Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Neuntes Buch. Von dem Untergange etc.
letzung eines Vertrags auch auf den Fuß der Represalien einen
anderen Vertrag brechen und seinen Mitcontrahenten selbst
aller aus anderen Verträgen herfließenden Rechte berauben.

Verträge die zwischen mehreren Contrahenten geschlossen
worden, hören dadurch daß ein Theil sich von selbigen ent-
fernt nicht auf für die übrigen Mitglieder verbindlich zu
seyn, so lange diese noch zu deren Erfüllung fähig bleiben.

a) Grotius de iure belli et pacis L. II. cap. XIV. §. 15. Vattel droit
des gens
L. II. cap. XIII. §. 202. Buddaeus de contranentionibus
foederum
cap.
3. §. 14.
§. 337.
3) Durch stillschweigende Verträge.

Was von der Art ausdrückliche Verträge zu endigen
gesagt worden, gilt auch von wahrhaft stillschweigenden Ver-
trägen (§. 58) da nicht die Art der Erklärung des gegen-
seitigen Willens, sondern die Gewißheit desselben die Ver-
bindlichkeit der Verträge bestimmt.

§. 338.
Endigung der Gewohnheitsrechte.

Sofern endlich von bloßen Gewohnheitsrechten die
Rede ist, so behält jede Macht das Recht sie einsaitig auf-
zuheben, wenn sie nur zeitig ihre Absicht ausdrücklich oder
stillschweigend zu erkennen giebt; daß noch vielmehr mit ge-
genseitiger Bewilligung der Völker Gewohnheitsrechte auf-
gehoben und abgeändert werden können leidet keinen Zweifel.
Nach der natürlichen Unabhängigkeit der Völker aber können
solche Veränderungen, welche von einigen Mächten beliebt
werden, die übrigen zu einer gleichen Abänderung nicht
nöthigen, dafern nicht die bisherige Gewohnheit dem strengen
äußeren Völkerrecht entgegen, und daher als unerlaubt und
beleidigend zu betrachten ist a).

a) Daher hängt die Frage ab, ob Großbritannien nach dem Bey-
spiel so vieler Seemächte schuldig sey auch gegen Mächte mit
denen es keine Verträge hat den Grundsatz anzunehmen, daß freyes
Schiff freyes Gut mache, oder ob es berechtiget sey den alten
entgegengesetzten Grundsatz beyzubehalten, oder wieder anzunehmen,
am Ende ganz von der Frage ab, welcher von den beiden Grund-
sätzen dem allgemeinen Völkerrecht gemäß, welcher ihm entgegen sey.



Register.

Neuntes Buch. Von dem Untergange ꝛc.
letzung eines Vertrags auch auf den Fuß der Repreſalien einen
anderen Vertrag brechen und ſeinen Mitcontrahenten ſelbſt
aller aus anderen Vertraͤgen herfließenden Rechte berauben.

Vertraͤge die zwiſchen mehreren Contrahenten geſchloſſen
worden, hoͤren dadurch daß ein Theil ſich von ſelbigen ent-
fernt nicht auf fuͤr die uͤbrigen Mitglieder verbindlich zu
ſeyn, ſo lange dieſe noch zu deren Erfuͤllung faͤhig bleiben.

a) Grotius de iure belli et pacis L. II. cap. XIV. §. 15. Vattel droit
des gens
L. II. cap. XIII. §. 202. Buddaeus de contranentionibus
foederum
cap.
3. §. 14.
§. 337.
3) Durch ſtillſchweigende Vertraͤge.

Was von der Art ausdruͤckliche Vertraͤge zu endigen
geſagt worden, gilt auch von wahrhaft ſtillſchweigenden Ver-
traͤgen (§. 58) da nicht die Art der Erklaͤrung des gegen-
ſeitigen Willens, ſondern die Gewißheit deſſelben die Ver-
bindlichkeit der Vertraͤge beſtimmt.

§. 338.
Endigung der Gewohnheitsrechte.

