Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Anhang etc. Siebenter Abschnitt. Anmerkungen
seyn? (Zu was für gegentheiligen Meinungen ein aus dem
Aufhaltungsproceß erborgter unrichtiger Grundbaß Anlaß ge-
ben kann!) Bey Fig. 114. stehet ein Quartquintenaccord,
für welchen der Quartsextenaccord gebrauchet werden kann.
Man wird bey Fig. 115. sehen, wie die Sexte aus dem Quart-
sextenaccord frey eintritt, und nicht auf die Quinte herab, son-
dern aufwärts in die Septime geht. Bey Fig. 116. ist diese
Sexte verdoppelt worden, und ich glaube, daß wider diesen
Gebrauch nicht das geringste eingewendet werden kann.

§. 324.

Seite 15. "Der consonirende Quartsextenaccord ver-
"trägt oft die kleine Terz des Baßtons neben sich wie in dem
"Exempel bey Fig. 117. Bey dem dissonirenden Quartsex-
"tenaccord findet diese Terz niemals statt.

Anmerkung Der auf die Art, wie in dem vorigen Exem-
pel, anstatt des Terzquartenaccords gebrauchte Quartsextenac-
cord klinget, wie schon oben gesaget worden, jung oder leyer-
haft, und kann nur im galanten Styl auf kurzen Noten in
geschwinder Bewegung, aber sonst nirgends gestattet werden.
Wenn der Jnterpolirbaß des Hrn. K. von einigem Nutzen ist,
so kann er allhier gebrauchet, und anstatt des harmonischen
Dreyklangs allezeit der Septimenaccord in den Grundbaß ge-
stellet werden, doch mit der Bedingung, daß vorläufig im
Generalbaß die Signatur abgeändert, und der Quartsexten-
accord in einen Terzquartenaccord verwandelt werde. Jst es
nicht seltsam, daß der Hr. Verfasser Seite 51 und 52 der
Grundsätze einen Dreyklang c e g c ohne Ursach in einen Quint-
sextenaccord umschaffen will, und allhier, wo die Umschaf-
fung eines Quartsextenaccords in einen Terzquartenaccord so
nöthig ist, solche aufs ernstliche zu empfehlen ermangelt? --
Epiphonematis loco schliesset derselbe seine Lehre von der
Quarte triumphirend mit folgenden Worten: "Und damit wäre
"des ewigen Streitens, ob die Quarte con- oder dissonirend,
"ob sie bald eine Quarte, bald eine Undecime sey, worüber so
"viele Federkriege mit unaussprechlicher Lieblosigkeit ge-
"führet, und dennoch nichts entschieden worden, end-
"lich einmal ein Ende gemacht."
Die Quarte in dem
Quartsextenaccord ist soviel ich weiß, von keinem Theoretiker

jemals

Anhang ꝛc. Siebenter Abſchnitt. Anmerkungen
ſeyn? (Zu was fuͤr gegentheiligen Meinungen ein aus dem
Aufhaltungsproceß erborgter unrichtiger Grundbaß Anlaß ge-
ben kann!) Bey Fig. 114. ſtehet ein Quartquintenaccord,
fuͤr welchen der Quartſextenaccord gebrauchet werden kann.
Man wird bey Fig. 115. ſehen, wie die Sexte aus dem Quart-
ſextenaccord frey eintritt, und nicht auf die Quinte herab, ſon-
dern aufwaͤrts in die Septime geht. Bey Fig. 116. iſt dieſe
Sexte verdoppelt worden, und ich glaube, daß wider dieſen
Gebrauch nicht das geringſte eingewendet werden kann.

§. 324.

Seite 15. „Der conſonirende Quartſextenaccord ver-
„traͤgt oft die kleine Terz des Baßtons neben ſich wie in dem
„Exempel bey Fig. 117. Bey dem diſſonirenden Quartſex-
„tenaccord findet dieſe Terz niemals ſtatt.

