Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

liche Ertrag zur Gefahr im geraden oder, was dasselbe ist, zu
seiner Wahrscheinlichkeit im umgekehrten Verhältnisse stehen müsse.
Die Erfahrung widerspricht dem unter gewissen Umständen. Na-
mentlich bei ärmern Völkern sehen wir, daß Unternehmungen,
die den glücklichen Unternehmern weit mehr eintragen, als der
Verlust der unglücklichen beträgt, gleichwohl eine concurrirende
Nacheiferung nicht hervorrufen. Weit häufiger aber noch ist der
Fall, daß der Gewinn der glücklichen Unternehmer den Verlust,
der bei mißlungenen Unternehmungen der gleichen Art erlitten
wird, lange nicht aufwiegt. Es ist eine bekannte Thatsache,
daß in unsern Verhältnissen bei den meisten Speculationen im
Ganzen weit mehr verloren als gewonnen wird 1). Auch die
Erziehung, insofern sie wirklich Sache der ökonomischen Berech-
nung ist, gehört hierher. In allen höhern Berufsarten gelangt
nur ein verhältnißmäßig kleiner Theil Derer, die dafür bestimmt
sind, ans Ziel. Dieß erhöht freilich die Ausgiebigkeit der Stel-
lung derjenigen, denen das Glück wohl gewollt hat, aber wer
möchte behaupten, daß die Mehreinnahme dieser der Gesammt-
masse der von ihren weniger erfolgreichen Mitwerbern aufgewen-
deten Kosten entspreche 2)?

1) In Frankreich rechnet man im Allgemeinen, daß von 100 versuchten
oder angefangenen gewerblichen Unternehmungen 20 zu Grunde gehen, bevor
sie irgend Wurzel gefaßt haben; 50--60 vegetiren kürzere oder längere Zeit
in beständiger Gefahr des Untergangs und höchstens 10 kommen zu bedeu-
tender, oft nicht einmal dauernder Blüthe. Godard, bei Roscher §. 196.
Anm. 2.
2) Schon Adam Smith (I, 10) sagt: Man vergleiche, was an einem
gegebenen Orte von den verschiedenen Arbeitern eines gewöhnlichen Gewerbes,
wie Schuhmachern oder Webern durchschnittlich jährlich verdient und was
von ihnen ausgegeben wird, und man wird finden, daß die erstere Summe
in der Regel die letztere übersteigt, aber man stelle denselben Vergleich in
Bezug auf Juristen (Richter und Studenten) an, und man wird finden, daß

liche Ertrag zur Gefahr im geraden oder, was daſſelbe iſt, zu
ſeiner Wahrſcheinlichkeit im umgekehrten Verhaͤltniſſe ſtehen muͤſſe.
Die Erfahrung widerſpricht dem unter gewiſſen Umſtaͤnden. Na-
mentlich bei aͤrmern Voͤlkern ſehen wir, daß Unternehmungen,
die den gluͤcklichen Unternehmern weit mehr eintragen, als der
Verluſt der ungluͤcklichen betraͤgt, gleichwohl eine concurrirende
Nacheiferung nicht hervorrufen. Weit haͤufiger aber noch iſt der
Fall, daß der Gewinn der gluͤcklichen Unternehmer den Verluſt,
der bei mißlungenen Unternehmungen der gleichen Art erlitten
wird, lange nicht aufwiegt. Es iſt eine bekannte Thatſache,
daß in unſern Verhaͤltniſſen bei den meiſten Speculationen im
Ganzen weit mehr verloren als gewonnen wird 1). Auch die
Erziehung, inſofern ſie wirklich Sache der oͤkonomiſchen Berech-
nung iſt, gehoͤrt hierher. In allen hoͤhern Berufsarten gelangt
nur ein verhaͤltnißmaͤßig kleiner Theil Derer, die dafuͤr beſtimmt
ſind, ans Ziel. Dieß erhoͤht freilich die Ausgiebigkeit der Stel-
lung derjenigen, denen das Gluͤck wohl gewollt hat, aber wer
moͤchte behaupten, daß die Mehreinnahme dieſer der Geſammt-
maſſe der von ihren weniger erfolgreichen Mitwerbern aufgewen-
deten Koſten entſpreche 2)?