Sofern endlich von bloßen Gewohnheitsrechten die
Rede iſt, ſo behaͤlt jede Macht das Recht ſie einſaitig auf-
zuheben, wenn ſie nur zeitig ihre Abſicht ausdruͤcklich oder
ſtillſchweigend zu erkennen giebt; daß noch vielmehr mit ge-
genſeitiger Bewilligung der Voͤlker Gewohnheitsrechte auf-
gehoben und abgeaͤndert werden koͤnnen leidet keinen Zweifel.
Nach der natuͤrlichen Unabhaͤngigkeit der Voͤlker aber koͤnnen
ſolche Veraͤnderungen, welche von einigen Maͤchten beliebt
werden, die uͤbrigen zu einer gleichen Abaͤnderung nicht
noͤthigen, dafern nicht die bisherige Gewohnheit dem ſtrengen
aͤußeren Voͤlkerrecht entgegen, und daher als unerlaubt und
beleidigend zu betrachten iſt a).

a) Daher haͤngt die Frage ab, ob Großbritannien nach dem Bey-
ſpiel ſo vieler Seemaͤchte ſchuldig ſey auch gegen Maͤchte mit
denen es keine Vertraͤge hat den Grundſatz anzunehmen, daß freyes
Schiff freyes Gut mache, oder ob es berechtiget ſey den alten
entgegengeſetzten Grundſatz beyzubehalten, oder wieder anzunehmen,
am Ende ganz von der Frage ab, welcher von den beiden Grund-
ſaͤtzen dem allgemeinen Voͤlkerrecht gemaͤß, welcher ihm entgegen ſey.