Anmerkung Der auf die Art, wie in dem vorigen Exem-
pel, anſtatt des Terzquartenaccords gebrauchte Quartſextenac-
cord klinget, wie ſchon oben geſaget worden, jung oder leyer-
haft, und kann nur im galanten Styl auf kurzen Noten in
geſchwinder Bewegung, aber ſonſt nirgends geſtattet werden.
Wenn der Jnterpolirbaß des Hrn. K. von einigem Nutzen iſt,
ſo kann er allhier gebrauchet, und anſtatt des harmoniſchen
Dreyklangs allezeit der Septimenaccord in den Grundbaß ge-
ſtellet werden, doch mit der Bedingung, daß vorlaͤufig im
Generalbaß die Signatur abgeaͤndert, und der Quartſexten-
accord in einen Terzquartenaccord verwandelt werde. Jſt es
nicht ſeltſam, daß der Hr. Verfaſſer Seite 51 und 52 der
Grundſaͤtze einen Dreyklang c e g c ohne Urſach in einen Quint-
ſextenaccord umſchaffen will, und allhier, wo die Umſchaf-
fung eines Quartſextenaccords in einen Terzquartenaccord ſo
noͤthig iſt, ſolche aufs ernſtliche zu empfehlen ermangelt? —
Epiphonematis loco ſchlieſſet derſelbe ſeine Lehre von der
Quarte triumphirend mit folgenden Worten: „Und damit waͤre
„des ewigen Streitens, ob die Quarte con- oder diſſonirend,
„ob ſie bald eine Quarte, bald eine Undecime ſey, woruͤber ſo
„viele Federkriege mit unausſprechlicher Liebloſigkeit ge-
„fuͤhret, und dennoch nichts entſchieden worden, end-
„lich einmal ein Ende gemacht.“
Die Quarte in dem
Quartſextenaccord iſt ſoviel ich weiß, von keinem Theoretiker

