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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Der Einfluß der Mutter
dasselbe mit anhaltendem Lust und Eifer treiben und
nie dabey ermüden; so muß ich mich zur Erreichung
meiner Absichten aller der Mittel bedienen, die mir in
meinem Stande und in den itzigen Zeiten zu Gebote

stehen.
Was ist verkehrter als die Art, wie viele Mütter
strafen! Wie strenge werden nicht gemeiniglich die
Fehler wider den Wohlstand und die Mode an den
Töchtern geahndet! Und wie leicht werden nicht mo-
ralische Fehler übersehen und verziehen! Jst es da
ein Wunder, wenn das junge Mädchen Anstand
und Mode für das Wichtigste und die Tugend für
eine unbedeutende Nebensache halten lernet! Was
kann für das Herz und die Unschuld eines jungen
Mädchens gefährlicher seyn, als wenn dasselbe zu
frühzeitig in großen Gesellschasten erscheint und da-
selbst eine Rolle zu spielen anfängt! Muß sie da
nicht durch den Schwarm von Schmeichlern verdor-
ben und zur Verstellung, zum Stolze, zur Eitelkeit,
zur falschen Schaam, zum Leichtsinne verleitet wer-
den? Kann sie sich da gehörig zu den Geschäfften
vorbereiten und in den Geschäfften üben, die ihrem
Geschlechte obliegen? Wird sie nicht vielmehr an-
fangen, dieselben zu verachten und sich der Trägheit,
der Weichlichkeit und der Modeempfindsamkeit zu
ergeben? Jst es nicht höchst thöricht, wenn sich die
Mutter von den Lobsprüchen blenden lässet, die sie
wegen der Schönheit, des Witzes und des feinen
Betragens ihrer Töchter erhält? Wird sie sich da
nicht selbst in diesen lieben und die Fehler und
Thorheiten derselben bewundern lernen?
Auf allgemeinere Fehler und auf die Erzie-
hungskunst uberhaupt kann ich hier, dem Zwecke
dieses Buchs gemäs, nicht zurückgehen. Man hat
itzt viele vortreffliche Schriften in der Art. We-
nigstens sollten Zollikofers Predigten über die
Erziehung
in den Händen aller aufgeklärten Ael-
tern und Erzieher seyn.

Der Einfluß der Mutter
daſſelbe mit anhaltendem Luſt und Eifer treiben und
nie dabey ermüden; ſo muß ich mich zur Erreichung
meiner Abſichten aller der Mittel bedienen, die mir in
meinem Stande und in den itzigen Zeiten zu Gebote

ſtehen.
Was iſt verkehrter als die Art, wie viele Mütter
ſtrafen! Wie ſtrenge werden nicht gemeiniglich die
Fehler wider den Wohlſtand und die Mode an den
Töchtern geahndet! Und wie leicht werden nicht mo-
raliſche Fehler überſehen und verziehen! Jſt es da
ein Wunder, wenn das junge Mädchen Anſtand
und Mode für das Wichtigſte und die Tugend für
eine unbedeutende Nebenſache halten lernet! Was
kann für das Herz und die Unſchuld eines jungen
Mädchens gefährlicher ſeyn, als wenn daſſelbe zu
frühzeitig in großen Geſellſchaſten erſcheint und da-
ſelbſt eine Rolle zu ſpielen anfängt! Muß ſie da
nicht durch den Schwarm von Schmeichlern verdor-
ben und zur Verſtellung, zum Stolze, zur Eitelkeit,
zur falſchen Schaam, zum Leichtſinne verleitet wer-
den? Kann ſie ſich da gehörig zu den Geſchäfften
vorbereiten und in den Geſchäfften üben, die ihrem
Geſchlechte obliegen? Wird ſie nicht vielmehr an-
fangen, dieſelben zu verachten und ſich der Trägheit,
der Weichlichkeit und der Modeempfindſamkeit zu
ergeben? Jſt es nicht höchſt thöricht, wenn ſich die
Mutter von den Lobſprüchen blenden läſſet, die ſie
wegen der Schönheit, des Witzes und des feinen
Betragens ihrer Töchter erhält? Wird ſie ſich da
nicht ſelbſt in dieſen lieben und die Fehler und
Thorheiten derſelben bewundern lernen?
Auf allgemeinere Fehler und auf die Erzie-
hungskunſt uberhaupt kann ich hier, dem Zwecke
dieſes Buchs gemäs, nicht zurückgehen. Man hat
itzt viele vortreffliche Schriften in der Art. We-
nigſtens ſollten Zollikofers Predigten über die
Erziehung
in den Händen aller aufgeklärten Ael-
tern und Erzieher ſeyn.
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[318/0330] Der Einfluß der Mutter daſſelbe mit anhaltendem Luſt und Eifer treiben und nie dabey ermüden; ſo muß ich mich zur Erreichung meiner Abſichten aller der Mittel bedienen, die mir in meinem Stande und in den itzigen Zeiten zu Gebote ſtehen. *) *) Was iſt verkehrter als die Art, wie viele Mütter ſtrafen! Wie ſtrenge werden nicht gemeiniglich die Fehler wider den Wohlſtand und die Mode an den Töchtern geahndet! Und wie leicht werden nicht mo- raliſche Fehler überſehen und verziehen! Jſt es da ein Wunder, wenn das junge Mädchen Anſtand und Mode für das Wichtigſte und die Tugend für eine unbedeutende Nebenſache halten lernet! Was kann für das Herz und die Unſchuld eines jungen Mädchens gefährlicher ſeyn, als wenn daſſelbe zu frühzeitig in großen Geſellſchaſten erſcheint und da- ſelbſt eine Rolle zu ſpielen anfängt! Muß ſie da nicht durch den Schwarm von Schmeichlern verdor- ben und zur Verſtellung, zum Stolze, zur Eitelkeit, zur falſchen Schaam, zum Leichtſinne verleitet wer- den? Kann ſie ſich da gehörig zu den Geſchäfften vorbereiten und in den Geſchäfften üben, die ihrem Geſchlechte obliegen? Wird ſie nicht vielmehr an- fangen, dieſelben zu verachten und ſich der Trägheit, der Weichlichkeit und der Modeempfindſamkeit zu ergeben? Jſt es nicht höchſt thöricht, wenn ſich die Mutter von den Lobſprüchen blenden läſſet, die ſie wegen der Schönheit, des Witzes und des feinen Betragens ihrer Töchter erhält? Wird ſie ſich da nicht ſelbſt in dieſen lieben und die Fehler und Thorheiten derſelben bewundern lernen? Auf allgemeinere Fehler und auf die Erzie- hungskunſt uberhaupt kann ich hier, dem Zwecke dieſes Buchs gemäs, nicht zurückgehen. Man hat itzt viele vortreffliche Schriften in der Art. We- nigſtens ſollten Zollikofers Predigten über die Erziehung in den Händen aller aufgeklärten Ael- tern und Erzieher ſeyn.

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/330>, abgerufen am 24.11.2024.