p><lb/> <p>Man muß ſich daher die dezimirte, gebrochene und durch das neue par¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0044]
ſie geſtimmt hatte, war die Montagne nun auch überzeugt, daß die Armee für
ſie revoltiren werde. Und bei welchem Anlaſſe? Bei einem Anlaſſe, der vom
Standpunkt der Truppen keinen andern Sinn hatte, als daß die Revolutio¬
näre für die römiſchen Soldaten gegen die franzöſiſchen Soldaten Partei er¬
griffen. Andrerſeits waren die Erinnerungen an den Juni 1848 noch zu
friſch, als daß nicht eine tiefe Abneigung des Proletariats gegen die National¬
garde und ein durchgreifendes Mißtrauen der Chefs der geheimen Geſell¬
ſchaften gegen die demokratiſchen Chefs exiſtiren mußten. Um dieſe Differenzen
auszugleichen, dazu bedurfte es großer gemeinſchaftlicher Intereſſen, die auf
dem Spiele ſtanden. Die Verletzung eines abſtrakten Verfaſſungsparagraphen
konnte das Intereſſe nicht bieten. War die Verfaſſung nicht ſchon wiederholt
verletzt worden nach der Verſicherung der Demokraten ſelbſt? Hatten die
populärſten Journale ſie nicht als ein kontrerevolutionäres Machwerk gebrand¬
markt? Aber der Demokrat, weil er das Kleinbürgerthum vertritt, alſo eine
Uebergangsklaſſe, worin die Intereſſen zweier Klaſſen ſich zugleich ab¬
ſtumpfen, dünkt ſich über den Klaſſengegenſatz überhaupt erhaben. Die De¬
mokraten geben zu, daß eine privilegirte Klaſſe ihnen gegenüberſteht, aber ſie
mit der ganzen übrigen Umgebung der Nation bilden das Volk. Was ſie
vertreten, iſt das Volksrecht; was ſie intereſſirt, iſt das Volksinter¬
eſſe. Sie brauchen daher bei einem bevorſtehenden Kampfe die Intereſſen
und Stellungen der verſchiedenen Klaſſen nicht zu prüfen. Sie brauchen ihre
eigenen Mittel nicht allzu bedenklich abzuwägen. Sie haben eben nur das
Signal zu geben, damit das Volk mit allen ſeinen unerſchöpflichen Reſſourcen
über die Dränger herfalle. Stellen ſich nun in der Ausführung ihre In¬
tereſſen als unintereſſant und ihre Macht als Ohnmacht heraus, ſo liegt das
entweder an verderblichen Sophiſten, die das untheilbare Volk in ver¬
ſchiedene feindliche Lager ſpalten, oder die Armee war zu verthiert und zu ver¬
blendet, um die reinen Zwecke der Demokratie als ihr eignes Beſte zu be¬
greifen, oder an einem Detail der Ausführung iſt das Ganze geſcheitert, oder
aber ein unvorhergeſehener Zufall hat für diesmal die Partie vereitelt. Jeden¬
falls geht der Demokrat eben ſo makellos aus der ſchmählichſten Niederlage
heraus, wie er unſchuldig in ſie hineingegangen iſt, mit der neugewonnenen
Ueberzeugung, daß er ſiegen muß, nicht daß er ſelbſt und ſeine Partei den
alten Standpunkt aufzugeben, ſondern umgekehrt, daß die Verhältniſſe ihm
entgegenzureifen haben.
Man muß ſich daher die dezimirte, gebrochene und durch das neue par¬
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