Regiſter.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0406" n="378"/><fw place="top" type="header">Neuntes Buch. Von dem Untergange &#xA75B;c.</fw><lb/>
letzung eines Vertrags auch auf den Fuß der Repre&#x017F;alien einen<lb/>
anderen Vertrag brechen und &#x017F;einen Mitcontrahenten &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
aller aus anderen Vertra&#x0364;gen herfließenden Rechte berauben.</p><lb/>
            <p>Vertra&#x0364;ge die zwi&#x017F;chen mehreren Contrahenten ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
worden, ho&#x0364;ren dadurch daß ein Theil &#x017F;ich von &#x017F;elbigen ent-<lb/>
fernt nicht auf fu&#x0364;r die u&#x0364;brigen Mitglieder verbindlich zu<lb/>
&#x017F;eyn, &#x017F;o lange die&#x017F;e noch zu deren Erfu&#x0364;llung fa&#x0364;hig bleiben.</p><lb/>
            <note place="end" n="a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Grotius</hi><hi rendition="#i">de iure belli et pacis</hi> L. II. cap. XIV. §. 15. <hi rendition="#k">Vattel</hi> <hi rendition="#i">droit<lb/>
des gens</hi> L. II. cap. XIII. §. 202. <hi rendition="#k">Buddaeus</hi> <hi rendition="#i">de contranentionibus<lb/>
foederum</hi> cap.</hi> 3. §. 14.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 337.<lb/>
3) <hi rendition="#fr">Durch &#x017F;till&#x017F;chweigende Vertra&#x0364;ge.</hi></head><lb/>
            <p>Was von der Art ausdru&#x0364;ckliche Vertra&#x0364;ge zu endigen<lb/>
ge&#x017F;agt worden, gilt auch von wahrhaft &#x017F;till&#x017F;chweigenden Ver-<lb/>
tra&#x0364;gen (§. 58) da nicht die Art der Erkla&#x0364;rung des gegen-<lb/>
&#x017F;eitigen Willens, &#x017F;ondern die Gewißheit de&#x017F;&#x017F;elben die Ver-<lb/>
bindlichkeit der Vertra&#x0364;ge be&#x017F;timmt.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 338.<lb/><hi rendition="#fr">Endigung der Gewohnheitsrechte.</hi></head><lb/>
            <p>Sofern endlich von bloßen Gewohnheitsrechten die<lb/>
Rede i&#x017F;t, &#x017F;o beha&#x0364;lt jede Macht das Recht &#x017F;ie ein&#x017F;aitig auf-<lb/>
zuheben, wenn &#x017F;ie nur zeitig ihre Ab&#x017F;icht ausdru&#x0364;cklich oder<lb/>
&#x017F;till&#x017F;chweigend zu erkennen giebt; daß noch vielmehr mit ge-<lb/>
gen&#x017F;eitiger Bewilligung der Vo&#x0364;lker Gewohnheitsrechte auf-<lb/>
gehoben und abgea&#x0364;ndert werden ko&#x0364;nnen leidet keinen Zweifel.<lb/>
Nach der natu&#x0364;rlichen Unabha&#x0364;ngigkeit der Vo&#x0364;lker aber ko&#x0364;nnen<lb/>
&#x017F;olche Vera&#x0364;nderungen, welche von einigen Ma&#x0364;chten beliebt<lb/>
werden, die u&#x0364;brigen zu einer gleichen Aba&#x0364;nderung nicht<lb/>
no&#x0364;thigen, dafern nicht die bisherige Gewohnheit dem &#x017F;trengen<lb/>
a&#x0364;ußeren Vo&#x0364;lkerrecht entgegen, und daher als unerlaubt und<lb/>
beleidigend zu betrachten i&#x017F;t <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>).</p><lb/>
            <note place="end" n="a)">Daher ha&#x0364;ngt die Frage ab, ob Großbritannien nach dem Bey-<lb/>
&#x017F;piel &#x017F;o vieler Seema&#x0364;chte &#x017F;chuldig &#x017F;ey auch gegen Ma&#x0364;chte mit<lb/>
denen es keine Vertra&#x0364;ge hat den Grund&#x017F;atz anzunehmen, daß freyes<lb/>
Schiff freyes Gut mache, oder ob es berechtiget &#x017F;ey den alten<lb/>
entgegenge&#x017F;etzten Grund&#x017F;atz beyzubehalten, oder wieder anzunehmen,<lb/>
am Ende ganz von der Frage ab, welcher von den beiden Grund-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;tzen dem allgemeinen Vo&#x0364;lkerrecht gema&#x0364;ß, welcher ihm entgegen &#x017F;ey.</note>
          </div>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Regi&#x017F;ter.</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0406] Neuntes Buch. Von dem Untergange ꝛc. letzung eines Vertrags auch auf den Fuß der Repreſalien einen anderen Vertrag brechen und ſeinen Mitcontrahenten ſelbſt aller aus anderen Vertraͤgen herfließenden Rechte berauben. Vertraͤge die zwiſchen mehreren Contrahenten geſchloſſen worden, hoͤren dadurch daß ein Theil ſich von ſelbigen ent- fernt nicht auf fuͤr die uͤbrigen Mitglieder verbindlich zu ſeyn, ſo lange dieſe noch zu deren Erfuͤllung faͤhig bleiben. a⁾ Grotius de iure belli et pacis L. II. cap. XIV. §. 15. Vattel droit des gens L. II. cap. XIII. §. 202. Buddaeus de contranentionibus foederum cap. 3. §. 14. §. 337. 3) Durch ſtillſchweigende Vertraͤge. Was von der Art ausdruͤckliche Vertraͤge zu endigen geſagt worden, gilt auch von wahrhaft ſtillſchweigenden Ver- traͤgen (§. 58) da nicht die Art der Erklaͤrung des gegen- ſeitigen Willens, ſondern die Gewißheit deſſelben die Ver- bindlichkeit der Vertraͤge beſtimmt. §. 338. Endigung der Gewohnheitsrechte. Sofern endlich von bloßen Gewohnheitsrechten die Rede iſt, ſo behaͤlt jede Macht das Recht ſie einſaitig auf- zuheben, wenn ſie nur zeitig ihre Abſicht ausdruͤcklich oder ſtillſchweigend zu erkennen giebt; daß noch vielmehr mit ge- genſeitiger Bewilligung der Voͤlker Gewohnheitsrechte auf- gehoben und abgeaͤndert werden koͤnnen leidet keinen Zweifel. Nach der natuͤrlichen Unabhaͤngigkeit der Voͤlker aber koͤnnen ſolche Veraͤnderungen, welche von einigen Maͤchten beliebt werden, die uͤbrigen zu einer gleichen Abaͤnderung nicht noͤthigen, dafern nicht die bisherige Gewohnheit dem ſtrengen aͤußeren Voͤlkerrecht entgegen, und daher als unerlaubt und beleidigend zu betrachten iſt a). a⁾ Daher haͤngt die Frage ab, ob Großbritannien nach dem Bey- ſpiel ſo vieler Seemaͤchte ſchuldig ſey auch gegen Maͤchte mit denen es keine Vertraͤge hat den Grundſatz anzunehmen, daß freyes Schiff freyes Gut mache, oder ob es berechtiget ſey den alten entgegengeſetzten Grundſatz beyzubehalten, oder wieder anzunehmen, am Ende ganz von der Frage ab, welcher von den beiden Grund- ſaͤtzen dem allgemeinen Voͤlkerrecht gemaͤß, welcher ihm entgegen ſey. Regiſter.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/406
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/406>, abgerufen am 23.11.2024.