1) In Frankreich rechnet man im Allgemeinen, daß von 100 verſuchten
oder angefangenen gewerblichen Unternehmungen 20 zu Grunde gehen, bevor
ſie irgend Wurzel gefaßt haben; 50—60 vegetiren kürzere oder längere Zeit
in beſtändiger Gefahr des Untergangs und höchſtens 10 kommen zu bedeu-
tender, oft nicht einmal dauernder Blüthe. Godard, bei Roſcher §. 196.
Anm. 2.
2) Schon Adam Smith (I, 10) ſagt: Man vergleiche, was an einem
gegebenen Orte von den verſchiedenen Arbeitern eines gewöhnlichen Gewerbes,
wie Schuhmachern oder Webern durchſchnittlich jährlich verdient und was
von ihnen ausgegeben wird, und man wird finden, daß die erſtere Summe
in der Regel die letztere überſteigt, aber man ſtelle denſelben Vergleich in
Bezug auf Juriſten (Richter und Studenten) an, und man wird finden, daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0097" n="85"/>
liche Ertrag zur Gefahr im geraden oder, was da&#x017F;&#x017F;elbe i&#x017F;t, zu<lb/>
&#x017F;einer Wahr&#x017F;cheinlichkeit im umgekehrten Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Die Erfahrung wider&#x017F;pricht dem unter gewi&#x017F;&#x017F;en Um&#x017F;ta&#x0364;nden. Na-<lb/>
mentlich bei a&#x0364;rmern Vo&#x0364;lkern &#x017F;ehen wir, daß Unternehmungen,<lb/>
die den glu&#x0364;cklichen Unternehmern weit mehr eintragen, als der<lb/>
Verlu&#x017F;t der unglu&#x0364;cklichen betra&#x0364;gt, gleichwohl eine concurrirende<lb/>
Nacheiferung nicht hervorrufen. Weit ha&#x0364;ufiger aber noch i&#x017F;t der<lb/>
Fall, daß der Gewinn der glu&#x0364;cklichen Unternehmer den Verlu&#x017F;t,<lb/>
der bei mißlungenen Unternehmungen der gleichen Art erlitten<lb/>
wird, lange nicht aufwiegt. Es i&#x017F;t eine bekannte That&#x017F;ache,<lb/>
daß in un&#x017F;ern Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en bei den mei&#x017F;ten Speculationen im<lb/>
Ganzen weit mehr verloren als gewonnen wird <note place="foot" n="1)">In Frankreich rechnet man im Allgemeinen, daß von 100 ver&#x017F;uchten<lb/>
oder angefangenen gewerblichen Unternehmungen 20 zu Grunde gehen, bevor<lb/>
&#x017F;ie irgend Wurzel gefaßt haben; 50&#x2014;60 vegetiren kürzere oder längere Zeit<lb/>
in be&#x017F;tändiger Gefahr des Untergangs und höch&#x017F;tens 10 kommen zu bedeu-<lb/>
tender, oft nicht einmal dauernder Blüthe. Godard, bei Ro&#x017F;cher §. 196.<lb/>
Anm. 2.</note>. Auch die<lb/>
Erziehung, in&#x017F;ofern &#x017F;ie wirklich Sache der o&#x0364;konomi&#x017F;chen Berech-<lb/>
nung i&#x017F;t, geho&#x0364;rt hierher. In allen ho&#x0364;hern Berufsarten gelangt<lb/>
nur ein verha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßig kleiner Theil Derer, die dafu&#x0364;r be&#x017F;timmt<lb/>
&#x017F;ind, ans Ziel. Dieß erho&#x0364;ht freilich die Ausgiebigkeit der Stel-<lb/>
lung derjenigen, denen das Glu&#x0364;ck wohl gewollt hat, aber wer<lb/>
mo&#x0364;chte behaupten, daß die Mehreinnahme die&#x017F;er der Ge&#x017F;ammt-<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;e der von ihren weniger erfolgreichen Mitwerbern aufgewen-<lb/>
