Martin, Marie: Wahre Frauenbildung. Tübingen 1905.können, wurde ein behaglicher Scheinbeweis. Jeder Mann,
Das Frauenglück, wie es die Dichter singen, ist ein Glück, können, wurde ein behaglicher Scheinbeweis. Jeder Mann,
Das Frauenglück, wie es die Dichter singen, ist ein Glück, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="29"/><hi rendition="#g">können</hi>, wurde ein behaglicher Scheinbeweis. Jeder Mann,<lb/> der dies holde Frauenwunder in seinem Leben und seinem<lb/> Hause erlebte, wurde zum begeisterten Apostel der Lehre, daß<lb/> man an der Frauennatur durch bewußte geistige Bildung nur<lb/> verderben könne. Und es war so poetisch, wenn das junge<lb/> knospende Mädchen in der träumenden, gefühlsseligen Warte-<lb/> stimmung nicht gestört wurde, bis der Mann kam, der in das<lb/> unfertige Traumleben den realen Inhalt brachte, und das<lb/> Mädchen in jeder Beziehung aus der hilflosen Unschuld des<lb/> Nichtwissens erlöste zu einem plötzlich reichen Leben voller<lb/> ernster Pflichten. Die Männer neigen stets zu der Auffassung,<lb/><hi rendition="#g">sie</hi> könnten und sollten unserm Frauenleben den Inhalt geben.<lb/> Den können <hi rendition="#g">sie</hi> uns nimmermehr geben, den gibt uns nur<lb/> die <hi rendition="#g">Natur und unser eignes Herz</hi>. Der gesunde Pflichten-<lb/> inhalt aber kommt für ein Frauenleben nicht als selige Traum-<lb/> erfüllung, sondern er fordert weibliche Kraftentwickelung in<lb/> sorgfältiger Schulung und Erziehung, um zu einem <hi rendition="#g">Willen</hi><lb/> zu kommen, zum Willen zur Pflicht, zum Willen zur Diszip-<lb/> lin unsrer Gefühle, zum Willen zur Selbsthingabe. Darum<lb/> ist es irreführendes Locken von gesunder Entwickelung ab,<lb/> wenn der Mann singt im Frühling des Lebens:</p><lb/> <quote> <hi rendition="#c"> <lg> <l>„Mir ist, als ob ich die Hände</l> <l>Auf's Haupt dir legen sollt,</l> <l>Betend, daß Gott dich erhalte</l> <l>so rein, so schön, so hold!“</l> </lg> </hi> </quote><lb/> <p>Das Frauenglück, wie es die Dichter singen, ist ein Glück,<lb/> das von jedem Wind des Zufalls der hilflosen Frau ausein-<lb/> andergeweht werden kann. Auch das reale Glück der Haus-<lb/> frau und Mutter, die schlecht und recht ihren Lebensberuf in<lb/> der Ehe und Familie findet und somit den geeignetsten Boden<lb/> hat, den Reichtum ihrer natürlichen Gaben zu entfalten, wird<lb/> schwer bedroht durch das falsche Bildungsideal, das für das<lb/> weibliche Geschlecht herrscht. Sie fühlt doch bitter die Kluft,<lb/> die sie von der Gedankenwelt ihres Mannes und ihrer Söhne<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [29/0032]
können, wurde ein behaglicher Scheinbeweis. Jeder Mann,
der dies holde Frauenwunder in seinem Leben und seinem
Hause erlebte, wurde zum begeisterten Apostel der Lehre, daß
man an der Frauennatur durch bewußte geistige Bildung nur
verderben könne. Und es war so poetisch, wenn das junge
knospende Mädchen in der träumenden, gefühlsseligen Warte-
stimmung nicht gestört wurde, bis der Mann kam, der in das
unfertige Traumleben den realen Inhalt brachte, und das
Mädchen in jeder Beziehung aus der hilflosen Unschuld des
Nichtwissens erlöste zu einem plötzlich reichen Leben voller
ernster Pflichten. Die Männer neigen stets zu der Auffassung,
sie könnten und sollten unserm Frauenleben den Inhalt geben.
Den können sie uns nimmermehr geben, den gibt uns nur
die Natur und unser eignes Herz. Der gesunde Pflichten-
inhalt aber kommt für ein Frauenleben nicht als selige Traum-
erfüllung, sondern er fordert weibliche Kraftentwickelung in
sorgfältiger Schulung und Erziehung, um zu einem Willen
zu kommen, zum Willen zur Pflicht, zum Willen zur Diszip-
lin unsrer Gefühle, zum Willen zur Selbsthingabe. Darum
ist es irreführendes Locken von gesunder Entwickelung ab,
wenn der Mann singt im Frühling des Lebens:
„Mir ist, als ob ich die Hände Auf's Haupt dir legen sollt, Betend, daß Gott dich erhalte so rein, so schön, so hold!“
Das Frauenglück, wie es die Dichter singen, ist ein Glück,
das von jedem Wind des Zufalls der hilflosen Frau ausein-
andergeweht werden kann. Auch das reale Glück der Haus-
frau und Mutter, die schlecht und recht ihren Lebensberuf in
der Ehe und Familie findet und somit den geeignetsten Boden
hat, den Reichtum ihrer natürlichen Gaben zu entfalten, wird
schwer bedroht durch das falsche Bildungsideal, das für das
weibliche Geschlecht herrscht. Sie fühlt doch bitter die Kluft,
die sie von der Gedankenwelt ihres Mannes und ihrer Söhne
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(2013-06-11T19:37:41Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-06-11T19:37:41Z)
Internet Archive: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-06-11T19:37:41Z)
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