Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.einer Betagten und Schwachen. mich in jeder Rücksicht so an demselben zu verhalten,wie es dein Wille und meine Glückseligkeit erfordern! Welche Kraft zur Vermeidung der Thorheit und des Lasters und welchen Eifer, Gutes zu thun und zu be- fördern schenket mir nicht diese Erwartung! Vielleicht ist der heutige Tag der letzte für mich. Dieß ist mir Trost in allen Leiden und Widerwärtigkeiten, die noch auf mich warten; dieß ist mir Erquickung in meiner Schwachheit; dieß ist Aufforderung für mich, meine Kräfte zu sammeln, zu dulden und auszuharren, zu kämpfen und zu überwinden, meinen Lauf als eine Chri- stin zu vollenden und die Belohnung zu erringen, welche du deinen treuen und standhaften Verehrern verheißen hast. Vielleicht ist der heutige Tag der letzte für mich. So sey mir denn jede Gelegenheit, diesen Tag durch irgend eine gute Handlung zu bezeichnen, erwünscht, jede Veranlassung gesegnet, die du mir in der Absicht darbietest, um noch am Abende meines Lebens Saa- men auszustreuen, der in der Ewigkeit reift und Früchte trägt! So sey es, bis mich die Nacht des Todes über- fällt, mein einziger Wunsch und mein vorzüglichstes Be- streben, Gutes zu thun und nicht müde zu werden, damit ich zu seiner Zeit ohne Aufhören erndten möge! Amen. VIII. Abendgebet. Vielleicht ist diese Nacht die letzte für mich, o zigen A a 4
einer Betagten und Schwachen. mich in jeder Rückſicht ſo an demſelben zu verhalten,wie es dein Wille und meine Glückſeligkeit erfordern! Welche Kraft zur Vermeidung der Thorheit und des Laſters und welchen Eifer, Gutes zu thun und zu be- fördern ſchenket mir nicht dieſe Erwartung! Vielleicht iſt der heutige Tag der letzte für mich. Dieß iſt mir Troſt in allen Leiden und Widerwärtigkeiten, die noch auf mich warten; dieß iſt mir Erquickung in meiner Schwachheit; dieß iſt Aufforderung für mich, meine Kräfte zu ſammeln, zu dulden und auszuharren, zu kämpfen und zu überwinden, meinen Lauf als eine Chri- ſtin zu vollenden und die Belohnung zu erringen, welche du deinen treuen und ſtandhaften Verehrern verheißen haſt. Vielleicht iſt der heutige Tag der letzte für mich. So ſey mir denn jede Gelegenheit, dieſen Tag durch irgend eine gute Handlung zu bezeichnen, erwünſcht, jede Veranlaſſung geſegnet, die du mir in der Abſicht darbieteſt, um noch am Abende meines Lebens Saa- men auszuſtreuen, der in der Ewigkeit reift und Früchte trägt! So ſey es, bis mich die Nacht des Todes über- fällt, mein einziger Wunſch und mein vorzüglichſtes Be- ſtreben, Gutes zu thun und nicht müde zu werden, damit ich zu ſeiner Zeit ohne Aufhören erndten möge! Amen. VIII. Abendgebet. Vielleicht iſt dieſe Nacht die letzte für mich, o zigen A a 4
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einer Betagten und Schwachen.
mich in jeder Rückſicht ſo an demſelben zu verhalten,
wie es dein Wille und meine Glückſeligkeit erfordern!
Welche Kraft zur Vermeidung der Thorheit und des
Laſters und welchen Eifer, Gutes zu thun und zu be-
fördern ſchenket mir nicht dieſe Erwartung! Vielleicht
iſt der heutige Tag der letzte für mich. Dieß iſt mir
Troſt in allen Leiden und Widerwärtigkeiten, die noch
auf mich warten; dieß iſt mir Erquickung in meiner
Schwachheit; dieß iſt Aufforderung für mich, meine
Kräfte zu ſammeln, zu dulden und auszuharren, zu
kämpfen und zu überwinden, meinen Lauf als eine Chri-
ſtin zu vollenden und die Belohnung zu erringen, welche
du deinen treuen und ſtandhaften Verehrern verheißen
haſt. Vielleicht iſt der heutige Tag der letzte für mich.
So ſey mir denn jede Gelegenheit, dieſen Tag durch
irgend eine gute Handlung zu bezeichnen, erwünſcht,
jede Veranlaſſung geſegnet, die du mir in der Abſicht
darbieteſt, um noch am Abende meines Lebens Saa-
men auszuſtreuen, der in der Ewigkeit reift und Früchte
trägt! So ſey es, bis mich die Nacht des Todes über-
fällt, mein einziger Wunſch und mein vorzüglichſtes Be-
ſtreben, Gutes zu thun und nicht müde zu werden, damit
ich zu ſeiner Zeit ohne Aufhören erndten möge! Amen.
VIII.
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Vielleicht iſt dieſe Nacht die letzte für mich, o
Gott; vielleicht macht ſie der Nacht des Todes
Platz. Schlafen und Sterben ſind oft nur einen ein-
zigen
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Zitationshilfe: | Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/383>, abgerufen am 24.06.2024. |