Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Kurzer Begriff der Lehre vom Grundbaß.
g, b aus den beyden Dreyklängen c, e, g und e, g, b
besteht.

§. 261.

Jch habe gesagt, daß der Dreyklang und Septimenaccord
die Grundaccorde aller nur möglichen Musik sind, und die
Ursach ist, weil die Octave die Gränze aller Töne und
Jntervalle ist,
und folglich ausserhalb dem Umfang der Octave
kein Accord gedacht werden kann, welcher sich nicht auf einen
innerhalb der Octave enthaltnen Grundaccord zurückführen
liesse, wie man in der Folge sehen wird. Da unter den die
Octave übersteigenden Accorden verschiedne existiren, welche
das Kennzeichen eines Grundaccords haben, nemlich daß sie
terzenweise disponiret sind, z. E. der Nonenaccord c, e, gis,
h, d,
so ist zu merken, daß, da solche Accorde nur dieses ein-
zige Kennzeichen, aber nicht zugleich das andere haben, ver-
mittelst wessen alle Grundaccorde kleiner als die Octave seyn
müssen, sie zwar als Grundaccorde, aber nur vom zweyten
Rang,
angesehen werden können. Wenn man also schlecht-
weg von Grundaccorden oder bestimmt von Grundaccor-
den ersten Rangs
spricht, so verstehet man allezeit entweder
den Dreyklang oder Septimenaccord, als auf welche alle die
Octave übersteigenden Accorde zurücke geführet werden können.
Diese leztern, d. i. die den Umfang der Octave übersteigenden
Accorde aber sind nur in soweit Grundaccorde, als sie umge-
kehrt
werden können; denn ohne diesen Umstand brauchten sie
gar nicht durch die Benennung von Grundaccorden characte-
risiret zu werden. Die Folge wird dieses deutlicher machen.
Jn so ferne man den Dreyklang und Septimenaccord einfa-
che Accorde
nennet, ohne darauf Acht zu haben, daß der
Septimenaccord aus zwey Dreyklängen besteht, können die
den Umfang der Octave übersteigenden Accorde auch zusam-
mengesetzte Accorde
genennet werden, so wie solches in der
Folge geschehen wird.

§. 262.

Wenn die harmonische Substanz eines Tonstücks in einer
Folge von vermischten Accorden dargeleget wird, deren Be-

schaffenheit
Q 3

Kurzer Begriff der Lehre vom Grundbaß.
g, b aus den beyden Dreyklaͤngen c, e, g und e, g, b
beſteht.

§. 261.

Jch habe geſagt, daß der Dreyklang und Septimenaccord
die Grundaccorde aller nur moͤglichen Muſik ſind, und die
Urſach iſt, weil die Octave die Graͤnze aller Toͤne und
Jntervalle iſt,
und folglich auſſerhalb dem Umfang der Octave
kein Accord gedacht werden kann, welcher ſich nicht auf einen
innerhalb der Octave enthaltnen Grundaccord zuruͤckfuͤhren
lieſſe, wie man in der Folge ſehen wird. Da unter den die
Octave uͤberſteigenden Accorden verſchiedne exiſtiren, welche
das Kennzeichen eines Grundaccords haben, nemlich daß ſie
terzenweiſe diſponiret ſind, z. E. der Nonenaccord c, e, gis,
h, d,
ſo iſt zu merken, daß, da ſolche Accorde nur dieſes ein-
zige Kennzeichen, aber nicht zugleich das andere haben, ver-
mittelſt weſſen alle Grundaccorde kleiner als die Octave ſeyn
muͤſſen, ſie zwar als Grundaccorde, aber nur vom zweyten
Rang,
angeſehen werden koͤnnen. Wenn man alſo ſchlecht-
weg von Grundaccorden oder beſtimmt von Grundaccor-
den erſten Rangs
ſpricht, ſo verſtehet man allezeit entweder
den Dreyklang oder Septimenaccord, als auf welche alle die
Octave uͤberſteigenden Accorde zuruͤcke gefuͤhret werden koͤnnen.
Dieſe leztern, d. i. die den Umfang der Octave uͤberſteigenden
Accorde aber ſind nur in ſoweit Grundaccorde, als ſie umge-
kehrt
werden koͤnnen; denn ohne dieſen Umſtand brauchten ſie
gar nicht durch die Benennung von Grundaccorden characte-
riſiret zu werden. Die Folge wird dieſes deutlicher machen.
Jn ſo ferne man den Dreyklang und Septimenaccord einfa-
che Accorde
nennet, ohne darauf Acht zu haben, daß der
Septimenaccord aus zwey Dreyklaͤngen beſteht, koͤnnen die
den Umfang der Octave uͤberſteigenden Accorde auch zuſam-
mengeſetzte Accorde
genennet werden, ſo wie ſolches in der
Folge geſchehen wird.

