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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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Achtzehnter Abschnitt.
Die gleichschwebende Temperatur, ohne
Zuziehung eines Monochords, auf das Clavier
zu übertragen.


§. 160.

Wir haben bisher noch keine sichere Methode zu dieser Ab-
sicht gehabt, und der berühmte Sulzer *) selber muß
an der Möglichkeit einer solchen Methode gezweifelt haben,
weil er ein sehr richtig getheiltes Monochord verlanget, um
die zwölf Töne einer Octave einander gleich zu machen. Der
um diesen Theil der Musik sehr verdiente Herr Sorge aus
Lobenstein proponiret in seinem Temperaturgespräch,

1) die drey großen Terzen c e, e gis und as c dergestalt zu
stimmen, daß sie alle drey über sich schweben;
2) die vier kleinen Terzen c es, dis fis, fis a und a c derge-
stalt zu stimmen, daß sie alle vier unter sich schweben;
3) die Quinten g von c, und d von g ein wenig unter sich
schwebend zu stimmen;
4) die vier kleinen Terzen g b, b des, cis e und e g, in-
gleichen
5) die vier kleinen Terzen d f, fas, gis h und h d unter sich
schwebend zu stimmen.
§. 161.

Herr Barthold Fritz, einer der vortreflichsten Clavier-
instrumentmacher Deutschlands, unterscheidet in Ansehung
der Quinten dreyerley Grade der Reinigkeit, welche er durch
das erstere oder unvollkommne Reine, durch das ganz
oder narürliche Reine, und durch das überflüßige oder zu-
viel Reine
characterisiret. Nachdem der Raum zwischen den
beyden Stegen eines Monochords in drey gleiche Theile ein-
getheilet, und 2/3 davon mit einem Punkt oder einer Linie be-
zeichnet worden, so läßet man die abgemeßnen 2/3 gegen die
ofne zweyte Seyte auf dreyerley verschiedne Art hören; nemlich

1) vor
*) Jn seiner Theorie der Künste, Artikel Temperatur.
J 4


Achtzehnter Abſchnitt.
Die gleichſchwebende Temperatur, ohne
Zuziehung eines Monochords, auf das Clavier
zu uͤbertragen.


§. 160.

Wir haben bisher noch keine ſichere Methode zu dieſer Ab-
ſicht gehabt, und der beruͤhmte Sulzer *) ſelber muß
an der Moͤglichkeit einer ſolchen Methode gezweifelt haben,
weil er ein ſehr richtig getheiltes Monochord verlanget, um
die zwoͤlf Toͤne einer Octave einander gleich zu machen. Der
um dieſen Theil der Muſik ſehr verdiente Herr Sorge aus
Lobenſtein proponiret in ſeinem Temperaturgeſpraͤch,

1) die drey großen Terzen c e, e gis und as c dergeſtalt zu
ſtimmen, daß ſie alle drey uͤber ſich ſchweben;
2) die vier kleinen Terzen c es, dis fis, fis a und a c derge-
ſtalt zu ſtimmen, daß ſie alle vier unter ſich ſchweben;
3) die Quinten g von c, und d von g ein wenig unter ſich
ſchwebend zu ſtimmen;
4) die vier kleinen Terzen g b, b des, cis e und e g, in-
gleichen
5) die vier kleinen Terzen d f, fas, gis h und h d unter ſich
ſchwebend zu ſtimmen.
§. 161.

Herr Barthold Fritz, einer der vortreflichſten Clavier-
inſtrumentmacher Deutſchlands, unterſcheidet in Anſehung
der Quinten dreyerley Grade der Reinigkeit, welche er durch
das erſtere oder unvollkommne Reine, durch das ganz
oder naruͤrliche Reine, und durch das uͤberfluͤßige oder zu-
viel Reine
characteriſiret. Nachdem der Raum zwiſchen den
beyden Stegen eines Monochords in drey gleiche Theile ein-
getheilet, und ⅔ davon mit einem Punkt oder einer Linie be-
zeichnet worden, ſo laͤßet man die abgemeßnen ⅔ gegen die
ofne zweyte Seyte auf dreyerley verſchiedne Art hoͤren; nemlich

1) vor
*) Jn ſeiner Theorie der Kuͤnſte, Artikel Temperatur.
J 4
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[135/0155] Achtzehnter Abſchnitt. Die gleichſchwebende Temperatur, ohne Zuziehung eines Monochords, auf das Clavier zu uͤbertragen. §. 160. Wir haben bisher noch keine ſichere Methode zu dieſer Ab- ſicht gehabt, und der beruͤhmte Sulzer *) ſelber muß an der Moͤglichkeit einer ſolchen Methode gezweifelt haben, weil er ein ſehr richtig getheiltes Monochord verlanget, um die zwoͤlf Toͤne einer Octave einander gleich zu machen. Der um dieſen Theil der Muſik ſehr verdiente Herr Sorge aus Lobenſtein proponiret in ſeinem Temperaturgeſpraͤch, 1) die drey großen Terzen c e, e gis und as c dergeſtalt zu ſtimmen, daß ſie alle drey uͤber ſich ſchweben; 2) die vier kleinen Terzen c es, dis fis, fis a und a c derge- ſtalt zu ſtimmen, daß ſie alle vier unter ſich ſchweben; 3) die Quinten g von c, und d von g ein wenig unter ſich ſchwebend zu ſtimmen; 4) die vier kleinen Terzen g b, b des, cis e und e g, in- gleichen 5) die vier kleinen Terzen d f, fas, gis h und h d unter ſich ſchwebend zu ſtimmen. §. 161. Herr Barthold Fritz, einer der vortreflichſten Clavier- inſtrumentmacher Deutſchlands, unterſcheidet in Anſehung der Quinten dreyerley Grade der Reinigkeit, welche er durch das erſtere oder unvollkommne Reine, durch das ganz oder naruͤrliche Reine, und durch das uͤberfluͤßige oder zu- viel Reine characteriſiret. Nachdem der Raum zwiſchen den beyden Stegen eines Monochords in drey gleiche Theile ein- getheilet, und ⅔ davon mit einem Punkt oder einer Linie be- zeichnet worden, ſo laͤßet man die abgemeßnen ⅔ gegen die ofne zweyte Seyte auf dreyerley verſchiedne Art hoͤren; nemlich 1) vor *) Jn ſeiner Theorie der Kuͤnſte, Artikel Temperatur. J 4

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/155>, abgerufen am 05.05.2024.