Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwanzigster Abschn. Von der Berechnungsart
Ueber K. So häßlich diese Temperatur ist, so sind den-
noch diejenigen Sorten dieser Classe noch häßlicher, wo das
Comma unter die beyden Quinten anders vertheilet wird, z. E.
durch 7, 5, oder 8, 4, oder 9, 3, oder 10, 2, oder gar 11, 1.
Ueber L. Das ist, nach dem Ausdruck des Hrn. Neid-
hardt, eine Temperatur ohne Temperatur.
§. 186.

Ungeachtet die Schwebung einer Quinte natürlicher Weise
absteigend seyn muß, weil zwölf Quinten in ihrem natürli-
chen Verhältniß nicht kleiner sondern größer als die Octave
sind: so giebt es dennoch auch Liebhaber von erhöhten Quin-
ten,
so sehr die Sache wider die Ordnung der Natur
läuft. Da indessen alle Arten der ungleichschwebenden Tem-
peratur, aus was für einer Classe solche sind, diesen Fehler
an sich haben, indem keine Quinte in selbigen verhältnißmäßig
temperirt ist, als welches nur die gleichschwebende Tempera-
tur allein leisten kann, so geschicht durch Zulassung einiger auf-
wärts schwebenden Quinten nichts anders, als daß eine irrige
Temperatur mit einer andern irrigen verwechselt wird.
Nächst diesem ist gewiß, daß eine nicht viel erhöhte Quin-
te erträglicher ist, als eine zu sehr erniedrigte Quinte.
Es kann also wohl unter gewissen Bedingungen eine und
andere aufwärts schwebende Quinte in einer ungleich-
schwebenden Temperatur zugelassen werden; wobey denn zu
merken ist, daß, da die Summe der absteigenden Schwe-
bungen eines Quintenzirkels allezeit zwölf seyn muß, solche
allezeit um so viele Schwebungen dieser Art zu vermehren ist,
als der Betrag der aufsteigenden Schwebungen ist. Z. E.
wenn von zwölf Quinten eine um ein Zwölftheil Comm.
pyth. aufwärts schwebet, so müssen eilf Quinten zusammen
dreyzehn Zwölftheil abwärts schweben. Die Bedingungen, un-
ter welchen eine erhöhte Quinte zugelassen werden kann, sind
übrigens:

1) daß, da in jeder Folge von vier Quinten die eine oder
andere Quinte um etwas erniedriget seyn muß, niemals
vier erhöhte Quinten hinter einander vorkommen können;
2) daß
Zwanzigſter Abſchn. Von der Berechnungsart
Ueber K. So haͤßlich dieſe Temperatur iſt, ſo ſind den-
noch diejenigen Sorten dieſer Claſſe noch haͤßlicher, wo das
Comma unter die beyden Quinten anders vertheilet wird, z. E.
durch 7, 5, oder 8, 4, oder 9, 3, oder 10, 2, oder gar 11, 1.
Ueber L. Das iſt, nach dem Ausdruck des Hrn. Neid-
hardt, eine Temperatur ohne Temperatur.
§. 186.

Ungeachtet die Schwebung einer Quinte natuͤrlicher Weiſe
abſteigend ſeyn muß, weil zwoͤlf Quinten in ihrem natuͤrli-
chen Verhaͤltniß nicht kleiner ſondern groͤßer als die Octave
ſind: ſo giebt es dennoch auch Liebhaber von erhoͤhten Quin-
ten,
ſo ſehr die Sache wider die Ordnung der Natur
laͤuft. Da indeſſen alle Arten der ungleichſchwebenden Tem-
peratur, aus was fuͤr einer Claſſe ſolche ſind, dieſen Fehler
an ſich haben, indem keine Quinte in ſelbigen verhaͤltnißmaͤßig
temperirt iſt, als welches nur die gleichſchwebende Tempera-
tur allein leiſten kann, ſo geſchicht durch Zulaſſung einiger auf-
waͤrts ſchwebenden Quinten nichts anders, als daß eine irrige
Temperatur mit einer andern irrigen verwechſelt wird.
Naͤchſt dieſem iſt gewiß, daß eine nicht viel erhoͤhte Quin-
te ertraͤglicher iſt, als eine zu ſehr erniedrigte Quinte.
