Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704.

Bild:
<< vorherige Seite

Miß-Geburth werde. Denn gilt die Müntze nur
in dem Lande/ wo sie geschlagen/ am meisten/ also
auch eines jeden Landes-Redens-Art daselbst/ wo sie
zu Hause.

Reg. 5. Der Deutlichkeit in der Rede muß sich
ein Poet am allermeisten befleissigen/ als auch/ daß
die Versse fliessen/ und nicht gezwungen sind/ daher
ist zu vermeiden:

(1) Die Zweiffelhaffte Rede/ so die Griechen am-
phibolian nennen/ welche man auf zweyerley Art
deuten kan/ v. g. das Wild das Weib zerreist. Da
man nicht weiß/ ob das Weib das Wild/ oder das
Wild das Weib zerreisset.

(2.) Der Wörter Verkehruug und Unordnung/
von den Griechen anastrophe[fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] genannt/ v. g. obschon
die Feder wegwarff/ vor/ ob er die Feder schon weg-
warff. (a) also muß man nicht das subjectum hinten
setzen/ oder (b) das Praedicatum auf was anders sparen/
sondern diese beyde müssen im Verß meist voran ste-
heu; Der Zusatz hergegen des subjecti mag nach
Belieben vor oder hinter das Praedicatum gesetzt wer-
den. Also sag ich: GOTT ist das beste Heyl in die-
ser Sterblichkeit/ oder auch: GOtt ist in dieser Welt
daß allerbeste Heyl. (n) Wo ich Fragen und figur-
liche Reden führe/ da kan das Praedicatum zuweilen
vor das Subjectum gesetzt werden/ v. g. Was macht
die tolle Welt? nicht aber sage ich: die tolle Welt was
macht? Es gibt aber die gemeine Redens-Art hie-
rinn den besten Hoffmeister ab/ und wer seines Ge-
höres und Sinnen nur mächtig ist/ wird diesem fok-
gen.

(3) Das

Miß-Geburth werde. Denn gilt die Muͤntze nur
in dem Lande/ wo ſie geſchlagen/ am meiſten/ alſo
auch eines jeden Landes-Redens-Art daſelbſt/ wo ſie
zu Hauſe.

Reg. 5. Der Deutlichkeit in der Rede muß ſich
ein Poet am allermeiſten befleiſſigen/ als auch/ daß
die Verſſe flieſſen/ und nicht gezwungen ſind/ daher
iſt zu vermeiden:

(1) Die Zweiffelhaffte Rede/ ſo die Griechen ἀμ-
φιβολίαν nennen/ welche man auf zweyerley Art
deuten kan/ v. g. das Wild das Weib zerreiſt. Da
man nicht weiß/ ob das Weib das Wild/ oder das
Wild das Weib zerreiſſet.

(2.) Der Woͤrter Verkehruug und Unordnung/
von den Griechen ἀναϛροφὴ[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] genannt/ v. g. obſchon
die Feder wegwarff/ vor/ ob er die Feder ſchon weg-
warff. (α) alſo muß man nicht das ſubjectum hinten
ſetzen/ oder (β) das Prædicatum auf was anders ſparen/
ſondern dieſe beyde muͤſſen im Verß meiſt voran ſte-
heu; Der Zuſatz hergegen des ſubjecti mag nach
Belieben vor oder hinter das Prædicatum geſetzt wer-
den. Alſo ſag ich: GOTT iſt das beſte Heyl in die-
ſer Sterblichkeit/ oder auch: GOtt iſt in dieſer Welt
daß allerbeſte Heyl. (ν) Wo ich Fragen und figur-
liche Reden fuͤhre/ da kan das Prædicatum zuweilen
vor das Subjectum geſetzt werden/ v. g. Was macht
die tolle Welt? nicht aber ſage ich: die tolle Welt was
macht? Es gibt aber die gemeine Redens-Art hie-
rinn den beſten Hoffmeiſter ab/ und wer ſeines Ge-
hoͤres und Sinnen nur maͤchtig iſt/ wird dieſem fok-
gen.

