Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


I
Die jüngere Wittwe.


Gott, zu dir nehme ich meine Zuflucht, zu dir,
der du der Wittwen und Waisen Versorger
und Vater bist. Es hat dir gefallen, meinen Gat-
ten von mir zu trennen und ihn durch den Tod von
der Erde abzufordern; und ich zweifle keinen Augen-
blick daran, daß auch dieser Todesfall eine Wirkung
deiner höchsten Weisheit und Güte sey, so wie alles,
was du willst und thust und geschehen lässest, lauter
Weisheit und Güte ist. Ja, zu dir nehme ich mei-
ne Zuflucht, der du dich aller Betrübten und Beküm-
merten, aller Verlassenen und Elenden erbarmest, der
du zwar schlägest und betrübest, aber auch heilest und
erfreuest; zu dir, dessen Liebe und Wohlthätigkeit nie
ermüden und dessen Hand nie verkürzt ist, daß sie
nicht helfen könne.

Freylich werden Seufzer und Thränen meine
Unterhaltungen mit dir noch oft unterbrechen; freylich
wird mich das Gefühl des Schmerzes noch oft betäu-
ben und selbst in meinen Trost- und Andachtsübun-

gen


I
Die jüngere Wittwe.


Gott, zu dir nehme ich meine Zuflucht, zu dir,
der du der Wittwen und Waiſen Verſorger
und Vater biſt. Es hat dir gefallen, meinen Gat-
ten von mir zu trennen und ihn durch den Tod von
der Erde abzufordern; und ich zweifle keinen Augen-
blick daran, daß auch dieſer Todesfall eine Wirkung
deiner höchſten Weisheit und Güte ſey, ſo wie alles,
was du willſt und thuſt und geſchehen läſſeſt, lauter
Weisheit und Güte iſt. Ja, zu dir nehme ich mei-
ne Zuflucht, der du dich aller Betrübten und Beküm-
merten, aller Verlaſſenen und Elenden erbarmeſt, der
du zwar ſchlägeſt und betrübeſt, aber auch heileſt und
erfreueſt; zu dir, deſſen Liebe und Wohlthätigkeit nie
ermüden und deſſen Hand nie verkürzt iſt, daß ſie
nicht helfen könne.

Freylich werden Seufzer und Thränen meine
Unterhaltungen mit dir noch oft unterbrechen; freylich
wird mich das Gefühl des Schmerzes noch oft betäu-
ben und ſelbſt in meinen Troſt- und Andachtsübun-

gen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0345" n="[333]"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">I</hi><lb/><hi rendition="#g">Die jüngere Wittwe</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p><hi rendition="#in">G</hi>ott, zu dir nehme ich meine Zuflucht, zu dir,<lb/>
der du der Wittwen und Wai&#x017F;en Ver&#x017F;orger<lb/>
und Vater bi&#x017F;t. Es hat dir gefallen, meinen Gat-<lb/>
ten von mir zu trennen und ihn durch den Tod von<lb/>
der Erde abzufordern; und ich zweifle keinen Augen-<lb/>
blick daran, daß auch die&#x017F;er Todesfall eine Wirkung<lb/>
deiner höch&#x017F;ten Weisheit und Güte &#x017F;ey, &#x017F;o wie alles,<lb/>
was du will&#x017F;t und thu&#x017F;t und ge&#x017F;chehen lä&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t, lauter<lb/>
Weisheit und Güte i&#x017F;t. Ja, zu dir nehme ich mei-<lb/>
ne Zuflucht, der du dich aller Betrübten und Beküm-<lb/>
merten, aller Verla&#x017F;&#x017F;enen und Elenden erbarme&#x017F;t, der<lb/>
du zwar &#x017F;chläge&#x017F;t und betrübe&#x017F;t, aber auch heile&#x017F;t und<lb/>
erfreue&#x017F;t; zu dir, de&#x017F;&#x017F;en Liebe und Wohlthätigkeit nie<lb/>
ermüden und de&#x017F;&#x017F;en Hand nie verkürzt i&#x017F;t, daß &#x017F;ie<lb/>
nicht helfen könne.</p><lb/>
          <p>Freylich werden Seufzer und Thränen meine<lb/>
Unterhaltungen mit dir noch oft unterbrechen; freylich<lb/>
wird mich das Gefühl des Schmerzes noch oft betäu-<lb/>
ben und &#x017F;elb&#x017F;t in meinen Tro&#x017F;t- und Andachtsübun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[333]/0345] I Die jüngere Wittwe. Gott, zu dir nehme ich meine Zuflucht, zu dir, der du der Wittwen und Waiſen Verſorger und Vater biſt. Es hat dir gefallen, meinen Gat- ten von mir zu trennen und ihn durch den Tod von der Erde abzufordern; und ich zweifle keinen Augen- blick daran, daß auch dieſer Todesfall eine Wirkung deiner höchſten Weisheit und Güte ſey, ſo wie alles, was du willſt und thuſt und geſchehen läſſeſt, lauter Weisheit und Güte iſt. Ja, zu dir nehme ich mei- ne Zuflucht, der du dich aller Betrübten und Beküm- merten, aller Verlaſſenen und Elenden erbarmeſt, der du zwar ſchlägeſt und betrübeſt, aber auch heileſt und erfreueſt; zu dir, deſſen Liebe und Wohlthätigkeit nie ermüden und deſſen Hand nie verkürzt iſt, daß ſie nicht helfen könne. Freylich werden Seufzer und Thränen meine Unterhaltungen mit dir noch oft unterbrechen; freylich wird mich das Gefühl des Schmerzes noch oft betäu- ben und ſelbſt in meinen Troſt- und Andachtsübun- gen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/345
Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. [333]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/345>, abgerufen am 27.09.2024.