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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Achtes Buch. Viertes Hauptstück.
alle Festungen, Kriegsschiffe und alles was zum Kriege
dient zuzueignen.

Er ist auch 2) befugt die bisherige Landesverfassung
abzuändern, sich von den Unterthanen huldigen zu lassen,
alle einzelne Hoheitsrechte über sie auszuüben, folglich Ge-
setze zu geben, Steuern zu erheben, Truppen zu werben,
Münze prägen zu lassen u. s. f. a), und diejenigen die sich
seiner Gewalt wiederum entziehn wollen, als Rebellen zu
bestrafen. Doch entscheidet oft der Zweck der Besitznahme
wiefern er sich dieser Rechte in ihrem ganzen Umfange
bediene; oft setzen auch seine eigene Erklärung, oder ge-
schlossene Capitulationen diesem Recht Gränzen.

Er könnte selbst 3) der Strenge nach sich der Pri-
vatgüter des Fürsten und der Unterthanen so weit es seine
Genugthuung erfordert bemächtigen b). Allein schon längst
war in Landkriegen eingeführet, daß nicht nur dem Unter-
than sein unbewegliches Eigenthum verbleibe, sondern daß
auch (mit Ausnahme der dem Widerstand leistenden Feinde
entrissenen Beute, welche dem Sieger zufällt,) die beweg-
lichen Privatgüter des Fürsten c) insonderheit aber der Un-
terthanen von der angedroheten Plünderung und Verhee-
rung durch Bezahlung der von dem Feinde oft wiederho-
let ausgeschriebenen Brandschatzung an Geld und Natura-
lien verschonet blieben d), und daß nachmahls dasjenige
was der Feind sich außerdem liefern läßt frey gekauft und
bezahlet werden müsse e); nur daß Kriegsfuhren unentgelt-
lich gefordert werden können, und auch Fouragirungen für
erlaubt angesehn werden.

Und wenn schon 4) das strenge äußere Völkerrecht
auch die Plünderung und Verheerung der feindlichen Güter
in sehr ausgebreitetem Maaße zuläßt, so erkennen doch
die civilisirten Völker Europens, daß beides nach den Ge-
setzen des Kriegs dem Feinde nicht der Regel nach, son-
dern nur in den ausgenommenen Fällen erlaubt sey, wenn
entweder 1) von solchen Gütern die Rede ist deren man
sich nicht bemächtigen kann, ohne sie zu zerstören, und deren

Besitz

Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
alle Feſtungen, Kriegsſchiffe und alles was zum Kriege
dient zuzueignen.

Er iſt auch 2) befugt die bisherige Landesverfaſſung
abzuaͤndern, ſich von den Unterthanen huldigen zu laſſen,
alle einzelne Hoheitsrechte uͤber ſie auszuuͤben, folglich Ge-
ſetze zu geben, Steuern zu erheben, Truppen zu werben,
Muͤnze praͤgen zu laſſen u. ſ. f. a), und diejenigen die ſich
ſeiner Gewalt wiederum entziehn wollen, als Rebellen zu
beſtrafen. Doch entſcheidet oft der Zweck der Beſitznahme
wiefern er ſich dieſer Rechte in ihrem ganzen Umfange
bediene; oft ſetzen auch ſeine eigene Erklaͤrung, oder ge-
ſchloſſene Capitulationen dieſem Recht Graͤnzen.

Er koͤnnte ſelbſt 3) der Strenge nach ſich der Pri-
vatguͤter des Fuͤrſten und der Unterthanen ſo weit es ſeine
Genugthuung erfordert bemaͤchtigen b). Allein ſchon laͤngſt
war in Landkriegen eingefuͤhret, daß nicht nur dem Unter-
than ſein unbewegliches Eigenthum verbleibe, ſondern daß
auch (mit Ausnahme der dem Widerſtand leiſtenden Feinde
entriſſenen Beute, welche dem Sieger zufaͤllt,) die beweg-
lichen Privatguͤter des Fuͤrſten c) inſonderheit aber der Un-
terthanen von der angedroheten Pluͤnderung und Verhee-
rung durch Bezahlung der von dem Feinde oft wiederho-
let ausgeſchriebenen Brandſchatzung an Geld und Natura-
lien verſchonet blieben d), und daß nachmahls dasjenige
was der Feind ſich außerdem liefern laͤßt frey gekauft und
bezahlet werden muͤſſe e); nur daß Kriegsfuhren unentgelt-
lich gefordert werden koͤnnen, und auch Fouragirungen fuͤr
erlaubt angeſehn werden.