Es kann alſo wohl unter gewiſſen Bedingungen eine und
andere aufwaͤrts ſchwebende Quinte in einer ungleich-
ſchwebenden Temperatur zugelaſſen werden; wobey denn zu
merken iſt, daß, da die Summe der abſteigenden Schwe-
bungen eines Quintenzirkels allezeit zwoͤlf ſeyn muß, ſolche
allezeit um ſo viele Schwebungen dieſer Art zu vermehren iſt,
als der Betrag der aufſteigenden Schwebungen iſt. Z. E.
wenn von zwoͤlf Quinten eine um ein Zwoͤlftheil Comm.
pyth. aufwaͤrts ſchwebet, ſo muͤſſen eilf Quinten zuſammen
dreyzehn Zwoͤlftheil abwaͤrts ſchweben. Die Bedingungen, un-
ter welchen eine erhoͤhte Quinte zugelaſſen werden kann, ſind
uͤbrigens:

1) daß, da in jeder Folge von vier Quinten die eine oder
andere Quinte um etwas erniedriget ſeyn muß, niemals
vier erhoͤhte Quinten hinter einander vorkommen koͤnnen;
2) daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0182" n="162"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zwanzig&#x017F;ter Ab&#x017F;chn. Von der Berechnungsart</hi> </fw><lb/>
            <list>
              <item><hi rendition="#fr">Ueber</hi><hi rendition="#aq">K.</hi> So ha&#x0364;ßlich die&#x017F;e Temperatur i&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;ind den-<lb/>
noch diejenigen Sorten die&#x017F;er Cla&#x017F;&#x017F;e noch ha&#x0364;ßlicher, wo das<lb/>
Comma unter die beyden Quinten anders vertheilet wird, z. E.<lb/>
durch 7, 5, oder 8, 4, oder 9, 3, oder 10, 2, oder gar 11, 1.</item><lb/>
              <item><hi rendition="#fr">Ueber</hi><hi rendition="#aq">L.</hi> Das i&#x017F;t, nach dem Ausdruck des Hrn. Neid-<lb/>
hardt, eine Temperatur ohne Temperatur.</item>
            </list>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 186.</head><lb/>
            <p>Ungeachtet die Schwebung einer Quinte natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e<lb/><hi rendition="#fr">ab&#x017F;teigend</hi> &#x017F;eyn muß, weil zwo&#x0364;lf Quinten in ihrem natu&#x0364;rli-<lb/>
chen Verha&#x0364;ltniß nicht kleiner &#x017F;ondern gro&#x0364;ßer als die Octave<lb/>
&#x017F;ind: &#x017F;o giebt es dennoch auch Liebhaber <hi rendition="#fr">von erho&#x0364;hten Quin-<lb/>
ten,</hi> &#x017F;o &#x017F;ehr die Sache <hi rendition="#fr">wider die Ordnung der Natur</hi><lb/>
la&#x0364;uft. Da inde&#x017F;&#x017F;en alle Arten der ungleich&#x017F;chwebenden Tem-<lb/>
peratur, aus was fu&#x0364;r einer Cla&#x017F;&#x017F;e &#x017F;olche &#x017F;ind, die&#x017F;en Fehler<lb/>
an &#x017F;ich haben, indem keine Quinte in &#x017F;elbigen verha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßig<lb/>
temperirt i&#x017F;t, als welches nur die gleich&#x017F;chwebende Tempera-<lb/>
tur allein lei&#x017F;ten kann, &#x017F;o ge&#x017F;chicht durch Zula&#x017F;&#x017F;ung einiger auf-<lb/>
wa&#x0364;rts &#x017F;chwebenden Quinten nichts anders, als daß eine irrige<lb/>
Temperatur mit einer andern irrigen verwech&#x017F;elt wird.<lb/>
Na&#x0364;ch&#x017F;t die&#x017F;em i&#x017F;t gewiß, daß eine <hi rendition="#fr">nicht viel</hi> erho&#x0364;hte Quin-<lb/>
te ertra&#x0364;glicher i&#x017F;t, als eine zu <hi rendition="#fr">&#x017F;ehr erniedrigte</hi> Quinte.<lb/>
Es kann al&#x017F;o wohl unter gewi&#x017F;&#x017F;en Bedingungen eine und<lb/>
andere aufwa&#x0364;rts &#x017F;chwebende Quinte in einer ungleich-<lb/>
&#x017F;chwebenden Temperatur zugela&#x017F;&#x017F;en werden; wobey denn zu<lb/>
