Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
Anhang etc. Einleitung. Von dem Unterscheid
"monisten unter uns gehabt, deren Art mit der Harmo-
"nie umzugehen gewiß nicht nach Rameaus Lehrsätzen zu
"erklären war. Man gieng hierinn so weit, daß man lie-
"ber einem Bach (Joh. Seb.) die Gründlichkeit seines
"Verfahrens, in Ansehung der Behandlung und Fort-
"schreitung der Accorde absprechen *), als zugestehen
"wollte, daß der Franzose habe fehlen können. Wer
"sich mit den Rameauschen Lehrsätzen bekannt gemacht
"hat, wird in der Folge dieses Werks bald bemerken,
"wie sehr die meinigen davon abgehen, und welche von
"beyden die Entstehung und Behandlung der Accorde
"am natürlichsten und einfachsten erklären."
g) Ebendaselbst, Seite 23, §. 13.
"Wer eine natürliche Fortschreitung der Harmonie
"von einer unnatürlichen zu unterscheiden im Stande
"ist; und dieses wird bey denen vorausgesetzt, die
"die Auflösung aller Accorde, in ihre wahre Grundaccor-
"de" (nach Art des Hrn. Kirnbergers,) "verstehen
"wollen etc."
d) Ebendaselbst, Seite 53, §. 23.
"Wir glauben uns auf die Natur der Sache zu grün-
"den, wenn wir behaupten, daß diese (unsere) Grund-
"sätze von der Harmonie nicht allein die wahren,
"sondern auch die einzigen sind,
nach welchen etc.
e) Ebendaselbst, Seite 43.
"Wie unnöthig ist es doch, das System der Harmo-
"nie, das auf so simpeln Stützen ruht, durch so viele
"groteske Massen zu beschweren, bloß damit man bey
"schwachen Köpfen für gelehrt erscheine, und wohl gar
"für den Erfinder der Harmonie gehalten werde, die
"doch lange vorher schon erfunden und empfunden, aber
"nicht so verunstaltet war. Dem alten Bach (Joh.
"Seb.) war gewiß keine Tiefe der Harmonie verbor-
"gen;
*) Wie die Rameausche Lehre vom Grundbaß mit den musikalischen Aus-
arbeitungen irgend eines Practikers, kleinen oder großen, in Collision
kommen könne, ist nicht wohl abzusehen. -- Die Anecdote, wenn sie
wahr ist, verdiente bekannt gemacht zu werden.
Anhang ꝛc. Einleitung. Von dem Unterſcheid
„moniſten unter uns gehabt, deren Art mit der Harmo-
„nie umzugehen gewiß nicht nach Rameaus Lehrſaͤtzen zu
„erklaͤren war. Man gieng hierinn ſo weit, daß man lie-
„ber einem Bach (Joh. Seb.) die Gruͤndlichkeit ſeines
„Verfahrens, in Anſehung der Behandlung und Fort-
„ſchreitung der Accorde abſprechen *), als zugeſtehen
„wollte, daß der Franzoſe habe fehlen koͤnnen. Wer
„ſich mit den Rameauſchen Lehrſaͤtzen bekannt gemacht
„hat, wird in der Folge dieſes Werks bald bemerken,
„wie ſehr die meinigen davon abgehen, und welche von
„beyden die Entſtehung und Behandlung der Accorde
„am natuͤrlichſten und einfachſten erklaͤren.‟
γ) Ebendaſelbſt, Seite 23, §. 13.
„Wer eine natuͤrliche Fortſchreitung der Harmonie
„von einer unnatuͤrlichen zu unterſcheiden im Stande
„iſt; und dieſes wird bey denen vorausgeſetzt, die
„die Aufloͤſung aller Accorde, in ihre wahre Grundaccor-
„de‟ (nach Art des Hrn. Kirnbergers,) „verſtehen
„wollen ꝛc.‟
δ) Ebendaſelbſt, Seite 53, §. 23.
„Wir glauben uns auf die Natur der Sache zu gruͤn-
„den, wenn wir behaupten, daß dieſe (unſere) Grund-
„ſaͤtze von der Harmonie nicht allein die wahren,
„ſondern auch die einzigen ſind,
nach welchen ꝛc.
ε) Ebendaſelbſt, Seite 43.
