Fünftes Buch. Von den persönlichen und Familien-Rechten der Souveraine.
§. 160. Allgemeine Anmerkung.
Wie die vielfältigen Familien-Verbindungen zwischen den christlichen Europäischen Souverainen, von welchen so manche entweder von einem gemeinsamen Stammvater ent- sprungen, oder doch durch Heyraten miteinander verwandt und verschwägert sind, am mehresten dazu beygetragen ha- ben, daß sich die Europäischen Regenten überhaupt gleich- sam als eine Familie ansehn, so hat die Aehnlichkeit der Sitten, der Geschmack an Luxus und Pracht, der Wunsch für gesittet und freundschaftlich gesinnt geachtet zu werden, zu mancherley Höflichkeits-, Freundschafts-, oder Achtungs- Bezeugungen Anlaß gegeben, welche die Souveraine und unter diesen vorzüglich die Familien-Höfe in ihren per- sönlichen Verhältnissen an den Tag zu legen pflegen; und wenn schon die allerwenigsten derselben auf Verträge, die mehresten auf bloße Regeln des Wohlstandes beruhen, und mehr die Person der Fürsten, als ihre Staaten betreffen, so scheint es doch, daß man in dem positiven Völkerrecht sie nicht unberührt lassen dürfe, zumahl manche derselben nicht nur in Friedenszeiten oft sorgfältiger als die heilig- sten Verträge, sondern selbst mitten im Kriege nach dem Grundsatz beobachtet werden, daß der Krieg nur die Staa- ten die ihn führen entzweye, und auf die persönlichen Ge- sinnungen der Souveraine keinen Einfluß habe a).
a) Wie oft persönliche Zwistigkeiten, persönlicher Haß und Abnei- gung der Fürsten in Europa Kriege veranlaßt, oder verlängert
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Fuͤnftes Buch. Von den perſoͤnlichen und Familien-Rechten der Souveraine.
§. 160. Allgemeine Anmerkung.
Wie die vielfaͤltigen Familien-Verbindungen zwiſchen den chriſtlichen Europaͤiſchen Souverainen, von welchen ſo manche entweder von einem gemeinſamen Stammvater ent- ſprungen, oder doch durch Heyraten miteinander verwandt und verſchwaͤgert ſind, am mehreſten dazu beygetragen ha- ben, daß ſich die Europaͤiſchen Regenten uͤberhaupt gleich- ſam als eine Familie anſehn, ſo hat die Aehnlichkeit der Sitten, der Geſchmack an Luxus und Pracht, der Wunſch fuͤr geſittet und freundſchaftlich geſinnt geachtet zu werden, zu mancherley Hoͤflichkeits-, Freundſchafts-, oder Achtungs- Bezeugungen Anlaß gegeben, welche die Souveraine und unter dieſen vorzuͤglich die Familien-Hoͤfe in ihren per- ſoͤnlichen Verhaͤltniſſen an den Tag zu legen pflegen; und wenn ſchon die allerwenigſten derſelben auf Vertraͤge, die mehreſten auf bloße Regeln des Wohlſtandes beruhen, und mehr die Perſon der Fuͤrſten, als ihre Staaten betreffen, ſo ſcheint es doch, daß man in dem poſitiven Voͤlkerrecht ſie nicht unberuͤhrt laſſen duͤrfe, zumahl manche derſelben nicht nur in Friedenszeiten oft ſorgfaͤltiger als die heilig- ſten Vertraͤge, ſondern ſelbſt mitten im Kriege nach dem Grundſatz beobachtet werden, daß der Krieg nur die Staa- ten die ihn fuͤhren entzweye, und auf die perſoͤnlichen Ge- ſinnungen der Souveraine keinen Einfluß habe a).
a) Wie oft perſoͤnliche Zwiſtigkeiten, perſoͤnlicher Haß und Abnei- gung der Fuͤrſten in Europa Kriege veranlaßt, oder verlaͤngert
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Fuͤnftes Buch.
Von den perſoͤnlichen und Familien-Rechten
der Souveraine.
§. 160.
Allgemeine Anmerkung.
Wie die vielfaͤltigen Familien-Verbindungen zwiſchen
den chriſtlichen Europaͤiſchen Souverainen, von welchen ſo
manche entweder von einem gemeinſamen Stammvater ent-
ſprungen, oder doch durch Heyraten miteinander verwandt
und verſchwaͤgert ſind, am mehreſten dazu beygetragen ha-
ben, daß ſich die Europaͤiſchen Regenten uͤberhaupt gleich-
ſam als eine Familie anſehn, ſo hat die Aehnlichkeit der
Sitten, der Geſchmack an Luxus und Pracht, der Wunſch
fuͤr geſittet und freundſchaftlich geſinnt geachtet zu werden,
zu mancherley Hoͤflichkeits-, Freundſchafts-, oder Achtungs-
Bezeugungen Anlaß gegeben, welche die Souveraine und
unter dieſen vorzuͤglich die Familien-Hoͤfe in ihren per-
ſoͤnlichen Verhaͤltniſſen an den Tag zu legen pflegen; und
wenn ſchon die allerwenigſten derſelben auf Vertraͤge, die
mehreſten auf bloße Regeln des Wohlſtandes beruhen, und
mehr die Perſon der Fuͤrſten, als ihre Staaten betreffen,
ſo ſcheint es doch, daß man in dem poſitiven Voͤlkerrecht
ſie nicht unberuͤhrt laſſen duͤrfe, zumahl manche derſelben
nicht nur in Friedenszeiten oft ſorgfaͤltiger als die heilig-
ſten Vertraͤge, ſondern ſelbſt mitten im Kriege nach dem
Grundſatz beobachtet werden, daß der Krieg nur die Staa-
ten die ihn fuͤhren entzweye, und auf die perſoͤnlichen Ge-
ſinnungen der Souveraine keinen Einfluß habe a).
a⁾ Wie oft perſoͤnliche Zwiſtigkeiten, perſoͤnlicher Haß und Abnei-
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habe,
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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/223>, abgerufen am 17.02.2025.
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