(3) Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0055" n="43"/>
Miß-Geburth werde. Denn gilt die Mu&#x0364;ntze nur<lb/>
in dem Lande/ wo &#x017F;ie ge&#x017F;chlagen/ am mei&#x017F;ten/ al&#x017F;o<lb/>
auch eines jeden Landes-Redens-Art da&#x017F;elb&#x017F;t/ wo &#x017F;ie<lb/>
zu Hau&#x017F;e.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">Reg.</hi> 5. Der Deutlichkeit in der Rede muß &#x017F;ich<lb/>
ein Poet am allermei&#x017F;ten beflei&#x017F;&#x017F;igen/ als auch/ daß<lb/>
die Ver&#x017F;&#x017F;e flie&#x017F;&#x017F;en/ und nicht gezwungen &#x017F;ind/ daher<lb/>
i&#x017F;t zu vermeiden:</p><lb/>
          <p>(1) Die Zweiffelhaffte Rede/ &#x017F;o die Griechen &#x1F00;&#x03BC;-<lb/>
&#x03C6;&#x03B9;&#x03B2;&#x03BF;&#x03BB;&#x03AF;&#x03B1;&#x03BD; nennen/ welche man auf zweyerley Art<lb/>
deuten kan/ <hi rendition="#aq">v. g.</hi> das Wild das Weib zerrei&#x017F;t. Da<lb/>
man nicht weiß/ ob das Weib das Wild/ oder das<lb/>
Wild das Weib zerrei&#x017F;&#x017F;et.</p><lb/>
          <p>(2.) Der Wo&#x0364;rter Verkehruug und Unordnung/<lb/>
von den Griechen &#x1F00;&#x03BD;&#x03B1;&#x03DB;&#x03C1;&#x03BF;&#x03C6;&#x1F74;<gap reason="fm" unit="chars"/> genannt/ <hi rendition="#aq">v. g.</hi> ob&#x017F;chon<lb/>
die Feder wegwarff/ vor/ ob er die Feder &#x017F;chon weg-<lb/>
warff. (&#x03B1;) al&#x017F;o muß man nicht das <hi rendition="#aq">&#x017F;ubjectum</hi> hinten<lb/>
&#x017F;etzen/ oder (&#x03B2;) das <hi rendition="#aq">Prædicatum</hi> auf was anders &#x017F;paren/<lb/>
&#x017F;ondern die&#x017F;e beyde mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en im Verß mei&#x017F;t voran &#x017F;te-<lb/>
heu; Der Zu&#x017F;atz hergegen des <hi rendition="#aq">&#x017F;ubjecti</hi> mag nach<lb/>
Belieben vor oder hinter das <hi rendition="#aq">Prædicatum</hi> ge&#x017F;etzt wer-<lb/>
den. Al&#x017F;o &#x017F;ag ich: GOTT i&#x017F;t das be&#x017F;te Heyl in die-<lb/>
&#x017F;er Sterblichkeit/ oder auch: GOtt i&#x017F;t in die&#x017F;er Welt<lb/>
daß allerbe&#x017F;te Heyl. (&#x03BD;) Wo ich Fragen und figur-<lb/>
liche Reden fu&#x0364;hre/ da kan das <hi rendition="#aq">Prædicatum</hi> zuweilen<lb/>
vor das <hi rendition="#aq">Subjectum</hi> ge&#x017F;etzt werden/ <hi rendition="#aq">v. g.</hi> Was macht<lb/>
die tolle Welt? nicht aber &#x017F;age ich: die tolle Welt was<lb/>
macht? Es gibt aber die gemeine Redens-Art hie-<lb/>
rinn den be&#x017F;ten Hoffmei&#x017F;ter ab/ und wer &#x017F;eines Ge-<lb/>
ho&#x0364;res und Sinnen nur ma&#x0364;chtig i&#x017F;t/ wird die&#x017F;em fok-<lb/>
gen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">(3) Das</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0055] Miß-Geburth werde. Denn gilt die Muͤntze nur in dem Lande/ wo ſie geſchlagen/ am meiſten/ alſo auch eines jeden Landes-Redens-Art daſelbſt/ wo ſie zu Hauſe. Reg. 5. Der Deutlichkeit in der Rede muß ſich ein Poet am allermeiſten befleiſſigen/ als auch/ daß die Verſſe flieſſen/ und nicht gezwungen ſind/ daher iſt zu vermeiden: (1) Die Zweiffelhaffte Rede/ ſo die Griechen ἀμ- φιβολίαν nennen/ welche man auf zweyerley Art deuten kan/ v. g. das Wild das Weib zerreiſt. Da man nicht weiß/ ob das Weib das Wild/ oder das Wild das Weib zerreiſſet. (2.) Der Woͤrter Verkehruug und Unordnung/ von den Griechen ἀναϛροφὴ_ genannt/ v. g. obſchon die Feder wegwarff/ vor/ ob er die Feder ſchon weg- warff. (α) alſo muß man nicht das ſubjectum hinten ſetzen/ oder (β) das Prædicatum auf was anders ſparen/ ſondern dieſe beyde muͤſſen im Verß meiſt voran ſte- heu; Der Zuſatz hergegen des ſubjecti mag nach Belieben vor oder hinter das Prædicatum geſetzt wer- den. Alſo ſag ich: GOTT iſt das beſte Heyl in die- ſer Sterblichkeit/ oder auch: GOtt iſt in dieſer Welt daß allerbeſte Heyl. (ν) Wo ich Fragen und figur- liche Reden fuͤhre/ da kan das Prædicatum zuweilen vor das Subjectum geſetzt werden/ v. g. Was macht die tolle Welt? nicht aber ſage ich: die tolle Welt was macht? Es gibt aber die gemeine Redens-Art hie- rinn den beſten Hoffmeiſter ab/ und wer ſeines Ge- hoͤres und Sinnen nur maͤchtig iſt/ wird dieſem fok- gen. (3) Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe von 1704 handelt es sich, um die … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704/55
Zitationshilfe: Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704. , S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704/55>, abgerufen am 05.05.2024.