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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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der Lehre des Hrn. Kirnberg. v. der ungleischschw. etc.
"so begreift jeder unparteyischer Beurtheiler, daß die Sache
"nicht möglich sey. Wollte man also diese Temperatur an-
"nehmen, so müßte bey jedem Clavier auch ein richtig ge-
"theiltes Monochord befindlich seyn, nach welchem man, so
"oft es nöthig ist, stimmen könnte."

Ferner: "Es ist unmöglich (Kunst des Satzes, Seite 11,)
"die gleichschwebende Temperatur ohne ein Monochord oder
"etwas das dessen. Stelle vertritt, zu stimmen. Durch das
"blosse Gehör können wohl consonirende Jntervalle rein ge-
"stimmet werden; aber dissonirende kann man nicht genau
"treffen."

§. 209.

Anmerkung über vorhergehendes erstes Argument.
Nachdem von dem Hrn. Lambert das etwas was die Stelle
des Monochords nicht allein vertreten, sondern an-
noch sicherer als dasselbe gebrauchet werden kann,
er-
funden worden ist, so fällt das von der Unbequemlichkeit der
gleichschwebenden Stimmung hergenommne Argument gänz-
lich weg. Jch beziehe mich auf dasjenige, was im achtzehnten
Abschnitt davon gesaget worden. Wir wollen aber den Fall se-
tzen, als wenn die Lambertsche Stimmungsmethode
nicht existirte, so ist ja die Anschaffung eines Monochords
nicht mit so vielen Kosten, und der Gebrauch desselben nicht
mit so vieler Mühe verbunden. Hätte der Liebhaber keines,
so könnte sich der Stimmmeister so gut damit versehen, als
mit andern Stimmgeräthschaften. Jch finde in dieser Forde-
rung nichts ungereimtes, wenn die Sache gleich noch nicht
Mode ist. Könnte der Stimmer nicht etwan selbst ein Mo-
nochord abtheilen, so dürfte er sich nur eines aus Lobenstein
vom Hrn. Sorge verschreiben, welcher sie sehr gut macht,
und um einen sehr billigen Preis verkauffet. Sollte aber bey
der ungleichschwebenden Temperatur, wenigstens bey der
zweyten des Hrn. Kirnberger,
ein richtig abgetheiltes
Monochord weniger nöthig seyn, als bey der gleichschwebenden?
Wir wissen, daß in selbiger die beyden Quinten d:a und a:e
einander arithmetisch gleich seyn sollen, und daß jede derselben
ungefähr sechsthalb Zwölftheil Comm. pyth. # schweben soll. Jch
behaupte, daß es leichter ist, und weniger Zeit erfordert, eine

Quin-

der Lehre des Hrn. Kirnberg. v. der ungleiſchſchw. ꝛc.
„ſo begreift jeder unparteyiſcher Beurtheiler, daß die Sache
„nicht moͤglich ſey. Wollte man alſo dieſe Temperatur an-
„nehmen, ſo muͤßte bey jedem Clavier auch ein richtig ge-
„theiltes Monochord befindlich ſeyn, nach welchem man, ſo
„oft es noͤthig iſt, ſtimmen koͤnnte.‟

Ferner: „Es iſt unmoͤglich (Kunſt des Satzes, Seite 11,)
„die gleichſchwebende Temperatur ohne ein Monochord oder
„etwas das deſſen. Stelle vertritt, zu ſtimmen. Durch das
„bloſſe Gehoͤr koͤnnen wohl conſonirende Jntervalle rein ge-
„ſtimmet werden; aber diſſonirende kann man nicht genau
„treffen.‟

§. 209.

