Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Sechste Buch.
So hängt/ schau! über sie ein schwerer stein; man meinet/
Er werde fallen itzt/ wie er nicht anders scheinet:
Es funckeln bett und tisch von klarem gold gemacht/
Die essen stehn allda mit königlicher pracht;
Darbey ligt aber auch die gröste wüterinne
Tisiphone/ die wehrt/ daß keiner was gewinne
Von speisen/ stehet auf/ und reckt die fackel für/
Flucht greulich/ schärffet mehr und mehr die hungers gier.
Hier sind die jenigen/ die unter sich als brüder
Einander waren stets gehäßig und zuwieder/
So lang sie lebeten/ und die an eltern sich
Mit schlagen/ mord und raub vergriffen grimmiglich.
Man sah an diesem ort die jenigen nicht minder/
Die mit betrug und list berückt die schirmes kinder.
Die aber ihren sinn und sorgen vollen muth
Geleget hatten nur auf ihr erworbnes gut/
Und die den ihrigen gelassen nichts dahinden/
Dergleichen leute sind in grosser zahl zu finden/
Auch die in ehebruch ergriffen kamen ümm/
Und die gezogen nach dem krieg mit rohem grimm/
Die warten auff die straff/ die ihnen ist gedreuet/
Dafür sie hatten sich in wenigsten gescheuet/
Und sticken eingesperrt. Wilst du berichtet seyn/
Was jeder leiden muß für straffe noth und pein?
Es waltzen manch hinauf ein rundes felssen-stücke/
Und wenns kömmt auff den berg/ da fället es zurücke:
Dis währet immer zu: Ein andrer wird ans rad
Gebunden/ läufft herumb/ und keine ruhe hat;
Es
Das Sechſte Buch.
So haͤngt/ ſchau! uͤber ſie ein ſchweꝛeꝛ ſtein; man meinet/
Er werde fallen itzt/ wie er nicht anders ſcheinet:
Es funckeln bett und tiſch von klarem gold gemacht/
Die eſſen ſtehn allda mit koͤniglicher pracht;
Darbey ligt aber auch die groͤſte wuͤterinne
Tiſiphone/ die wehrt/ daß keiner was gewinne
Von ſpeiſen/ ſtehet auf/ und reckt die fackel fuͤr/
Flucht greulich/ ſchaͤrffet mehr und mehr die hungeꝛs gieꝛ.
Hier ſind die jenigen/ die unter ſich als bruͤder
Einander waren ſtets gehaͤßig und zuwieder/
So lang ſie lebeten/ und die an eltern ſich
Mit ſchlagen/ mord und raub vergriffen grimmiglich.
Man ſah an dieſem ort die jenigen nicht minder/
Die mit betrug und liſt beruͤckt die ſchirmes kinder.
Die aber ihren ſinn und ſorgen vollen muth
Geleget hatten nur auf ihr erworbnes gut/
Und die den ihrigen gelaſſen nichts dahinden/
Dergleichen leute ſind in groſſer zahl zu finden/
Auch die in ehebruch ergriffen kamen uͤmm/
Und die gezogen nach dem krieg mit rohem grimm/
Die warten auff die ſtraff/ die ihnen iſt gedreuet/
Dafuͤr ſie hatten ſich in wenigſten geſcheuet/
Und ſticken eingeſperrt. Wilſt du berichtet ſeyn/
Was jeder leiden muß fuͤr ſtraffe noth und pein?
