oder geringeres Opfer bringen heißt. Gesegnet soll mir jeder Freund, jeder Feind, jede Wohlthat, jedes Leiden, jede Freude, jede unangenehme, schmerzhaf- te Empfindung, jedes neue Verhältnis, jede Verän- derung seyn, die mich zur Beherrschung meiner selbst, zur Mäßigung und Einschränkung meiner Begierden und Leidenschaften auffordern, die mich so oder anders zur Erkenntnis und Verbesserung meiner Fehler brin- gen, die mir einen neuen wünschenswerthen Vortheil der Tugend und der Rechtschaffenheit zeigen.
Ist jeder Tag meines Lebens ein Tag der Prü- fung für mich, so wird es auch der heutige seyn. Ich kann und werde nicht von den Versuchungen und Ge- fahren frey bleiben, die den Menschen überhaupt, die auch das weibliche Geschlecht, die vorzüglich meinen itzigen Stand bedrohen. Vielleicht wird meiner Un- schuld und Tugend nachgestellt. Vielleicht soll ich zu unanständigen Zerstreuungen und Ergötzungen fortge- zogen, oder in andere gefährliche Unternehmungen verwickelt werden. Vielleicht werden mich die Mode, die Eitelkeit, das Beyspiel anderer zur Verabsäu- mung meines Berufs und meiner Pflichten verleiten wollen. Vielleicht werde ich zum Leichtsinn, zum Stolz, zum Neid, zur Verleumdung, zur Scha- denfreude, oder zu ähnlichen Lastern gereizt. -- Aber ich will mich itzt in deiner Gegenwart auf alles dieses vorbereiten. Ich will mich gegen diese Gefah- ren waffnen und alle Versuchungen zur Sünde muthig bekämpfen. Deinen Willen will ich zur einzigen Richtschnur meiner Gesinnungen, Wünsche, Urtheile
und
Morgengebet allgemeinen Inhalts.
oder geringeres Opfer bringen heißt. Geſegnet ſoll mir jeder Freund, jeder Feind, jede Wohlthat, jedes Leiden, jede Freude, jede unangenehme, ſchmerzhaf- te Empfindung, jedes neue Verhältnis, jede Verän- derung ſeyn, die mich zur Beherrſchung meiner ſelbſt, zur Mäßigung und Einſchränkung meiner Begierden und Leidenſchaften auffordern, die mich ſo oder anders zur Erkenntnis und Verbeſſerung meiner Fehler brin- gen, die mir einen neuen wünſchenswerthen Vortheil der Tugend und der Rechtſchaffenheit zeigen.
Iſt jeder Tag meines Lebens ein Tag der Prü- fung für mich, ſo wird es auch der heutige ſeyn. Ich kann und werde nicht von den Verſuchungen und Ge- fahren frey bleiben, die den Menſchen überhaupt, die auch das weibliche Geſchlecht, die vorzüglich meinen itzigen Stand bedrohen. Vielleicht wird meiner Un- ſchuld und Tugend nachgeſtellt. Vielleicht ſoll ich zu unanſtändigen Zerſtreuungen und Ergötzungen fortge- zogen, oder in andere gefährliche Unternehmungen verwickelt werden. Vielleicht werden mich die Mode, die Eitelkeit, das Beyſpiel anderer zur Verabſäu- mung meines Berufs und meiner Pflichten verleiten wollen. Vielleicht werde ich zum Leichtſinn, zum Stolz, zum Neid, zur Verleumdung, zur Scha- denfreude, oder zu ähnlichen Laſtern gereizt. — Aber ich will mich itzt in deiner Gegenwart auf alles dieſes vorbereiten. Ich will mich gegen dieſe Gefah- ren waffnen und alle Verſuchungen zur Sünde muthig bekämpfen. Deinen Willen will ich zur einzigen Richtſchnur meiner Geſinnungen, Wünſche, Urtheile
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Morgengebet allgemeinen Inhalts.
oder geringeres Opfer bringen heißt. Geſegnet ſoll
mir jeder Freund, jeder Feind, jede Wohlthat, jedes
Leiden, jede Freude, jede unangenehme, ſchmerzhaf-
te Empfindung, jedes neue Verhältnis, jede Verän-
derung ſeyn, die mich zur Beherrſchung meiner ſelbſt,
zur Mäßigung und Einſchränkung meiner Begierden
und Leidenſchaften auffordern, die mich ſo oder anders
zur Erkenntnis und Verbeſſerung meiner Fehler brin-
gen, die mir einen neuen wünſchenswerthen Vortheil
der Tugend und der Rechtſchaffenheit zeigen.
Iſt jeder Tag meines Lebens ein Tag der Prü-
fung für mich, ſo wird es auch der heutige ſeyn. Ich
kann und werde nicht von den Verſuchungen und Ge-
fahren frey bleiben, die den Menſchen überhaupt, die
auch das weibliche Geſchlecht, die vorzüglich meinen
itzigen Stand bedrohen. Vielleicht wird meiner Un-
ſchuld und Tugend nachgeſtellt. Vielleicht ſoll ich zu
unanſtändigen Zerſtreuungen und Ergötzungen fortge-
zogen, oder in andere gefährliche Unternehmungen
verwickelt werden. Vielleicht werden mich die Mode,
die Eitelkeit, das Beyſpiel anderer zur Verabſäu-
mung meines Berufs und meiner Pflichten verleiten
wollen. Vielleicht werde ich zum Leichtſinn, zum
Stolz, zum Neid, zur Verleumdung, zur Scha-
denfreude, oder zu ähnlichen Laſtern gereizt. —
Aber ich will mich itzt in deiner Gegenwart auf alles
dieſes vorbereiten. Ich will mich gegen dieſe Gefah-
ren waffnen und alle Verſuchungen zur Sünde muthig
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/168>, abgerufen am 23.06.2024.
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