Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.Die Liebe. schwächern Triebfedern unsrer Natur wirken nach deinerweisen Einrichtung nur zu Einem Zwecke, zu unsrer Vervollkommnung und Glückseligkeit hin. In dieser Absicht hast du auch jedem Menschen die Liebe ins Herz ge- gepflanzt. In dieser Absicht hast du die Erhaltung und Fortpflanzung des menschlichen Geschlechts, so wie die Erhaltung und Fortpflanzung aller lebendigen Geschöpfe an diesen reizbaren und reizvollen Trieb gebunden. In dieser Absicht willst du, daß wir alle das dringende Bedürfniß der Liebe mehr oder weniger fühlen und be- friedigen sollen. Aber vernünftige und moralische Geschöpfe, Ja, gütigster Gott und Vater, du hast dei- an- G 5
Die Liebe. ſchwächern Triebfedern unſrer Natur wirken nach deinerweiſen Einrichtung nur zu Einem Zwecke, zu unſrer Vervollkommnung und Glückſeligkeit hin. In dieſer Abſicht haſt du auch jedem Menſchen die Liebe ins Herz ge- gepflanzt. In dieſer Abſicht haſt du die Erhaltung und Fortpflanzung des menſchlichen Geſchlechts, ſo wie die Erhaltung und Fortpflanzung aller lebendigen Geſchöpfe an dieſen reizbaren und reizvollen Trieb gebunden. In dieſer Abſicht willſt du, daß wir alle das dringende Bedürfniß der Liebe mehr oder weniger fühlen und be- friedigen ſollen. Aber vernünftige und moraliſche Geſchöpfe, Ja, gütigſter Gott und Vater, du haſt dei- an- G 5
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Die Liebe.
ſchwächern Triebfedern unſrer Natur wirken nach deiner
weiſen Einrichtung nur zu Einem Zwecke, zu unſrer
Vervollkommnung und Glückſeligkeit hin. In dieſer
Abſicht haſt du auch jedem Menſchen die Liebe ins Herz ge-
gepflanzt. In dieſer Abſicht haſt du die Erhaltung und
Fortpflanzung des menſchlichen Geſchlechts, ſo wie die
Erhaltung und Fortpflanzung aller lebendigen Geſchöpfe
an dieſen reizbaren und reizvollen Trieb gebunden. In
dieſer Abſicht willſt du, daß wir alle das dringende
Bedürfniß der Liebe mehr oder weniger fühlen und be-
friedigen ſollen.
Aber vernünftige und moraliſche Geſchöpfe,
o Gott, müſſen jedes Bedürfnis ihrer höhern menſch-
lichen Natur ſo fühlen und jeden derſelben inwohnen-
den Trieb ſo befriedigen, wie es ihrer Würde und
Beſtimmung, deinem Willen und ihrer Glückſelig-
keit gemäs iſt. In der Beobachtung dieſer heilſamen
Einſchränkung beſtehet das Weſen der Tugend; und die
Uebung in derſelben iſt Uebung in der Vollkommen-
heit und Annäherung zum Ziele, das du uns als ver-
nünftigen, unſterblichen Geſchöpfen zu erreichen vor-
geſetzet haſt. — O möchte ich doch in dieſem Stücke
meiner Vernunft und deinen Geſetzen folgen! Möchte
ich die ſüſſe, wohlthätige Empfindung der Liebe nie zu ei-
nem blinden, ungeleiteten Triebe bey mir werden
laſſen! Möchte ich dieſelbe, den Verhältniſſen meines
Geſchlechts und meines gegenwärtigen Standes ge-
mäs, ſo beurtheilen und mich ſo dagegen verhalten, wie
es meine Pflicht, mein Glück und meine Ehre erfordern!
Ja, gütigſter Gott und Vater, du haſt dei-
nen Kindern das Geſchenk der Liebe gewiß in keiner
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