Und wenn ſchon 4) das ſtrenge aͤußere Voͤlkerrecht
auch die Pluͤnderung und Verheerung der feindlichen Guͤter
in ſehr ausgebreitetem Maaße zulaͤßt, ſo erkennen doch
die civiliſirten Voͤlker Europens, daß beides nach den Ge-
ſetzen des Kriegs dem Feinde nicht der Regel nach, ſon-
dern nur in den ausgenommenen Faͤllen erlaubt ſey, wenn
entweder 1) von ſolchen Guͤtern die Rede iſt deren man
ſich nicht bemaͤchtigen kann, ohne ſie zu zerſtoͤren, und deren

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[314/0342] Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck. alle Feſtungen, Kriegsſchiffe und alles was zum Kriege dient zuzueignen. Er iſt auch 2) befugt die bisherige Landesverfaſſung abzuaͤndern, ſich von den Unterthanen huldigen zu laſſen, alle einzelne Hoheitsrechte uͤber ſie auszuuͤben, folglich Ge- ſetze zu geben, Steuern zu erheben, Truppen zu werben, Muͤnze praͤgen zu laſſen u. ſ. f. a), und diejenigen die ſich ſeiner Gewalt wiederum entziehn wollen, als Rebellen zu beſtrafen. Doch entſcheidet oft der Zweck der Beſitznahme wiefern er ſich dieſer Rechte in ihrem ganzen Umfange bediene; oft ſetzen auch ſeine eigene Erklaͤrung, oder ge- ſchloſſene Capitulationen dieſem Recht Graͤnzen. Er koͤnnte ſelbſt 3) der Strenge nach ſich der Pri- vatguͤter des Fuͤrſten und der Unterthanen ſo weit es ſeine Genugthuung erfordert bemaͤchtigen b). Allein ſchon laͤngſt war in Landkriegen eingefuͤhret, daß nicht nur dem Unter- than ſein unbewegliches Eigenthum verbleibe, ſondern daß auch (mit Ausnahme der dem Widerſtand leiſtenden Feinde entriſſenen Beute, welche dem Sieger zufaͤllt,) die beweg- lichen Privatguͤter des Fuͤrſten c) inſonderheit aber der Un- terthanen von der angedroheten Pluͤnderung und Verhee- rung durch Bezahlung der von dem Feinde oft wiederho- let ausgeſchriebenen Brandſchatzung an Geld und Natura- lien verſchonet blieben d), und daß nachmahls dasjenige was der Feind ſich außerdem liefern laͤßt frey gekauft und bezahlet werden muͤſſe e); nur daß Kriegsfuhren unentgelt- lich gefordert werden koͤnnen, und auch Fouragirungen fuͤr erlaubt angeſehn werden. Und wenn ſchon 4) das ſtrenge aͤußere Voͤlkerrecht auch die Pluͤnderung und Verheerung der feindlichen Guͤter in ſehr ausgebreitetem Maaße zulaͤßt, ſo erkennen doch die civiliſirten Voͤlker Europens, daß beides nach den Ge- ſetzen des Kriegs dem Feinde nicht der Regel nach, ſon- dern nur in den ausgenommenen Faͤllen erlaubt ſey, wenn entweder 1) von ſolchen Guͤtern die Rede iſt deren man ſich nicht bemaͤchtigen kann, ohne ſie zu zerſtoͤren, und deren Beſitz

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/342>, abgerufen am 23.11.2024.