Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.Das Zwölffte Buch. Des grosseu ungeheurs? Ich muß nun traurger massenBeraubet aller krafft von streiten abelassen: Du vogel voller schew/ mir ist ohn deinem flug/ Und klappern/ das ich schon erkenne/ bange gnug/ Ich weiß auch wol/ daß dis auff ernstliches befehlen Des grossen Jovis ist geschehen ohn verheelen: Ist dieses das entgelt für meine Jungfrawschafft? Worzu hat er mir denn unsterbligkeit und krafft Zu leben stets ertheilt? Warumb ist mir benommen Zu sterben fug und macht: Ich könte nun abkommen Des grossen hertzeleids mit guter sicherheit/ Und meinem bruder in die hölle das geleit Hinunter/ wenn ich auch noch sterblich wäre/ geben; Der nun muß in gefahr und harten nöhten schweben; Es wird mir nichts von dem/ was ich vermag und hab/ Süß oder lieblich seyn/ an was ich mich nur lab/ Wenn ich/ mein bruder/ dich/ o Turne/ nicht mehr habe: O daß die erde doch/ ob schon durch Götter gabe Ich eine Göttin bin/ mich schlüng in ihren grund/ Und thäte mir itzt auff den weiten höllen-schlund! Als sie so viel geredt/ band sie ihr einen schleyer Umbs haupt/ und seufftzte tieff ob solchem ungehewer/ Verbarg sich wiederumb in ihrem tieffen fluß: Eneas aber setzt dem Turno mit geschoß Und grossem spiesse zu/ der einem baum zu gleichen/ Und trachtet ihm stets nach/ wie er ihm möcht erreichen/ Und fieng mit rauhem muht also zu reden an: Was hastu noch für frist? Wie ists mit dir gethan/ O Tur- T t 4
Das Zwoͤlffte Buch. Des groſſeu ungeheurs? Ich muß nun traurger maſſenBeraubet aller krafft von ſtreiten abelaſſen: Du vogel voller ſchew/ mir iſt ohn deinem flug/ Und klappern/ das ich ſchon erkenne/ bange gnug/ Ich weiß auch wol/ daß dis auff ernſtliches befehlen Des groſſen Jovis iſt geſchehen ohn verheelen: Iſt dieſes das entgelt fuͤr meine Jungfrawſchafft? Worzu hat er mir denn unſterbligkeit und krafft Zu leben ſtets ertheilt? Warumb iſt mir benommen Zu ſterben fug und macht: Ich koͤnte nun abkommen Des groſſen hertzeleids mit guter ſicherheit/ Und meinem bruder in die hoͤlle das geleit Hinunter/ wenn ich auch noch ſterblich waͤre/ geben; Der nun muß in gefahr und harten noͤhten ſchweben; Es wird mir nichts von dem/ was ich vermag und hab/ Suͤß oder lieblich ſeyn/ an was ich mich nur lab/ Wenn ich/ mein bruder/ dich/ o Turne/ nicht mehr habe: O daß die erde doch/ ob ſchon durch Goͤtter gabe Ich eine Goͤttin bin/ mich ſchluͤng in ihren grund/ Und thaͤte mir itzt auff den weiten hoͤllen-ſchlund! Als ſie ſo viel geredt/ band ſie ihr einen ſchleyer Umbs haupt/ und ſeufftzte tieff ob ſolchem ungehewer/ Verbarg ſich wiederumb in ihrem tieffen fluß: Eneas aber ſetzt dem Turno mit geſchoß Und groſſem ſpieſſe zu/ der einem baum zu gleichen/ Und trachtet ihm ſtets nach/ wie er ihm moͤcht erreichen/ Und fieng mit rauhem muht alſo zu reden an: Was haſtu noch fuͤr friſt? Wie iſts mit dir gethan/ O Tur- T t 4
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Das Zwoͤlffte Buch.
Des groſſeu ungeheurs? Ich muß nun traurger maſſen
Beraubet aller krafft von ſtreiten abelaſſen:
Du vogel voller ſchew/ mir iſt ohn deinem flug/
Und klappern/ das ich ſchon erkenne/ bange gnug/
Ich weiß auch wol/ daß dis auff ernſtliches befehlen
Des groſſen Jovis iſt geſchehen ohn verheelen:
Iſt dieſes das entgelt fuͤr meine Jungfrawſchafft?
Worzu hat er mir denn unſterbligkeit und krafft
Zu leben ſtets ertheilt? Warumb iſt mir benommen
Zu ſterben fug und macht: Ich koͤnte nun abkommen
Des groſſen hertzeleids mit guter ſicherheit/
Und meinem bruder in die hoͤlle das geleit
Hinunter/ wenn ich auch noch ſterblich waͤre/ geben;
Der nun muß in gefahr und harten noͤhten ſchweben;
Es wird mir nichts von dem/ was ich vermag und hab/
Suͤß oder lieblich ſeyn/ an was ich mich nur lab/
Wenn ich/ mein bruder/ dich/ o Turne/ nicht mehr habe:
O daß die erde doch/ ob ſchon durch Goͤtter gabe
Ich eine Goͤttin bin/ mich ſchluͤng in ihren grund/
Und thaͤte mir itzt auff den weiten hoͤllen-ſchlund!
Als ſie ſo viel geredt/ band ſie ihr einen ſchleyer
Umbs haupt/ und ſeufftzte tieff ob ſolchem ungehewer/
Verbarg ſich wiederumb in ihrem tieffen fluß:
Eneas aber ſetzt dem Turno mit geſchoß
Und groſſem ſpieſſe zu/ der einem baum zu gleichen/
Und trachtet ihm ſtets nach/ wie er ihm moͤcht erreichen/
Und fieng mit rauhem muht alſo zu reden an:
Was haſtu noch fuͤr friſt? Wie iſts mit dir gethan/
O Tur-
T t 4
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Zitationshilfe: | Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668, S. 663. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/685>, abgerufen am 27.07.2024. |