zigen Schritt weit von einander entfernt, und der Schlaf ist nicht nur das Bild, er ist auch nicht sel- ten der Vorbote des Todes. So erquickend der Schlaf dem müden Wanderer oder dem entkräfteten Arbeiter ist, so sanft ist die Ruhe, die mir der Tod nach den Beschwerden und Mühseligkeiten dieses Le- bens verspricht.
Ja, der Tod ist Ruhe und schenket Ruhe; er ist Erquickung und Wohlthat für uns Pilger, die wir uns nach unserm Vaterlande und nach dem Ziele un- srer Bestimmung sehnen. Der Tod ist kein Uebel, keine Strafe; er ist Belohnung für den Rechtschaffe- nen und Frommen, für den Eifer und die Treue, wo- mit er die ihm aufgetragenen Geschäffte hier verrichtet und die ihm anvertrauten Güter verwaltet hat. Der Tod ist kein Verlust, keine Verminderung der Freude und der Glückseligkeit; er ist Gewinn für den Tugend- haften und Gutgesinnten und der Weg, der ihn zum Genusse höherer Freuden und einer viel größern Glück- seligkeit führet.
Der Tod ist Ruhe, Ruhe von den mannich- faltigen Leiden und Widerwärtigkeiten dieses Lebens. Und Leiden und Widerwärtigkeiten sind das unvermeid- liche Loos aller Sterblichen, der Hohen wie der Nie- drigen, der Reichen wie der Armen, der Gelehrten wie der Nichtgelehrten, der Mächtigen wie der Schwa- chen, der Fürsten wie der Sclaven, der Jüngern wie der Betagten. Viel haben und wenig haben, viel wissen und wenig wissen, viel vermögen und wenig ver- mögen, befehlen und gehorchen, zu leben anfangen und zu leben aufhören, das eine ist so gewiß wie das
ande-
Abendgebet.
zigen Schritt weit von einander entfernt, und der Schlaf iſt nicht nur das Bild, er iſt auch nicht ſel- ten der Vorbote des Todes. So erquickend der Schlaf dem müden Wanderer oder dem entkräfteten Arbeiter iſt, ſo ſanft iſt die Ruhe, die mir der Tod nach den Beſchwerden und Mühſeligkeiten dieſes Le- bens verſpricht.
Ja, der Tod iſt Ruhe und ſchenket Ruhe; er iſt Erquickung und Wohlthat für uns Pilger, die wir uns nach unſerm Vaterlande und nach dem Ziele un- ſrer Beſtimmung ſehnen. Der Tod iſt kein Uebel, keine Strafe; er iſt Belohnung für den Rechtſchaffe- nen und Frommen, für den Eifer und die Treue, wo- mit er die ihm aufgetragenen Geſchäffte hier verrichtet und die ihm anvertrauten Güter verwaltet hat. Der Tod iſt kein Verluſt, keine Verminderung der Freude und der Glückſeligkeit; er iſt Gewinn für den Tugend- haften und Gutgeſinnten und der Weg, der ihn zum Genuſſe höherer Freuden und einer viel größern Glück- ſeligkeit führet.
Der Tod iſt Ruhe, Ruhe von den mannich- faltigen Leiden und Widerwärtigkeiten dieſes Lebens. Und Leiden und Widerwärtigkeiten ſind das unvermeid- liche Loos aller Sterblichen, der Hohen wie der Nie- drigen, der Reichen wie der Armen, der Gelehrten wie der Nichtgelehrten, der Mächtigen wie der Schwa- chen, der Fürſten wie der Sclaven, der Jüngern wie der Betagten. Viel haben und wenig haben, viel wiſſen und wenig wiſſen, viel vermögen und wenig ver- mögen, befehlen und gehorchen, zu leben anfangen und zu leben aufhören, das eine iſt ſo gewiß wie das
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Abendgebet.
zigen Schritt weit von einander entfernt, und der
Schlaf iſt nicht nur das Bild, er iſt auch nicht ſel-
ten der Vorbote des Todes. So erquickend der
Schlaf dem müden Wanderer oder dem entkräfteten
Arbeiter iſt, ſo ſanft iſt die Ruhe, die mir der Tod
nach den Beſchwerden und Mühſeligkeiten dieſes Le-
bens verſpricht.
Ja, der Tod iſt Ruhe und ſchenket Ruhe; er
iſt Erquickung und Wohlthat für uns Pilger, die wir
uns nach unſerm Vaterlande und nach dem Ziele un-
ſrer Beſtimmung ſehnen. Der Tod iſt kein Uebel,
keine Strafe; er iſt Belohnung für den Rechtſchaffe-
nen und Frommen, für den Eifer und die Treue, wo-
mit er die ihm aufgetragenen Geſchäffte hier verrichtet
und die ihm anvertrauten Güter verwaltet hat. Der
Tod iſt kein Verluſt, keine Verminderung der Freude
und der Glückſeligkeit; er iſt Gewinn für den Tugend-
haften und Gutgeſinnten und der Weg, der ihn zum
Genuſſe höherer Freuden und einer viel größern Glück-
ſeligkeit führet.
Der Tod iſt Ruhe, Ruhe von den mannich-
faltigen Leiden und Widerwärtigkeiten dieſes Lebens.
Und Leiden und Widerwärtigkeiten ſind das unvermeid-
liche Loos aller Sterblichen, der Hohen wie der Nie-
drigen, der Reichen wie der Armen, der Gelehrten
wie der Nichtgelehrten, der Mächtigen wie der Schwa-
chen, der Fürſten wie der Sclaven, der Jüngern wie
der Betagten. Viel haben und wenig haben, viel
wiſſen und wenig wiſſen, viel vermögen und wenig ver-
mögen, befehlen und gehorchen, zu leben anfangen
und zu leben aufhören, das eine iſt ſo gewiß wie das
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/384>, abgerufen am 24.06.2024.
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