Der Vertrag erlischt wenn die resolutorische Bedingung eintritt, oder die bestimmte Zeit abgelaufen ist, dafern nicht derselbe entweder ausdrücklich, oder stillschweigend erneuert oder verlängert wird.
Eine gänzliche Veränderung derjenigen Umstände, welche den Grund des Vertrags enthalten, macht den Vertrag unverbindlich, obwohl wenn sie durch Schuld des einen Theils sich zugetragen, dafür oft von dem andern Entschädigung gefordert werden kann. Eben dieß tritt ein, wenn der Ge- genstand des Vertrags aufhöret zu seyn, oder verändert wird. Daß auch eine Verbindlichkeit durch Erfüllung derselben er- löschen könne leidet keinen Zweifel.
Mit gegenseitigen Willen der Contrahenten, er sey ausdrücklich oder stillschweigend erkläret, kann zwar jeder Vertrag aufgehoben werden, aber einseitig hat der Regel nach kein Theil das Recht von einem gültigen und verbind- lichen Vertrage abzugehn. Nur dann kann er es, wenn entweder seine Selbsterhaltung es erfordert, oder der Gegen- theil zuerst von dem Vertrage abging. Nicht jede Ver- letzung eines Artikels a) eines Vertrages berechtiget den Gegentheil sofort von dem Vertrage abzugehn, sie giebt ihm nur zunächst das Recht auf die Erfüllung des Vertrags zu dringen, oder ihn in so weit zu verletzen, als es zu seiner Genugthuung nothwendig ist. Da aber alle Hauptartikel eines Vertrags in einer natürlichen Verbindung stehn, nach welcher unabhängig von ihrem Inhalt jeder die Erfüllung der übrigen zur Bedingung hat, so kann der Verletzte stuffen- weise bis zur Aufkündigung des ganzen Vertrags gehn, falls er nicht auf dieses Recht Verzicht geleistet hat (§. 260. c).
Wird von mehreren Verträgen einer verletzt, so hören zwar dadurch die übrigen nicht sofort auf verbindlich zu seyn, es ist auch weit nicht immer zwischen ihnen eben die Verbin- dung, die zwischen mehreren Artikeln ein und desselben Ver- trags besteht. Da aber der beleidigte Theil das Recht hat dem andren so viel vollkommene Rechte zu kränken als seine Genugthuung erheischt, so kann eine Macht wegen der Ver-
letzung
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erworbener Rechte der Voͤlker gegen einander.
Der Vertrag erliſcht wenn die reſolutoriſche Bedingung eintritt, oder die beſtimmte Zeit abgelaufen iſt, dafern nicht derſelbe entweder ausdruͤcklich, oder ſtillſchweigend erneuert oder verlaͤngert wird.
Eine gaͤnzliche Veraͤnderung derjenigen Umſtaͤnde, welche den Grund des Vertrags enthalten, macht den Vertrag unverbindlich, obwohl wenn ſie durch Schuld des einen Theils ſich zugetragen, dafuͤr oft von dem andern Entſchaͤdigung gefordert werden kann. Eben dieß tritt ein, wenn der Ge- genſtand des Vertrags aufhoͤret zu ſeyn, oder veraͤndert wird. Daß auch eine Verbindlichkeit durch Erfuͤllung derſelben er- loͤſchen koͤnne leidet keinen Zweifel.
Mit gegenſeitigen Willen der Contrahenten, er ſey ausdruͤcklich oder ſtillſchweigend erklaͤret, kann zwar jeder Vertrag aufgehoben werden, aber einſeitig hat der Regel nach kein Theil das Recht von einem guͤltigen und verbind- lichen Vertrage abzugehn. Nur dann kann er es, wenn entweder ſeine Selbſterhaltung es erfordert, oder der Gegen- theil zuerſt von dem Vertrage abging. Nicht jede Ver- letzung eines Artikels a) eines Vertrages berechtiget den Gegentheil ſofort von dem Vertrage abzugehn, ſie giebt ihm nur zunaͤchſt das Recht auf die Erfuͤllung des Vertrags zu dringen, oder ihn in ſo weit zu verletzen, als es zu ſeiner Genugthuung nothwendig iſt. Da aber alle Hauptartikel eines Vertrags in einer natuͤrlichen Verbindung ſtehn, nach welcher unabhaͤngig von ihrem Inhalt jeder die Erfuͤllung der uͤbrigen zur Bedingung hat, ſo kann der Verletzte ſtuffen- weiſe bis zur Aufkuͤndigung des ganzen Vertrags gehn, falls er nicht auf dieſes Recht Verzicht geleiſtet hat (§. 260. c).
