Beyfall schenken, wenn sie unanständig und meiner natürlichen Schaamhaftigkeit zuwider sind. Ich will nicht mit dieser Tugend pralen; aber sie desto gewis- senhafter zu erhalten und bey mir zu verstärken suchen. Ich will daher meine Geberden und Mienen und mein äusserliches Verhalten nicht mit ängstlicher Anstren- gung und kindischer Sorgfalt beobachten, nicht künst- lich in eine gewisse Form zu bringen suchen; aber ich will mein Herz so zum Guten bilden und im Guten befestigen und mir die Tugend so eigen machen, daß mein Aeusserliches von selbst anständig und ein Zeuge meiner Unschuld seyn muß. Amen.
VI. Die Bescheidenheit bey den Ansprüchen des weiblichen Geschlechts.
Mein Stand und meine Verhältnisse lehren mich Bescheidenheit; alles, o Gott, zeigt mir die Grenzen, die ich bey meinen Ansprüchen an andere Menschen nicht überschreiten soll, und nicht überschrei- ten kann, ohne mir selbst zu schaden. Ja, wenn ich das schlechterdings und unbedingt von der Welt fordere, was ich mir erst erwerben und wozu ich mich erst geschickt machen muß, so handle ich wider die
Ein-
Die Schaamhaftigkeit.
Beyfall ſchenken, wenn ſie unanſtändig und meiner natürlichen Schaamhaftigkeit zuwider ſind. Ich will nicht mit dieſer Tugend pralen; aber ſie deſto gewiſ- ſenhafter zu erhalten und bey mir zu verſtärken ſuchen. Ich will daher meine Geberden und Mienen und mein äuſſerliches Verhalten nicht mit ängſtlicher Anſtren- gung und kindiſcher Sorgfalt beobachten, nicht künſt- lich in eine gewiſſe Form zu bringen ſuchen; aber ich will mein Herz ſo zum Guten bilden und im Guten befeſtigen und mir die Tugend ſo eigen machen, daß mein Aeuſſerliches von ſelbſt anſtändig und ein Zeuge meiner Unſchuld ſeyn muß. Amen.
VI. Die Beſcheidenheit bey den Anſprüchen des weiblichen Geſchlechts.
Mein Stand und meine Verhältniſſe lehren mich Beſcheidenheit; alles, o Gott, zeigt mir die Grenzen, die ich bey meinen Anſprüchen an andere Menſchen nicht überſchreiten ſoll, und nicht überſchrei- ten kann, ohne mir ſelbſt zu ſchaden. Ja, wenn ich das ſchlechterdings und unbedingt von der Welt fordere, was ich mir erſt erwerben und wozu ich mich erſt geſchickt machen muß, ſo handle ich wider die
Ein-
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Die Schaamhaftigkeit.
Beyfall ſchenken, wenn ſie unanſtändig und meiner
natürlichen Schaamhaftigkeit zuwider ſind. Ich will
nicht mit dieſer Tugend pralen; aber ſie deſto gewiſ-
ſenhafter zu erhalten und bey mir zu verſtärken ſuchen.
Ich will daher meine Geberden und Mienen und mein
äuſſerliches Verhalten nicht mit ängſtlicher Anſtren-
gung und kindiſcher Sorgfalt beobachten, nicht künſt-
lich in eine gewiſſe Form zu bringen ſuchen; aber ich
will mein Herz ſo zum Guten bilden und im Guten
befeſtigen und mir die Tugend ſo eigen machen, daß
mein Aeuſſerliches von ſelbſt anſtändig und ein Zeuge
meiner Unſchuld ſeyn muß. Amen.
VI.
Die Beſcheidenheit
bey den Anſprüchen des weiblichen Geſchlechts.
Mein Stand und meine Verhältniſſe lehren mich
Beſcheidenheit; alles, o Gott, zeigt mir die
Grenzen, die ich bey meinen Anſprüchen an andere
Menſchen nicht überſchreiten ſoll, und nicht überſchrei-
ten kann, ohne mir ſelbſt zu ſchaden. Ja, wenn
ich das ſchlechterdings und unbedingt von der Welt
fordere, was ich mir erſt erwerben und wozu ich mich
erſt geſchickt machen muß, ſo handle ich wider die
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/126>, abgerufen am 23.06.2024.
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