Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marperger, Paul Jacob: Der allzeit-fertige Handels-Correspondent. 4. Aufl. Hamburg, 1717.

Bild:
<< vorherige Seite

Notifications- und
Grund-Sätzen nicht erhärten/ weil vielleicht ein sol-
cher nur so lang ehrlich gewesen/ als er keine Gelegen-
heit unehrlich zu werden gehabt. Zeitlicher Reichthum
und Schätze sind Stricke und Netze/ durch welche
auch die unschuldigsten Vögel gefangen werden. Nie-
mand hat ein Fenster an seinem Hertzen. Gelegenheit
machet Diebe. Den Leicht-gläubigen kömmt als dann
die Reue zu spät in die Hand; wann die Kuhe schon
aus dem Stalle/ will man denselben erst zuschliessen.
Der Wahn hat betrogen/ unter den lieblich anzuse-
henden Kräutern hat eine Schlange verborgen gele-
gen/ welche ihren gifftigen Angel nur allzutieff ein-
gedrücket. Am bekläglichsten ist/ daß in Betrach-
tung dieses der Unschuldige mit dem Schuldigen lei-
den muß; Aller Mittel-Weg wird verschlossen;
Hat man ihn zuvor güldene Berge von jemands Treu
und Glauben versprochen/ bauet man hernach kaum
Sand-Hügel auf denselben; Den Frommen misset
man nach dem Maasse der Bösen/ beyde müssen auf
einer Wag-Schaalen gewogen/ aus einer unge grün-
deten Furcht aber die Ehrlichen so wol wie die Unehrli-
chen zu leicht befunden werden. Wenig honetten
Gemühtern ist annoch ein Füncklein eines gesunden
Urtheils oder einer klug-gegründeten Hoffnung übrig
geblieben/ daß sie nicht gleich die Spreu mit dem Wei-
tzen in dem Feuer ihres Mißtrauens verbrennen/
oder/ ohne den Praejudicatis Raum zu geben/ ihnen
von dieses oder jenes Freundes Redlichkeit ein gutes
Concept machen/ auch von solchem keine verläum-
derische Zungen sich abwendig machen lassen. Un-
ter solchen nun ist mein hochzuehrender Herr billig zu
zehlen/ indem er mit seinen considerablen Com-
missio
nen dem Anfange meiner Handlung einen be-

glück-

Notifications- und
Grund-Saͤtzen nicht erhaͤrten/ weil vielleicht ein ſol-
cher nur ſo lang ehrlich geweſen/ als er keine Gelegen-
heit unehrlich zu werden gehabt. Zeitlicher Reichthum
und Schaͤtze ſind Stricke und Netze/ durch welche
auch die unſchuldigſten Voͤgel gefangen werden. Nie-
mand hat ein Fenſter an ſeinem Hertzen. Gelegenheit
machet Diebe. Den Leicht-glaͤubigen koͤmmt als dann
die Reue zu ſpaͤt in die Hand; wann die Kuhe ſchon
aus dem Stalle/ will man denſelben erſt zuſchlieſſen.
Der Wahn hat betrogen/ unter den lieblich anzuſe-
henden Kraͤutern hat eine Schlange verborgen gele-
gen/ welche ihren gifftigen Angel nur allzutieff ein-
gedruͤcket. Am beklaͤglichſten iſt/ daß in Betrach-
tung dieſes der Unſchuldige mit dem Schuldigen lei-
den muß; Aller Mittel-Weg wird verſchloſſen;
Hat man ihn zuvor guͤldene Berge von jemands Treu
und Glauben verſprochen/ bauet man hernach kaum
Sand-Huͤgel auf denſelben; Den Frommen miſſet
man nach dem Maaſſe der Boͤſen/ beyde muͤſſen auf
einer Wag-Schaalen gewogen/ aus einer unge gruͤn-
deten Furcht aber die Ehrlichen ſo wol wie die Unehrli-
chen zu leicht befunden werden. Wenig honetten
Gemuͤhtern iſt annoch ein Fuͤncklein eines geſunden
Urtheils oder einer klug-gegruͤndeten Hoffnung uͤbrig
geblieben/ daß ſie nicht gleich die Spreu mit dem Wei-
tzen in dem Feuer ihres Mißtrauens verbrennen/
oder/ ohne den Præjudicatis Raum zu geben/ ihnen
von dieſes oder jenes Freundes Redlichkeit ein gutes
Concept machen/ auch von ſolchem keine verlaͤum-
deriſche Zungen ſich abwendig machen laſſen. Un-
ter ſolchen nun iſt mein hochzuehrender Herr billig zu
zehlen/ indem er mit ſeinen conſiderablen Com-
miſſio
nen dem Anfange meiner Handlung einen be-

