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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Der Einfluß der Mutter
ler auszuzeichnen, wenn ich mich als eine öffentliche
Lobrednerin und Vertheidigerin alles dessen, was Mo-
de heißt, zeige: können und werden da meine Töchter
anders denken und urtheilen lernen? Werden und
müssen sie sich nicht daran gewöhnen, alle die Thor-
heiten für wichtige, begehrenswürdige Dinge und alle
die Fehler für schön zu halten, die sie von mir selbst
gepriesen hören und in Ausübung gebracht sehen? --
Wie viel Gutes hingegen kann ich durch ein tugend-
haftes Beyspiel bey ihnen befördern! Wie sehr kann
ich durch dasselbe den Eindruck verstärken, welchen die
Lehren der Weisheit und des Christenthums auf ihre
noch uneingenommenen Herzen machen! Meine ver-
nünftige Denkungsart, meine guten Gesinnungen,
meine gemeinnützigen und anwendbaren Grundsätze
werden sich ihnen unvermerkt mittheilen. Mein Ge-
schmack wird bald den ihrigen bilden. Jhre Achtung
für Pracht und Schimmer und Mode wird nicht
größer als die meinige seyn. Sie werden anfangs
vieles thun und vieles meiden, blos um sich nach mir
zu bilden und um mir Vergnügen dadurch zu machen,
und auf diese Weise wird ihnen endlich jede Tugend
höchst natürlich und jedes Laster als ein Widerspruch
erscheinen, wenn sie je länger je mehr höhere und ed-
lere Bewegungsgründe zum Guten damit verbinden
lernen.

Welch ein großer, entschiedener Vortheil der Er-
ziehung ist es nicht, das Zutrauen der Kinder zu be-
sitzen! Und wie leicht kann ich mir nicht als Mut-
ter das Zutrauen meiner Töchter erwerben! Schon

die

Der Einfluß der Mutter
ler auszuzeichnen, wenn ich mich als eine öffentliche
Lobrednerin und Vertheidigerin alles deſſen, was Mo-
de heißt, zeige: können und werden da meine Töchter
anders denken und urtheilen lernen? Werden und
müſſen ſie ſich nicht daran gewöhnen, alle die Thor-
heiten für wichtige, begehrenswürdige Dinge und alle
die Fehler für ſchön zu halten, die ſie von mir ſelbſt
geprieſen hören und in Ausübung gebracht ſehen? —
Wie viel Gutes hingegen kann ich durch ein tugend-
haftes Beyſpiel bey ihnen befördern! Wie ſehr kann
ich durch daſſelbe den Eindruck verſtärken, welchen die
Lehren der Weisheit und des Chriſtenthums auf ihre
noch uneingenommenen Herzen machen! Meine ver-
nünftige Denkungsart, meine guten Geſinnungen,
meine gemeinnützigen und anwendbaren Grundſätze
werden ſich ihnen unvermerkt mittheilen. Mein Ge-
ſchmack wird bald den ihrigen bilden. Jhre Achtung
für Pracht und Schimmer und Mode wird nicht
größer als die meinige ſeyn. Sie werden anfangs
vieles thun und vieles meiden, blos um ſich nach mir
zu bilden und um mir Vergnügen dadurch zu machen,
und auf dieſe Weiſe wird ihnen endlich jede Tugend
höchſt natürlich und jedes Laſter als ein Widerſpruch
erſcheinen, wenn ſie je länger je mehr höhere und ed-
lere Bewegungsgründe zum Guten damit verbinden
lernen.

Welch ein großer, entſchiedener Vortheil der Er-
ziehung iſt es nicht, das Zutrauen der Kinder zu be-
ſitzen! Und wie leicht kann ich mir nicht als Mut-
ter das Zutrauen meiner Töchter erwerben! Schon

die
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[314/0326] Der Einfluß der Mutter ler auszuzeichnen, wenn ich mich als eine öffentliche Lobrednerin und Vertheidigerin alles deſſen, was Mo- de heißt, zeige: können und werden da meine Töchter anders denken und urtheilen lernen? Werden und müſſen ſie ſich nicht daran gewöhnen, alle die Thor- heiten für wichtige, begehrenswürdige Dinge und alle die Fehler für ſchön zu halten, die ſie von mir ſelbſt geprieſen hören und in Ausübung gebracht ſehen? — Wie viel Gutes hingegen kann ich durch ein tugend- haftes Beyſpiel bey ihnen befördern! Wie ſehr kann ich durch daſſelbe den Eindruck verſtärken, welchen die Lehren der Weisheit und des Chriſtenthums auf ihre noch uneingenommenen Herzen machen! Meine ver- nünftige Denkungsart, meine guten Geſinnungen, meine gemeinnützigen und anwendbaren Grundſätze werden ſich ihnen unvermerkt mittheilen. Mein Ge- ſchmack wird bald den ihrigen bilden. Jhre Achtung für Pracht und Schimmer und Mode wird nicht größer als die meinige ſeyn. Sie werden anfangs vieles thun und vieles meiden, blos um ſich nach mir zu bilden und um mir Vergnügen dadurch zu machen, und auf dieſe Weiſe wird ihnen endlich jede Tugend höchſt natürlich und jedes Laſter als ein Widerſpruch erſcheinen, wenn ſie je länger je mehr höhere und ed- lere Bewegungsgründe zum Guten damit verbinden lernen. Welch ein großer, entſchiedener Vortheil der Er- ziehung iſt es nicht, das Zutrauen der Kinder zu be- ſitzen! Und wie leicht kann ich mir nicht als Mut- ter das Zutrauen meiner Töchter erwerben! Schon die

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/326>, abgerufen am 27.09.2024.