Wird von mehreren Vertraͤgen einer verletzt, ſo hoͤren zwar dadurch die uͤbrigen nicht ſofort auf verbindlich zu ſeyn, es iſt auch weit nicht immer zwiſchen ihnen eben die Verbin- dung, die zwiſchen mehreren Artikeln ein und deſſelben Ver- trags beſteht. Da aber der beleidigte Theil das Recht hat dem andren ſo viel vollkommene Rechte zu kraͤnken als ſeine Genugthuung erheiſcht, ſo kann eine Macht wegen der Ver-
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erworbener Rechte der Voͤlker gegen einander.
Der Vertrag erliſcht wenn die reſolutoriſche Bedingung
eintritt, oder die beſtimmte Zeit abgelaufen iſt, dafern nicht
derſelbe entweder ausdruͤcklich, oder ſtillſchweigend erneuert
oder verlaͤngert wird.
Eine gaͤnzliche Veraͤnderung derjenigen Umſtaͤnde, welche
den Grund des Vertrags enthalten, macht den Vertrag
unverbindlich, obwohl wenn ſie durch Schuld des einen Theils
ſich zugetragen, dafuͤr oft von dem andern Entſchaͤdigung
gefordert werden kann. Eben dieß tritt ein, wenn der Ge-
genſtand des Vertrags aufhoͤret zu ſeyn, oder veraͤndert wird.
Daß auch eine Verbindlichkeit durch Erfuͤllung derſelben er-
loͤſchen koͤnne leidet keinen Zweifel.
Mit gegenſeitigen Willen der Contrahenten, er ſey
ausdruͤcklich oder ſtillſchweigend erklaͤret, kann zwar jeder
Vertrag aufgehoben werden, aber einſeitig hat der Regel
nach kein Theil das Recht von einem guͤltigen und verbind-
lichen Vertrage abzugehn. Nur dann kann er es, wenn
entweder ſeine Selbſterhaltung es erfordert, oder der Gegen-
theil zuerſt von dem Vertrage abging. Nicht jede Ver-
letzung eines Artikels a) eines Vertrages berechtiget den
Gegentheil ſofort von dem Vertrage abzugehn, ſie giebt ihm
nur zunaͤchſt das Recht auf die Erfuͤllung des Vertrags zu
dringen, oder ihn in ſo weit zu verletzen, als es zu ſeiner
Genugthuung nothwendig iſt. Da aber alle Hauptartikel
eines Vertrags in einer natuͤrlichen Verbindung ſtehn, nach
welcher unabhaͤngig von ihrem Inhalt jeder die Erfuͤllung
der uͤbrigen zur Bedingung hat, ſo kann der Verletzte ſtuffen-
weiſe bis zur Aufkuͤndigung des ganzen Vertrags gehn, falls
er nicht auf dieſes Recht Verzicht geleiſtet hat (§. 260. c).
Wird von mehreren Vertraͤgen einer verletzt, ſo hoͤren
zwar dadurch die uͤbrigen nicht ſofort auf verbindlich zu ſeyn,
es iſt auch weit nicht immer zwiſchen ihnen eben die Verbin-
dung, die zwiſchen mehreren Artikeln ein und deſſelben Ver-
trags beſteht. Da aber der beleidigte Theil das Recht hat
dem andren ſo viel vollkommene Rechte zu kraͤnken als ſeine
Genugthuung erheiſcht, ſo kann eine Macht wegen der Ver-
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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/405>, abgerufen am 22.07.2024.
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