gluͤck-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0272" n="252"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Notifications-</hi></hi><hi rendition="#b">und</hi></fw><lb/>
Grund-Sa&#x0364;tzen nicht erha&#x0364;rten/ weil vielleicht ein &#x017F;ol-<lb/>
cher nur &#x017F;o lang ehrlich gewe&#x017F;en/ als er keine Gelegen-<lb/>
heit unehrlich zu werden gehabt. Zeitlicher Reichthum<lb/>
und Scha&#x0364;tze &#x017F;ind Stricke und Netze/ durch welche<lb/>
auch die un&#x017F;chuldig&#x017F;ten Vo&#x0364;gel gefangen werden. Nie-<lb/>
mand hat ein Fen&#x017F;ter an &#x017F;einem Hertzen. Gelegenheit<lb/>
machet Diebe. Den Leicht-gla&#x0364;ubigen ko&#x0364;mmt als dann<lb/>
die Reue zu &#x017F;pa&#x0364;t in die Hand; wann die Kuhe &#x017F;chon<lb/>
aus dem Stalle/ will man den&#x017F;elben er&#x017F;t zu&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Der Wahn hat betrogen/ unter den lieblich anzu&#x017F;e-<lb/>
henden Kra&#x0364;utern hat eine Schlange verborgen gele-<lb/>
gen/ welche ihren gifftigen Angel nur allzutieff ein-<lb/>
gedru&#x0364;cket. Am bekla&#x0364;glich&#x017F;ten i&#x017F;t/ daß in Betrach-<lb/>
tung die&#x017F;es der Un&#x017F;chuldige mit dem Schuldigen lei-<lb/>
den muß; Aller Mittel-Weg wird ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
Hat man ihn zuvor gu&#x0364;ldene Berge von jemands Treu<lb/>
und Glauben ver&#x017F;prochen/ bauet man hernach kaum<lb/>
Sand-Hu&#x0364;gel auf den&#x017F;elben; Den Frommen mi&#x017F;&#x017F;et<lb/>
man nach dem Maa&#x017F;&#x017F;e der Bo&#x0364;&#x017F;en/ beyde mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en auf<lb/>
einer Wag-Schaalen gewogen/ aus einer unge gru&#x0364;n-<lb/>
deten Furcht aber die Ehrlichen &#x017F;o wol wie die Unehrli-<lb/>
chen zu leicht befunden werden. Wenig <hi rendition="#aq">honetten</hi><lb/>
Gemu&#x0364;htern i&#x017F;t annoch ein Fu&#x0364;ncklein eines ge&#x017F;unden<lb/>
Urtheils oder einer klug-gegru&#x0364;ndeten Hoffnung u&#x0364;brig<lb/>
geblieben/ daß &#x017F;ie nicht gleich die Spreu mit dem Wei-<lb/>
tzen in dem Feuer ihres Mißtrauens verbrennen/<lb/>
oder/ ohne den <hi rendition="#aq">Præjudicatis</hi> Raum zu geben/ ihnen<lb/>
von die&#x017F;es oder jenes Freundes Redlichkeit ein gutes<lb/><hi rendition="#aq">Concept</hi> machen/ auch von &#x017F;olchem keine verla&#x0364;um-<lb/>
deri&#x017F;che Zungen &#x017F;ich abwendig machen la&#x017F;&#x017F;en. Un-<lb/>
ter &#x017F;olchen nun i&#x017F;t mein hochzuehrender Herr billig zu<lb/>
zehlen/ indem er mit &#x017F;einen <hi rendition="#aq">con&#x017F;iderablen Com-<lb/>
mi&#x017F;&#x017F;io</hi>nen dem Anfange meiner Handlung einen be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">glu&#x0364;ck-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0272] Notifications- und Grund-Saͤtzen nicht erhaͤrten/ weil vielleicht ein ſol- cher nur ſo lang ehrlich geweſen/ als er keine Gelegen- heit unehrlich zu werden gehabt. Zeitlicher Reichthum und Schaͤtze ſind Stricke und Netze/ durch welche auch die unſchuldigſten Voͤgel gefangen werden. Nie- mand hat ein Fenſter an ſeinem Hertzen. Gelegenheit machet Diebe. Den Leicht-glaͤubigen koͤmmt als dann die Reue zu ſpaͤt in die Hand; wann die Kuhe ſchon aus dem Stalle/ will man denſelben erſt zuſchlieſſen. Der Wahn hat betrogen/ unter den lieblich anzuſe- henden Kraͤutern hat eine Schlange verborgen gele- gen/ welche ihren gifftigen Angel nur allzutieff ein- gedruͤcket. Am beklaͤglichſten iſt/ daß in Betrach- tung dieſes der Unſchuldige mit dem Schuldigen lei- den muß; Aller Mittel-Weg wird verſchloſſen; Hat man ihn zuvor guͤldene Berge von jemands Treu und Glauben verſprochen/ bauet man hernach kaum Sand-Huͤgel auf denſelben; Den Frommen miſſet man nach dem Maaſſe der Boͤſen/ beyde muͤſſen auf einer Wag-Schaalen gewogen/ aus einer unge gruͤn- deten Furcht aber die Ehrlichen ſo wol wie die Unehrli- chen zu leicht befunden werden. Wenig honetten Gemuͤhtern iſt annoch ein Fuͤncklein eines geſunden Urtheils oder einer klug-gegruͤndeten Hoffnung uͤbrig geblieben/ daß ſie nicht gleich die Spreu mit dem Wei- tzen in dem Feuer ihres Mißtrauens verbrennen/ oder/ ohne den Præjudicatis Raum zu geben/ ihnen von dieſes oder jenes Freundes Redlichkeit ein gutes Concept machen/ auch von ſolchem keine verlaͤum- deriſche Zungen ſich abwendig machen laſſen. Un- ter ſolchen nun iſt mein hochzuehrender Herr billig zu zehlen/ indem er mit ſeinen conſiderablen Com- miſſionen dem Anfange meiner Handlung einen be- gluͤck-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Grundlage der vorliegenden digitalen Ausgabe bild… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marperger_correspondent_1717
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marperger_correspondent_1717/272
Zitationshilfe: Marperger, Paul Jacob: Der allzeit-fertige Handels-Correspondent. 4. Aufl. Hamburg, 1717, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marperger_correspondent_1717/272>, abgerufen am 24.11.2024.