Es waltzen manch hinauf ein rundes felſſen-ſtuͤcke/
Und wenns koͤmmt auff den berg/ da faͤllet es zuruͤcke:
Dis waͤhret immer zu: Ein andrer wird ans rad
Gebunden/ laͤufft herumb/ und keine ruhe hat;
Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0320" n="289[298]"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Das Sech&#x017F;te Buch.</hi> </fw><lb/>
          <l>So ha&#x0364;ngt/ &#x017F;chau<hi rendition="#i">!</hi> u&#x0364;ber &#x017F;ie ein &#x017F;chwe&#xA75B;e&#xA75B; &#x017F;tein; man meinet/</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">E</hi>r werde fallen itzt/ wie er nicht anders &#x017F;cheinet:</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">E</hi>s funckeln bett und ti&#x017F;ch von klarem gold gemacht/</l><lb/>
          <l>Die e&#x017F;&#x017F;en &#x017F;tehn allda mit ko&#x0364;niglicher pracht;</l><lb/>
          <l>Darbey ligt aber auch die gro&#x0364;&#x017F;te wu&#x0364;terinne</l><lb/>
          <l>Ti&#x017F;iphone/ die wehrt/ daß keiner was gewinne</l><lb/>
          <l>Von &#x017F;pei&#x017F;en/ &#x017F;tehet auf/ und reckt die fackel fu&#x0364;r/</l><lb/>
          <l>Flucht greulich/ &#x017F;cha&#x0364;rffet mehr und mehr die hunge&#xA75B;s gie&#xA75B;.</l><lb/>
          <l>Hier &#x017F;ind die jenigen/ die unter &#x017F;ich als bru&#x0364;der</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">E</hi>inander waren &#x017F;tets geha&#x0364;ßig und zuwieder/</l><lb/>
          <l>So lang &#x017F;ie lebeten/ und die an eltern &#x017F;ich</l><lb/>
          <l>Mit &#x017F;chlagen/ mord und raub vergriffen grimmiglich.</l><lb/>
          <l>Man &#x017F;ah an die&#x017F;em ort die jenigen nicht minder/</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">D</hi>ie mit betrug und li&#x017F;t beru&#x0364;ckt die &#x017F;chirmes kinder.</l><lb/>
          <l>Die aber ihren &#x017F;inn und &#x017F;orgen vollen muth</l><lb/>
          <l>Geleget hatten nur auf ihr erworbnes gut/</l><lb/>
          <l>Und die den ihrigen gela&#x017F;&#x017F;en nichts dahinden/</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">D</hi>ergleichen leute &#x017F;ind in gro&#x017F;&#x017F;er zahl zu finden/</l><lb/>
          <l>Auch die in ehebruch ergriffen kamen u&#x0364;mm/</l><lb/>
          <l>Und die gezogen nach dem krieg mit rohem grimm/</l><lb/>
          <l>Die warten auff die &#x017F;traff/ die ihnen i&#x017F;t gedreuet/</l><lb/>
          <l>Dafu&#x0364;r &#x017F;ie hatten &#x017F;ich in wenig&#x017F;ten ge&#x017F;cheuet/</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;ticken einge&#x017F;perrt. Wil&#x017F;t du berichtet &#x017F;eyn/</l><lb/>
          <l>Was jeder leiden muß fu&#x0364;r &#x017F;traffe noth und pein<hi rendition="#i">?</hi></l><lb/>
          <l>Es waltzen manch hinauf ein rundes fel&#x017F;&#x017F;en-&#x017F;tu&#x0364;cke/</l><lb/>
          <l>Und wenns ko&#x0364;mmt auff den berg/ da fa&#x0364;llet es zuru&#x0364;cke:</l><lb/>
          <l>Dis wa&#x0364;hret immer zu: <hi rendition="#fr">E</hi>in andrer wird ans rad</l><lb/>
          <l>Gebunden/ la&#x0364;ufft herumb/ und keine ruhe hat;</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">E</hi>s</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289[298]/0320] Das Sechſte Buch. So haͤngt/ ſchau! uͤber ſie ein ſchweꝛeꝛ ſtein; man meinet/ Er werde fallen itzt/ wie er nicht anders ſcheinet: Es funckeln bett und tiſch von klarem gold gemacht/ Die eſſen ſtehn allda mit koͤniglicher pracht; Darbey ligt aber auch die groͤſte wuͤterinne Tiſiphone/ die wehrt/ daß keiner was gewinne Von ſpeiſen/ ſtehet auf/ und reckt die fackel fuͤr/ Flucht greulich/ ſchaͤrffet mehr und mehr die hungeꝛs gieꝛ. Hier ſind die jenigen/ die unter ſich als bruͤder Einander waren ſtets gehaͤßig und zuwieder/ So lang ſie lebeten/ und die an eltern ſich Mit ſchlagen/ mord und raub vergriffen grimmiglich. Man ſah an dieſem ort die jenigen nicht minder/ Die mit betrug und liſt beruͤckt die ſchirmes kinder. Die aber ihren ſinn und ſorgen vollen muth Geleget hatten nur auf ihr erworbnes gut/ Und die den ihrigen gelaſſen nichts dahinden/ Dergleichen leute ſind in groſſer zahl zu finden/ Auch die in ehebruch ergriffen kamen uͤmm/ Und die gezogen nach dem krieg mit rohem grimm/ Die warten auff die ſtraff/ die ihnen iſt gedreuet/ Dafuͤr ſie hatten ſich in wenigſten geſcheuet/ Und ſticken eingeſperrt. Wilſt du berichtet ſeyn/ Was jeder leiden muß fuͤr ſtraffe noth und pein? Es waltzen manch hinauf ein rundes felſſen-ſtuͤcke/ Und wenns koͤmmt auff den berg/ da faͤllet es zuruͤcke: Dis waͤhret immer zu: Ein andrer wird ans rad Gebunden/ laͤufft herumb/ und keine ruhe hat; Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/320
Zitationshilfe: Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668, S. 289[298]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/320>, abgerufen am 11.05.2024.