Anmerkung uͤber vorhergehendes erſtes Argument.
Nachdem von dem Hrn. Lambert das etwas was die Stelle
des Monochords nicht allein vertreten, ſondern an-
noch ſicherer als daſſelbe gebrauchet werden kann,
er-
funden worden iſt, ſo faͤllt das von der Unbequemlichkeit der
gleichſchwebenden Stimmung hergenommne Argument gaͤnz-
lich weg. Jch beziehe mich auf dasjenige, was im achtzehnten
Abſchnitt davon geſaget worden. Wir wollen aber den Fall ſe-
tzen, als wenn die Lambertſche Stimmungsmethode
nicht exiſtirte, ſo iſt ja die Anſchaffung eines Monochords
nicht mit ſo vielen Koſten, und der Gebrauch deſſelben nicht
mit ſo vieler Muͤhe verbunden. Haͤtte der Liebhaber keines,
ſo koͤnnte ſich der Stimmmeiſter ſo gut damit verſehen, als
mit andern Stimmgeraͤthſchaften. Jch finde in dieſer Forde-
rung nichts ungereimtes, wenn die Sache gleich noch nicht
Mode iſt. Koͤnnte der Stimmer nicht etwan ſelbſt ein Mo-
nochord abtheilen, ſo duͤrfte er ſich nur eines aus Lobenſtein
vom Hrn. Sorge verſchreiben, welcher ſie ſehr gut macht,
und um einen ſehr billigen Preis verkauffet. Sollte aber bey
der ungleichſchwebenden Temperatur, wenigſtens bey der
zweyten des Hrn. Kirnberger,
ein richtig abgetheiltes
Monochord weniger noͤthig ſeyn, als bey der gleichſchwebenden?
Wir wiſſen, daß in ſelbiger die beyden Quinten d:a und a:e
einander arithmetiſch gleich ſeyn ſollen, und daß jede derſelben
ungefaͤhr ſechsthalb Zwoͤlftheil Com̃. pyth. # ſchweben ſoll. Jch
behaupte, daß es leichter iſt, und weniger Zeit erfordert, eine

Quin-
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[189/0209] der Lehre des Hrn. Kirnberg. v. der ungleiſchſchw. ꝛc. „ſo begreift jeder unparteyiſcher Beurtheiler, daß die Sache „nicht moͤglich ſey. Wollte man alſo dieſe Temperatur an- „nehmen, ſo muͤßte bey jedem Clavier auch ein richtig ge- „theiltes Monochord befindlich ſeyn, nach welchem man, ſo „oft es noͤthig iſt, ſtimmen koͤnnte.‟ Ferner: „Es iſt unmoͤglich (Kunſt des Satzes, Seite 11,) „die gleichſchwebende Temperatur ohne ein Monochord oder „etwas das deſſen. Stelle vertritt, zu ſtimmen. Durch das „bloſſe Gehoͤr koͤnnen wohl conſonirende Jntervalle rein ge- „ſtimmet werden; aber diſſonirende kann man nicht genau „treffen.‟ §. 209. Anmerkung uͤber vorhergehendes erſtes Argument. Nachdem von dem Hrn. Lambert das etwas was die Stelle des Monochords nicht allein vertreten, ſondern an- noch ſicherer als daſſelbe gebrauchet werden kann, er- funden worden iſt, ſo faͤllt das von der Unbequemlichkeit der gleichſchwebenden Stimmung hergenommne Argument gaͤnz- lich weg. Jch beziehe mich auf dasjenige, was im achtzehnten Abſchnitt davon geſaget worden. Wir wollen aber den Fall ſe- tzen, als wenn die Lambertſche Stimmungsmethode nicht exiſtirte, ſo iſt ja die Anſchaffung eines Monochords nicht mit ſo vielen Koſten, und der Gebrauch deſſelben nicht mit ſo vieler Muͤhe verbunden. Haͤtte der Liebhaber keines, ſo koͤnnte ſich der Stimmmeiſter ſo gut damit verſehen, als mit andern Stimmgeraͤthſchaften. Jch finde in dieſer Forde- rung nichts ungereimtes, wenn die Sache gleich noch nicht Mode iſt. Koͤnnte der Stimmer nicht etwan ſelbſt ein Mo- nochord abtheilen, ſo duͤrfte er ſich nur eines aus Lobenſtein vom Hrn. Sorge verſchreiben, welcher ſie ſehr gut macht, und um einen ſehr billigen Preis verkauffet. Sollte aber bey der ungleichſchwebenden Temperatur, wenigſtens bey der zweyten des Hrn. Kirnberger, ein richtig abgetheiltes Monochord weniger noͤthig ſeyn, als bey der gleichſchwebenden? Wir wiſſen, daß in ſelbiger die beyden Quinten d:a und a:e einander arithmetiſch gleich ſeyn ſollen, und daß jede derſelben ungefaͤhr ſechsthalb Zwoͤlftheil Com̃. pyth. # ſchweben ſoll. Jch behaupte, daß es leichter iſt, und weniger Zeit erfordert, eine Quin-

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/209>, abgerufen am 25.11.2024.