jemals
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0320" n="300"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anhang &#xA75B;c. Siebenter Ab&#x017F;chnitt. Anmerkungen</hi></fw><lb/>
&#x017F;eyn? (Zu was fu&#x0364;r gegentheiligen Meinungen ein aus dem<lb/>
Aufhaltungsproceß erborgter unrichtiger Grundbaß Anlaß ge-<lb/>
ben kann!) Bey Fig. 114. &#x017F;tehet ein Quartquintenaccord,<lb/>
fu&#x0364;r welchen der Quart&#x017F;extenaccord gebrauchet werden kann.<lb/>
Man wird bey Fig. 115. &#x017F;ehen, wie die <hi rendition="#fr">Sexte</hi> aus dem Quart-<lb/>
&#x017F;extenaccord frey eintritt, und nicht auf die Quinte herab, &#x017F;on-<lb/>
dern aufwa&#x0364;rts in die Septime geht. Bey Fig. 116. i&#x017F;t die&#x017F;e<lb/><hi rendition="#fr">Sexte</hi> verdoppelt worden, und ich glaube, daß wider die&#x017F;en<lb/>
Gebrauch nicht das gering&#x017F;te eingewendet werden kann.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 324.</head><lb/>
              <p><hi rendition="#fr">Seite</hi> 15. &#x201E;Der con&#x017F;onirende Quart&#x017F;extenaccord ver-<lb/>
&#x201E;tra&#x0364;gt oft die kleine Terz des Baßtons neben &#x017F;ich wie in dem<lb/>
&#x201E;Exempel bey Fig. 117. Bey dem di&#x017F;&#x017F;onirenden Quart&#x017F;ex-<lb/>
&#x201E;tenaccord findet die&#x017F;e Terz niemals &#x017F;tatt.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#fr">Anmerkung</hi> Der auf die Art, wie in dem vorigen Exem-<lb/>
pel, an&#x017F;tatt des Terzquartenaccords gebrauchte Quart&#x017F;extenac-<lb/>
cord klinget, wie &#x017F;chon oben ge&#x017F;aget worden, jung oder leyer-<lb/>
haft, und kann nur im galanten Styl auf kurzen Noten in<lb/>
ge&#x017F;chwinder Bewegung, aber &#x017F;on&#x017F;t nirgends ge&#x017F;tattet werden.<lb/>
Wenn der Jnterpolirbaß des Hrn. K. von einigem Nutzen i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o kann er allhier gebrauchet, und an&#x017F;tatt des harmoni&#x017F;chen<lb/>
Dreyklangs allezeit der Septimenaccord in den Grundbaß ge-<lb/>
&#x017F;tellet werden, doch mit der Bedingung, daß vorla&#x0364;ufig im<lb/>
Generalbaß die Signatur abgea&#x0364;ndert, und der Quart&#x017F;exten-<lb/>
accord in einen Terzquartenaccord verwandelt werde. J&#x017F;t es<lb/>
nicht &#x017F;elt&#x017F;am, daß der Hr. Verfa&#x017F;&#x017F;er Seite 51 und 52 der<lb/>
Grund&#x017F;a&#x0364;tze einen Dreyklang <hi rendition="#aq">c e g c</hi> ohne Ur&#x017F;ach in einen Quint-<lb/>
&#x017F;extenaccord um&#x017F;chaffen will, und allhier, wo die Um&#x017F;chaf-<lb/>
fung eines Quart&#x017F;extenaccords in einen Terzquartenaccord &#x017F;o<lb/>
no&#x0364;thig i&#x017F;t, &#x017F;olche aufs ern&#x017F;tliche zu empfehlen ermangelt? &#x2014;<lb/><hi rendition="#aq">Epiphonematis loco</hi> &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;et der&#x017F;elbe &#x017F;eine Lehre von der<lb/>
Quarte triumphirend mit folgenden Worten: &#x201E;Und damit wa&#x0364;re<lb/>
&#x201E;des ewigen Streitens, ob die Quarte con- oder di&#x017F;&#x017F;onirend,<lb/>
&#x201E;ob &#x017F;ie bald eine Quarte, bald eine Undecime &#x017F;ey, woru&#x0364;ber &#x017F;o<lb/>
&#x201E;viele Federkriege <hi rendition="#fr">mit unaus&#x017F;prechlicher Lieblo&#x017F;igkeit ge-<lb/>
&#x201E;fu&#x0364;hret, und dennoch nichts ent&#x017F;chieden worden, end-<lb/>
&#x201E;lich einmal ein Ende gemacht.&#x201C;</hi> Die Quarte in dem<lb/>
Quart&#x017F;extenaccord i&#x017F;t &#x017F;oviel ich weiß, von keinem Theoretiker<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">jemals</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0320] Anhang ꝛc. Siebenter Abſchnitt. Anmerkungen ſeyn? (Zu was fuͤr gegentheiligen Meinungen ein aus dem Aufhaltungsproceß erborgter unrichtiger Grundbaß Anlaß ge- ben kann!) Bey Fig. 114. ſtehet ein Quartquintenaccord, fuͤr welchen der Quartſextenaccord gebrauchet werden kann. Man wird bey Fig. 115. ſehen, wie die Sexte aus dem Quart- ſextenaccord frey eintritt, und nicht auf die Quinte herab, ſon- dern aufwaͤrts in die Septime geht. Bey Fig. 116. iſt dieſe Sexte verdoppelt worden, und ich glaube, daß wider dieſen Gebrauch nicht das geringſte eingewendet werden kann. §. 324. Seite 15. „Der conſonirende Quartſextenaccord ver- „traͤgt oft die kleine Terz des Baßtons neben ſich wie in dem „Exempel bey Fig. 117. Bey dem diſſonirenden Quartſex- „tenaccord findet dieſe Terz niemals ſtatt. Anmerkung Der auf die Art, wie in dem vorigen Exem- pel, anſtatt des Terzquartenaccords gebrauchte Quartſextenac- cord klinget, wie ſchon oben geſaget worden, jung oder leyer- haft, und kann nur im galanten Styl auf kurzen Noten in geſchwinder Bewegung, aber ſonſt nirgends geſtattet werden. Wenn der Jnterpolirbaß des Hrn. K. von einigem Nutzen iſt, ſo kann er allhier gebrauchet, und anſtatt des harmoniſchen Dreyklangs allezeit der Septimenaccord in den Grundbaß ge- ſtellet werden, doch mit der Bedingung, daß vorlaͤufig im Generalbaß die Signatur abgeaͤndert, und der Quartſexten- accord in einen Terzquartenaccord verwandelt werde. Jſt es nicht ſeltſam, daß der Hr. Verfaſſer Seite 51 und 52 der Grundſaͤtze einen Dreyklang c e g c ohne Urſach in einen Quint- ſextenaccord umſchaffen will, und allhier, wo die Umſchaf- fung eines Quartſextenaccords in einen Terzquartenaccord ſo noͤthig iſt, ſolche aufs ernſtliche zu empfehlen ermangelt? — Epiphonematis loco ſchlieſſet derſelbe ſeine Lehre von der Quarte triumphirend mit folgenden Worten: „Und damit waͤre „des ewigen Streitens, ob die Quarte con- oder diſſonirend, „ob ſie bald eine Quarte, bald eine Undecime ſey, woruͤber ſo „viele Federkriege mit unausſprechlicher Liebloſigkeit ge- „fuͤhret, und dennoch nichts entſchieden worden, end- „lich einmal ein Ende gemacht.“ Die Quarte in dem Quartſextenaccord iſt ſoviel ich weiß, von keinem Theoretiker jemals

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/320
Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/320>, abgerufen am 15.05.2024.