deten Ko&#x017F;ten ent&#x017F;preche <note xml:id="seg2pn_7_1" next="#seg2pn_7_2" place="foot" n="2)">Schon Adam Smith (<hi rendition="#aq">I,</hi> 10) &#x017F;agt: Man vergleiche, was an einem<lb/>
gegebenen Orte von den ver&#x017F;chiedenen Arbeitern eines gewöhnlichen Gewerbes,<lb/>
wie Schuhmachern oder Webern durch&#x017F;chnittlich jährlich verdient und was<lb/>
von ihnen ausgegeben wird, und man wird finden, daß die er&#x017F;tere Summe<lb/>
in der Regel die letztere über&#x017F;teigt, aber man &#x017F;telle den&#x017F;elben Vergleich in<lb/>
Bezug auf Juri&#x017F;ten (Richter und Studenten) an, und man wird finden, daß</note>?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0097] liche Ertrag zur Gefahr im geraden oder, was daſſelbe iſt, zu ſeiner Wahrſcheinlichkeit im umgekehrten Verhaͤltniſſe ſtehen muͤſſe. Die Erfahrung widerſpricht dem unter gewiſſen Umſtaͤnden. Na- mentlich bei aͤrmern Voͤlkern ſehen wir, daß Unternehmungen, die den gluͤcklichen Unternehmern weit mehr eintragen, als der Verluſt der ungluͤcklichen betraͤgt, gleichwohl eine concurrirende Nacheiferung nicht hervorrufen. Weit haͤufiger aber noch iſt der Fall, daß der Gewinn der gluͤcklichen Unternehmer den Verluſt, der bei mißlungenen Unternehmungen der gleichen Art erlitten wird, lange nicht aufwiegt. Es iſt eine bekannte Thatſache, daß in unſern Verhaͤltniſſen bei den meiſten Speculationen im Ganzen weit mehr verloren als gewonnen wird 1). Auch die Erziehung, inſofern ſie wirklich Sache der oͤkonomiſchen Berech- nung iſt, gehoͤrt hierher. In allen hoͤhern Berufsarten gelangt nur ein verhaͤltnißmaͤßig kleiner Theil Derer, die dafuͤr beſtimmt ſind, ans Ziel. Dieß erhoͤht freilich die Ausgiebigkeit der Stel- lung derjenigen, denen das Gluͤck wohl gewollt hat, aber wer moͤchte behaupten, daß die Mehreinnahme dieſer der Geſammt- maſſe der von ihren weniger erfolgreichen Mitwerbern aufgewen- deten Koſten entſpreche 2)? 1) In Frankreich rechnet man im Allgemeinen, daß von 100 verſuchten oder angefangenen gewerblichen Unternehmungen 20 zu Grunde gehen, bevor ſie irgend Wurzel gefaßt haben; 50—60 vegetiren kürzere oder längere Zeit in beſtändiger Gefahr des Untergangs und höchſtens 10 kommen zu bedeu- tender, oft nicht einmal dauernder Blüthe. Godard, bei Roſcher §. 196. Anm. 2. 2) Schon Adam Smith (I, 10) ſagt: Man vergleiche, was an einem gegebenen Orte von den verſchiedenen Arbeitern eines gewöhnlichen Gewerbes, wie Schuhmachern oder Webern durchſchnittlich jährlich verdient und was von ihnen ausgegeben wird, und man wird finden, daß die erſtere Summe in der Regel die letztere überſteigt, aber man ſtelle denſelben Vergleich in Bezug auf Juriſten (Richter und Studenten) an, und man wird finden, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/97
Zitationshilfe: Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/97>, abgerufen am 28.11.2024.