„Wie unnoͤthig iſt es doch, das Syſtem der Harmo-
„nie, das auf ſo ſimpeln Stuͤtzen ruht, durch ſo viele
groteske Maſſen zu beſchweren, bloß damit man bey
„ſchwachen Koͤpfen fuͤr gelehrt erſcheine, und wohl gar
„fuͤr den Erfinder der Harmonie gehalten werde, die
„doch lange vorher ſchon erfunden und empfunden, aber
„nicht ſo verunſtaltet war. Dem alten Bach (Joh.
„Seb.) war gewiß keine Tiefe der Harmonie verbor-
„gen;
*) Wie die Rameauſche Lehre vom Grundbaß mit den muſikaliſchen Aus-
arbeitungen irgend eines Practikers, kleinen oder großen, in Colliſion
kommen koͤnne, iſt nicht wohl abzuſehen. — Die Anecdote, wenn ſie
wahr iſt, verdiente bekannt gemacht zu werden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <list>
                <item><pb facs="#f0258" n="238"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anhang &#xA75B;c. Einleitung. Von dem Unter&#x017F;cheid</hi></fw><lb/>
&#x201E;moni&#x017F;ten unter uns gehabt, deren Art mit der Harmo-<lb/>
&#x201E;nie umzugehen gewiß nicht nach Rameaus Lehr&#x017F;a&#x0364;tzen zu<lb/>
&#x201E;erkla&#x0364;ren war. Man gieng hierinn &#x017F;o weit, daß man lie-<lb/>
&#x201E;ber einem <hi rendition="#fr">Bach</hi> (Joh. Seb.) die Gru&#x0364;ndlichkeit &#x017F;eines<lb/>
&#x201E;Verfahrens, in An&#x017F;ehung der Behandlung und Fort-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chreitung der Accorde ab&#x017F;prechen <note place="foot" n="*)">Wie die Rameau&#x017F;che Lehre vom Grundbaß mit den mu&#x017F;ikali&#x017F;chen Aus-<lb/>
arbeitungen irgend eines Practikers, kleinen oder großen, in Colli&#x017F;ion<lb/>
kommen ko&#x0364;nne, i&#x017F;t nicht wohl abzu&#x017F;ehen. &#x2014; Die Anecdote, wenn &#x017F;ie<lb/>
wahr i&#x017F;t, verdiente bekannt gemacht zu werden.</note>, als zuge&#x017F;tehen<lb/>
&#x201E;wollte, daß der Franzo&#x017F;e habe fehlen ko&#x0364;nnen. Wer<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich mit den Rameau&#x017F;chen Lehr&#x017F;a&#x0364;tzen bekannt gemacht<lb/>
&#x201E;hat, wird in der Folge die&#x017F;es Werks bald bemerken,<lb/>
&#x201E;wie &#x017F;ehr die <hi rendition="#fr">meinigen</hi> davon abgehen, und welche von<lb/>
&#x201E;beyden die Ent&#x017F;tehung und Behandlung der Accorde<lb/>
&#x201E;am natu&#x0364;rlich&#x017F;ten und einfach&#x017F;ten erkla&#x0364;ren.&#x201F;</item><lb/>
                <item>&#x03B3;) Ebenda&#x017F;elb&#x017F;t, Seite 23, §. 13.</item><lb/>
                <item>&#x201E;Wer eine natu&#x0364;rliche Fort&#x017F;chreitung der Harmonie<lb/>
&#x201E;von einer unnatu&#x0364;rlichen zu unter&#x017F;cheiden im Stande<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t; und <hi rendition="#fr">die&#x017F;es wird bey denen vorausge&#x017F;etzt,</hi> die<lb/>
&#x201E;die Auflo&#x0364;&#x017F;ung aller Accorde, in ihre wahre Grundaccor-<lb/>
&#x201E;de&#x201F; (nach Art des Hrn. Kirnbergers,) &#x201E;ver&#x017F;tehen<lb/>
&#x201E;wollen &#xA75B;c.&#x201F;</item><lb/>
                <item>&#x03B4;) Ebenda&#x017F;elb&#x017F;t, Seite 53, §. 23.</item><lb/>
                <item>&#x201E;Wir glauben uns auf die Natur der Sache zu gru&#x0364;n-<lb/>
&#x201E;den, wenn wir behaupten, daß <hi rendition="#fr">die&#x017F;e (un&#x017F;ere) Grund-<lb/>
