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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Erstes Kapitel.
der Säulen sich umgekehrt wie die Querschnitte und
Säulengewichte verhalten, also wie bei den Maschinen
im Gleichgewicht. Dies ist aber nicht ganz correct.
Der Fall entspricht nicht genau den von Galilei unter-
suchten Gleichgewichtsfällen an Maschinen, welche ein in-
differentes Gleichgewicht darbieten. Bei den Flüssig-
keiten in communicirenden Röhren bringt nämlich jede
Störung des gemeinschaftlichen Flüssigkeitsspiegels eine
Schwerpunktserhebung hervor. In dem Falle der
Figur 61 wird der Schwerpunkt S, der in A aus dem
schraffirten Raum verdrängten Flüssigkeit nach S' ge-
hoben, während man die übrige Flüssigkeit als unbe-
wegt betrachten kann. Der Schwerpunkt liegt also im
Gleichgewichtsfall am tiefsten.

[Abbildung] Fig. 62.

6. Pascal verwendet ebenfalls das
Princip der virtuellen Verschiebungen,
aber in correcter Weise, denn er sieht
von dem Gewicht der Flüssigkeit ab,
und betrachtet nur den Oberflächen-
druck. Denkt man sich zwei com-
municirende Gefässe mit Kolben ver-
schlossen, und werden diese Kolben,
durch ihren Flächen proportionale
Gewichte belastet, so besteht Gleich-
gewicht, weil vermöge der Unveränderlichkeit des
Flüssigkeitsvolums bei jeder Störung die Verschiebungen
den Gewichten verkehrt proportionirt sind. Für Pascal
folgt also aus dem Princip der virtuellen Verschiebungen,
dass im Gleichgewichtsfalle jeder Druck auf einen Ober-
flächentheil der Flüssigkeit sich auf jeden andern wie
immer orientirten gleichen Oberflächentheil in gleicher
Grösse fortpflanzt. Es ist nichts dagegen einzuwenden,
dass auf diesem Wege der Satz gefunden werde.
Wir werden jedoch sehen, dass die natürlichere und
befriedigendere Auffassung darin besteht, den Satz als
direct gegeben zu betrachten.

7. Wir wollen nun nach dieser historischen Skizze
die wichtigsten Fälle des Flüssigkeitsgleichgewichts

Erstes Kapitel.
der Säulen sich umgekehrt wie die Querschnitte und
Säulengewichte verhalten, also wie bei den Maschinen
im Gleichgewicht. Dies ist aber nicht ganz correct.
Der Fall entspricht nicht genau den von Galilei unter-
suchten Gleichgewichtsfällen an Maschinen, welche ein in-
differentes Gleichgewicht darbieten. Bei den Flüssig-
keiten in communicirenden Röhren bringt nämlich jede
Störung des gemeinschaftlichen Flüssigkeitsspiegels eine
Schwerpunktserhebung hervor. In dem Falle der
Figur 61 wird der Schwerpunkt S, der in A aus dem
schraffirten Raum verdrängten Flüssigkeit nach S′ ge-
hoben, während man die übrige Flüssigkeit als unbe-
wegt betrachten kann. Der Schwerpunkt liegt also im
Gleichgewichtsfall am tiefsten.

[Abbildung] Fig. 62.

6. Pascal verwendet ebenfalls das
Princip der virtuellen Verschiebungen,
aber in correcter Weise, denn er sieht
von dem Gewicht der Flüssigkeit ab,
und betrachtet nur den Oberflächen-
druck. Denkt man sich zwei com-
municirende Gefässe mit Kolben ver-
schlossen, und werden diese Kolben,
durch ihren Flächen proportionale
Gewichte belastet, so besteht Gleich-
gewicht, weil vermöge der Unveränderlichkeit des
Flüssigkeitsvolums bei jeder Störung die Verschiebungen
den Gewichten verkehrt proportionirt sind. Für Pascal
folgt also aus dem Princip der virtuellen Verschiebungen,
dass im Gleichgewichtsfalle jeder Druck auf einen Ober-
flächentheil der Flüssigkeit sich auf jeden andern wie
immer orientirten gleichen Oberflächentheil in gleicher
Grösse fortpflanzt. Es ist nichts dagegen einzuwenden,
dass auf diesem Wege der Satz gefunden werde.
Wir werden jedoch sehen, dass die natürlichere und
befriedigendere Auffassung darin besteht, den Satz als
direct gegeben zu betrachten.

7. Wir wollen nun nach dieser historischen Skizze
die wichtigsten Fälle des Flüssigkeitsgleichgewichts

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[84/0096] Erstes Kapitel. der Säulen sich umgekehrt wie die Querschnitte und Säulengewichte verhalten, also wie bei den Maschinen im Gleichgewicht. Dies ist aber nicht ganz correct. Der Fall entspricht nicht genau den von Galilei unter- suchten Gleichgewichtsfällen an Maschinen, welche ein in- differentes Gleichgewicht darbieten. Bei den Flüssig- keiten in communicirenden Röhren bringt nämlich jede Störung des gemeinschaftlichen Flüssigkeitsspiegels eine Schwerpunktserhebung hervor. In dem Falle der Figur 61 wird der Schwerpunkt S, der in A aus dem schraffirten Raum verdrängten Flüssigkeit nach S′ ge- hoben, während man die übrige Flüssigkeit als unbe- wegt betrachten kann. Der Schwerpunkt liegt also im Gleichgewichtsfall am tiefsten. [Abbildung Fig. 62.] 6. Pascal verwendet ebenfalls das Princip der virtuellen Verschiebungen, aber in correcter Weise, denn er sieht von dem Gewicht der Flüssigkeit ab, und betrachtet nur den Oberflächen- druck. Denkt man sich zwei com- municirende Gefässe mit Kolben ver- schlossen, und werden diese Kolben, durch ihren Flächen proportionale Gewichte belastet, so besteht Gleich- gewicht, weil vermöge der Unveränderlichkeit des Flüssigkeitsvolums bei jeder Störung die Verschiebungen den Gewichten verkehrt proportionirt sind. Für Pascal folgt also aus dem Princip der virtuellen Verschiebungen, dass im Gleichgewichtsfalle jeder Druck auf einen Ober- flächentheil der Flüssigkeit sich auf jeden andern wie immer orientirten gleichen Oberflächentheil in gleicher Grösse fortpflanzt. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass auf diesem Wege der Satz gefunden werde. Wir werden jedoch sehen, dass die natürlichere und befriedigendere Auffassung darin besteht, den Satz als direct gegeben zu betrachten. 7. Wir wollen nun nach dieser historischen Skizze die wichtigsten Fälle des Flüssigkeitsgleichgewichts

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/96>, abgerufen am 28.04.2024.