§. 262.

Wenn die harmoniſche Subſtanz eines Tonſtuͤcks in einer
Folge von vermiſchten Accorden dargeleget wird, deren Be-

ſchaffenheit
Q 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0265" n="245"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kurzer Begriff der Lehre vom Grundbaß.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">g, b</hi> aus den beyden Dreykla&#x0364;ngen <hi rendition="#aq">c, e, g</hi> und <hi rendition="#aq">e, g, b</hi><lb/>
be&#x017F;teht.</p>
              </div>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 261.</head><lb/>
              <p>Jch habe ge&#x017F;agt, daß der Dreyklang und Septimenaccord<lb/>
die Grundaccorde aller nur mo&#x0364;glichen Mu&#x017F;ik &#x017F;ind, und die<lb/>
Ur&#x017F;ach i&#x017F;t, <hi rendition="#fr">weil die Octave die Gra&#x0364;nze aller To&#x0364;ne und<lb/>
Jntervalle i&#x017F;t,</hi> und folglich au&#x017F;&#x017F;erhalb dem Umfang der Octave<lb/>
kein Accord gedacht werden kann, welcher &#x017F;ich nicht auf einen<lb/>
innerhalb der Octave enthaltnen Grundaccord zuru&#x0364;ckfu&#x0364;hren<lb/>
lie&#x017F;&#x017F;e, wie man in der Folge &#x017F;ehen wird. Da unter den die<lb/>
Octave u&#x0364;ber&#x017F;teigenden Accorden ver&#x017F;chiedne exi&#x017F;tiren, welche<lb/>
das Kennzeichen eines Grundaccords haben, nemlich daß &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#fr">terzenwei&#x017F;e</hi> di&#x017F;poniret &#x017F;ind, z. E. der Nonenaccord <hi rendition="#aq">c, e, gis,<lb/>
h, d,</hi> &#x017F;o i&#x017F;t zu merken, daß, da &#x017F;olche Accorde nur die&#x017F;es ein-<lb/>
zige Kennzeichen, aber nicht zugleich das andere haben, ver-<lb/>
mittel&#x017F;t we&#x017F;&#x017F;en alle Grundaccorde kleiner als die Octave &#x017F;eyn<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ie zwar als Grundaccorde, aber nur <hi rendition="#fr">vom zweyten<lb/>
Rang,</hi> ange&#x017F;ehen werden ko&#x0364;nnen. Wenn man al&#x017F;o &#x017F;chlecht-<lb/>
weg von Grundaccorden oder be&#x017F;timmt von <hi rendition="#fr">Grundaccor-<lb/>
den er&#x017F;ten Rangs</hi> &#x017F;pricht, &#x017F;o ver&#x017F;tehet man allezeit entweder<lb/>
den Dreyklang oder Septimenaccord, als auf welche alle die<lb/>
Octave u&#x0364;ber&#x017F;teigenden Accorde zuru&#x0364;cke gefu&#x0364;hret werden ko&#x0364;nnen.<lb/>
Die&#x017F;e leztern, d. i. die den Umfang der Octave u&#x0364;ber&#x017F;teigenden<lb/>
Accorde aber &#x017F;ind nur in &#x017F;oweit Grundaccorde, als &#x017F;ie <hi rendition="#fr">umge-<lb/>
kehrt</hi> werden ko&#x0364;nnen; denn ohne die&#x017F;en Um&#x017F;tand brauchten &#x017F;ie<lb/>
gar nicht durch die Benennung von Grundaccorden characte-<lb/>
ri&#x017F;iret zu werden. Die Folge wird die&#x017F;es deutlicher machen.<lb/>
Jn &#x017F;o ferne man den Dreyklang und Septimenaccord <hi rendition="#fr">einfa-<lb/>