&#x201E;&#x017F;a&#x0364;tze von der Harmonie nicht allein die wahren,<lb/>
&#x201E;&#x017F;ondern auch die einzigen &#x017F;ind,</hi> nach welchen &#xA75B;c.</item><lb/>
                <item>&#x03B5;) Ebenda&#x017F;elb&#x017F;t, Seite 43.</item><lb/>
                <item>&#x201E;Wie unno&#x0364;thig i&#x017F;t es doch, das Sy&#x017F;tem der Harmo-<lb/>
&#x201E;nie, das auf &#x017F;o &#x017F;impeln Stu&#x0364;tzen ruht, durch &#x017F;o viele<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#fr">groteske Ma&#x017F;&#x017F;en</hi> zu be&#x017F;chweren, bloß damit man bey<lb/>
&#x201E;&#x017F;chwachen Ko&#x0364;pfen fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">gelehrt</hi> er&#x017F;cheine, und wohl gar<lb/>
&#x201E;fu&#x0364;r den Erfinder der Harmonie gehalten werde, die<lb/>
&#x201E;doch lange vorher &#x017F;chon erfunden und empfunden, aber<lb/>
&#x201E;nicht &#x017F;o verun&#x017F;taltet war. Dem alten <hi rendition="#fr">Bach</hi> (Joh.<lb/>
&#x201E;Seb.) war gewiß keine Tiefe der Harmonie verbor-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;gen;</fw><lb/></item>
              </list>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0258] Anhang ꝛc. Einleitung. Von dem Unterſcheid „moniſten unter uns gehabt, deren Art mit der Harmo- „nie umzugehen gewiß nicht nach Rameaus Lehrſaͤtzen zu „erklaͤren war. Man gieng hierinn ſo weit, daß man lie- „ber einem Bach (Joh. Seb.) die Gruͤndlichkeit ſeines „Verfahrens, in Anſehung der Behandlung und Fort- „ſchreitung der Accorde abſprechen *), als zugeſtehen „wollte, daß der Franzoſe habe fehlen koͤnnen. Wer „ſich mit den Rameauſchen Lehrſaͤtzen bekannt gemacht „hat, wird in der Folge dieſes Werks bald bemerken, „wie ſehr die meinigen davon abgehen, und welche von „beyden die Entſtehung und Behandlung der Accorde „am natuͤrlichſten und einfachſten erklaͤren.‟ γ) Ebendaſelbſt, Seite 23, §. 13. „Wer eine natuͤrliche Fortſchreitung der Harmonie „von einer unnatuͤrlichen zu unterſcheiden im Stande „iſt; und dieſes wird bey denen vorausgeſetzt, die „die Aufloͤſung aller Accorde, in ihre wahre Grundaccor- „de‟ (nach Art des Hrn. Kirnbergers,) „verſtehen „wollen ꝛc.‟ δ) Ebendaſelbſt, Seite 53, §. 23. „Wir glauben uns auf die Natur der Sache zu gruͤn- „den, wenn wir behaupten, daß dieſe (unſere) Grund- „ſaͤtze von der Harmonie nicht allein die wahren, „ſondern auch die einzigen ſind, nach welchen ꝛc. ε) Ebendaſelbſt, Seite 43. „Wie unnoͤthig iſt es doch, das Syſtem der Harmo- „nie, das auf ſo ſimpeln Stuͤtzen ruht, durch ſo viele „groteske Maſſen zu beſchweren, bloß damit man bey „ſchwachen Koͤpfen fuͤr gelehrt erſcheine, und wohl gar „fuͤr den Erfinder der Harmonie gehalten werde, die „doch lange vorher ſchon erfunden und empfunden, aber „nicht ſo verunſtaltet war. Dem alten Bach (Joh. „Seb.) war gewiß keine Tiefe der Harmonie verbor- „gen; *) Wie die Rameauſche Lehre vom Grundbaß mit den muſikaliſchen Aus- arbeitungen irgend eines Practikers, kleinen oder großen, in Colliſion kommen koͤnne, iſt nicht wohl abzuſehen. — Die Anecdote, wenn ſie wahr iſt, verdiente bekannt gemacht zu werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/258
Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/258>, abgerufen am 22.11.2024.