merken i&#x017F;t, daß, da die Summe der ab&#x017F;teigenden Schwe-<lb/>
bungen eines Quintenzirkels allezeit <hi rendition="#fr">zwo&#x0364;lf</hi> &#x017F;eyn muß, &#x017F;olche<lb/>
allezeit um &#x017F;o viele Schwebungen die&#x017F;er Art zu vermehren i&#x017F;t,<lb/>
als der Betrag der auf&#x017F;teigenden Schwebungen i&#x017F;t. Z. E.<lb/>
wenn von zwo&#x0364;lf Quinten eine <hi rendition="#fr">um ein Zwo&#x0364;lftheil</hi> Comm.<lb/>
pyth. aufwa&#x0364;rts &#x017F;chwebet, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en eilf Quinten zu&#x017F;ammen<lb/>
dreyzehn Zwo&#x0364;lftheil abwa&#x0364;rts &#x017F;chweben. Die Bedingungen, un-<lb/>
ter welchen eine erho&#x0364;hte Quinte zugela&#x017F;&#x017F;en werden kann, &#x017F;ind<lb/>
u&#x0364;brigens:</p><lb/>
            <list>
              <item>1) daß, da in jeder Folge von vier Quinten die eine oder<lb/>
andere Quinte um etwas erniedriget &#x017F;eyn muß, niemals<lb/>
vier erho&#x0364;hte Quinten hinter einander vorkommen ko&#x0364;nnen;</item>
            </list><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">2) daß</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0182] Zwanzigſter Abſchn. Von der Berechnungsart Ueber K. So haͤßlich dieſe Temperatur iſt, ſo ſind den- noch diejenigen Sorten dieſer Claſſe noch haͤßlicher, wo das Comma unter die beyden Quinten anders vertheilet wird, z. E. durch 7, 5, oder 8, 4, oder 9, 3, oder 10, 2, oder gar 11, 1. Ueber L. Das iſt, nach dem Ausdruck des Hrn. Neid- hardt, eine Temperatur ohne Temperatur. §. 186. Ungeachtet die Schwebung einer Quinte natuͤrlicher Weiſe abſteigend ſeyn muß, weil zwoͤlf Quinten in ihrem natuͤrli- chen Verhaͤltniß nicht kleiner ſondern groͤßer als die Octave ſind: ſo giebt es dennoch auch Liebhaber von erhoͤhten Quin- ten, ſo ſehr die Sache wider die Ordnung der Natur laͤuft. Da indeſſen alle Arten der ungleichſchwebenden Tem- peratur, aus was fuͤr einer Claſſe ſolche ſind, dieſen Fehler an ſich haben, indem keine Quinte in ſelbigen verhaͤltnißmaͤßig temperirt iſt, als welches nur die gleichſchwebende Tempera- tur allein leiſten kann, ſo geſchicht durch Zulaſſung einiger auf- waͤrts ſchwebenden Quinten nichts anders, als daß eine irrige Temperatur mit einer andern irrigen verwechſelt wird. Naͤchſt dieſem iſt gewiß, daß eine nicht viel erhoͤhte Quin- te ertraͤglicher iſt, als eine zu ſehr erniedrigte Quinte. Es kann alſo wohl unter gewiſſen Bedingungen eine und andere aufwaͤrts ſchwebende Quinte in einer ungleich- ſchwebenden Temperatur zugelaſſen werden; wobey denn zu merken iſt, daß, da die Summe der abſteigenden Schwe- bungen eines Quintenzirkels allezeit zwoͤlf ſeyn muß, ſolche allezeit um ſo viele Schwebungen dieſer Art zu vermehren iſt, als der Betrag der aufſteigenden Schwebungen iſt. Z. E. wenn von zwoͤlf Quinten eine um ein Zwoͤlftheil Comm. pyth. aufwaͤrts ſchwebet, ſo muͤſſen eilf Quinten zuſammen dreyzehn Zwoͤlftheil abwaͤrts ſchweben. Die Bedingungen, un- ter welchen eine erhoͤhte Quinte zugelaſſen werden kann, ſind uͤbrigens: 1) daß, da in jeder Folge von vier Quinten die eine oder andere Quinte um etwas erniedriget ſeyn muß, niemals vier erhoͤhte Quinten hinter einander vorkommen koͤnnen; 2) daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/182
Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/182>, abgerufen am 25.11.2024.