che Accorde</hi> nennet, ohne darauf Acht zu haben, daß der<lb/>
Septimenaccord aus zwey Dreykla&#x0364;ngen be&#x017F;teht, ko&#x0364;nnen die<lb/>
den Umfang der Octave u&#x0364;ber&#x017F;teigenden Accorde auch <hi rendition="#fr">zu&#x017F;am-<lb/>
menge&#x017F;etzte Accorde</hi> genennet werden, &#x017F;o wie &#x017F;olches in der<lb/>
Folge ge&#x017F;chehen wird.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 262.</head><lb/>
              <p>Wenn die harmoni&#x017F;che Sub&#x017F;tanz eines Ton&#x017F;tu&#x0364;cks in einer<lb/>
Folge von vermi&#x017F;chten Accorden dargeleget wird, deren Be-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chaffenheit</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0265] Kurzer Begriff der Lehre vom Grundbaß. g, b aus den beyden Dreyklaͤngen c, e, g und e, g, b beſteht. §. 261. Jch habe geſagt, daß der Dreyklang und Septimenaccord die Grundaccorde aller nur moͤglichen Muſik ſind, und die Urſach iſt, weil die Octave die Graͤnze aller Toͤne und Jntervalle iſt, und folglich auſſerhalb dem Umfang der Octave kein Accord gedacht werden kann, welcher ſich nicht auf einen innerhalb der Octave enthaltnen Grundaccord zuruͤckfuͤhren lieſſe, wie man in der Folge ſehen wird. Da unter den die Octave uͤberſteigenden Accorden verſchiedne exiſtiren, welche das Kennzeichen eines Grundaccords haben, nemlich daß ſie terzenweiſe diſponiret ſind, z. E. der Nonenaccord c, e, gis, h, d, ſo iſt zu merken, daß, da ſolche Accorde nur dieſes ein- zige Kennzeichen, aber nicht zugleich das andere haben, ver- mittelſt weſſen alle Grundaccorde kleiner als die Octave ſeyn muͤſſen, ſie zwar als Grundaccorde, aber nur vom zweyten Rang, angeſehen werden koͤnnen. Wenn man alſo ſchlecht- weg von Grundaccorden oder beſtimmt von Grundaccor- den erſten Rangs ſpricht, ſo verſtehet man allezeit entweder den Dreyklang oder Septimenaccord, als auf welche alle die Octave uͤberſteigenden Accorde zuruͤcke gefuͤhret werden koͤnnen. Dieſe leztern, d. i. die den Umfang der Octave uͤberſteigenden Accorde aber ſind nur in ſoweit Grundaccorde, als ſie umge- kehrt werden koͤnnen; denn ohne dieſen Umſtand brauchten ſie gar nicht durch die Benennung von Grundaccorden characte- riſiret zu werden. Die Folge wird dieſes deutlicher machen. Jn ſo ferne man den Dreyklang und Septimenaccord einfa- che Accorde nennet, ohne darauf Acht zu haben, daß der Septimenaccord aus zwey Dreyklaͤngen beſteht, koͤnnen die den Umfang der Octave uͤberſteigenden Accorde auch zuſam- mengeſetzte Accorde genennet werden, ſo wie ſolches in der Folge geſchehen wird. §. 262. Wenn die harmoniſche Subſtanz eines Tonſtuͤcks in einer Folge von vermiſchten Accorden dargeleget wird, deren Be- ſchaffenheit Q 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/265
Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/265>, abgerufen am 28.09.2024.