Mode und gewöhnlich ist, sehe; wenn ich mich also vom Leichtsinn beherrschen lasse und das ernsthafte Nachdenken scheue: so habe ich die edelsten Vorzüge des Menschen und zugleich auch die einzigen wirksamen Mittel, verständig und gut und glückselig zu werden, verloren.
Und wie sehr ist nicht dieser Leichtsinn meinem Geschlechte eigen! Wie mächtig und hinreissend ist er nicht ganz besonders in den Jahren, in welchen ich itzt stehe! Wie sehr wird er da nicht durch die größere Freyheit, durch die Abwesenheit aller Sorgen, durch die Bequemlichkeit und Leichtigkeit, womit wir unsre Bedürfnisse befriedigen können, weil uns andere die Mittel dazu geben, wie sehr wird er nicht durch diese und ähnliche Umstände genährt und befördert! O wie behutsam und vorsichtig sollte ich in dieser Absicht seyn! wie sorgfältig sollte ich über mich wachen, um mich nicht von einer Denkungsart beschleichen zu lassen, die alle Tugend und Glückseligkeit untergräbt, jedes Laster begünstiget und den Grund zu einer immerwäh- renden Unzufriedenheit leget!
Ja, ferne sey es von mir, daß ich mich des Glücks der Religion durch meinen Leichtsinn berau- ben, daß ich mit zerstreutem Verstande und un- empfindlichem Herzen an den Uebungen in derselben Theil nehmen, oder mich ihnen ganz entziehen sollte! Dadurch würde ich zu erkennen geben, daß ich dich, meinen Schöpfer und Vater, nicht liebe, nicht ver- ehren und anbeten mag, daß ich nicht genauer mit dir bekannt zu werden und Gemeinschaft mit dir zu
haben
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Entſagung des Leichtſinns.
Mode und gewöhnlich iſt, ſehe; wenn ich mich alſo vom Leichtſinn beherrſchen laſſe und das ernſthafte Nachdenken ſcheue: ſo habe ich die edelſten Vorzüge des Menſchen und zugleich auch die einzigen wirkſamen Mittel, verſtändig und gut und glückſelig zu werden, verloren.
Und wie ſehr iſt nicht dieſer Leichtſinn meinem Geſchlechte eigen! Wie mächtig und hinreiſſend iſt er nicht ganz beſonders in den Jahren, in welchen ich itzt ſtehe! Wie ſehr wird er da nicht durch die größere Freyheit, durch die Abweſenheit aller Sorgen, durch die Bequemlichkeit und Leichtigkeit, womit wir unſre Bedürfniſſe befriedigen können, weil uns andere die Mittel dazu geben, wie ſehr wird er nicht durch dieſe und ähnliche Umſtände genährt und befördert! O wie behutſam und vorſichtig ſollte ich in dieſer Abſicht ſeyn! wie ſorgfältig ſollte ich über mich wachen, um mich nicht von einer Denkungsart beſchleichen zu laſſen, die alle Tugend und Glückſeligkeit untergräbt, jedes Laſter begünſtiget und den Grund zu einer immerwäh- renden Unzufriedenheit leget!
Ja, ferne ſey es von mir, daß ich mich des Glücks der Religion durch meinen Leichtſinn berau- ben, daß ich mit zerſtreutem Verſtande und un- empfindlichem Herzen an den Uebungen in derſelben Theil nehmen, oder mich ihnen ganz entziehen ſollte! Dadurch würde ich zu erkennen geben, daß ich dich, meinen Schöpfer und Vater, nicht liebe, nicht ver- ehren und anbeten mag, daß ich nicht genauer mit dir bekannt zu werden und Gemeinſchaft mit dir zu
haben
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Entſagung des Leichtſinns.
Mode und gewöhnlich iſt, ſehe; wenn ich mich alſo
vom Leichtſinn beherrſchen laſſe und das ernſthafte
Nachdenken ſcheue: ſo habe ich die edelſten Vorzüge
des Menſchen und zugleich auch die einzigen wirkſamen
Mittel, verſtändig und gut und glückſelig zu werden,
verloren.
Und wie ſehr iſt nicht dieſer Leichtſinn meinem
Geſchlechte eigen! Wie mächtig und hinreiſſend iſt er
nicht ganz beſonders in den Jahren, in welchen ich
itzt ſtehe! Wie ſehr wird er da nicht durch die größere
Freyheit, durch die Abweſenheit aller Sorgen, durch
die Bequemlichkeit und Leichtigkeit, womit wir unſre
Bedürfniſſe befriedigen können, weil uns andere die
Mittel dazu geben, wie ſehr wird er nicht durch dieſe
und ähnliche Umſtände genährt und befördert! O wie
behutſam und vorſichtig ſollte ich in dieſer Abſicht ſeyn!
wie ſorgfältig ſollte ich über mich wachen, um mich
nicht von einer Denkungsart beſchleichen zu laſſen,
die alle Tugend und Glückſeligkeit untergräbt, jedes
Laſter begünſtiget und den Grund zu einer immerwäh-
renden Unzufriedenheit leget!
Ja, ferne ſey es von mir, daß ich mich des
Glücks der Religion durch meinen Leichtſinn berau-
ben, daß ich mit zerſtreutem Verſtande und un-
empfindlichem Herzen an den Uebungen in derſelben
Theil nehmen, oder mich ihnen ganz entziehen ſollte!
Dadurch würde ich zu erkennen geben, daß ich dich,
meinen Schöpfer und Vater, nicht liebe, nicht ver-
ehren und anbeten mag, daß ich nicht genauer mit
dir bekannt zu werden und Gemeinſchaft mit dir zu
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/133>, abgerufen am 23.06.2024.
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