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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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und Bestätigungen der bereits bekannten Sätze ergeben,
und die physikalische Erfahrung wurde durch die be-
treffenden Untersuchungen sehr bereichert. Wir wollen
deshalb diesem Gegenstande einige Blätter widmen.

2. Auch im Gebiete der Statik der Flüssigkeiten hat
Archimedes den Grund gelegt. Von ihm rührt der be-
kannte Satz über den Auftrieb (oder Gewichtsverlust)
der in Flüssigkeiten eingetauchten Körper her, über
dessen Auffindung Vitruv, "De architectura", lib. 9, Fol-
gendes berichtet:

"Von all den vielen wunderbaren und mannichfachen,
wol auch unendlich sinnreichen Entdeckungen des Ar-
chimedes aber will ich nur die anführen, welche auf
eine überaus kluge Weise gewonnen sein dürfte. Als
nämlich Hiero, nachdem er zu königlicher Macht er-
hoben worden, für seine glücklichen Thaten einen gol-
denen Kranz, den er gelobt hatte, in irgendeinem
Heiligthum weihen wollte, liess er diesen gegen Arbeits-
lohn fertigen, und wog das dazu nöthige Gold dem
Unternehmer genau vor. Dieser überlieferte seinerzeit
das zur vollen Zufriedenheit des Königs gefertigte Werk,
und auch das Gewicht des Kranzes schien genau zu
entsprechen.

"Als aber später die Anzeige gemacht wurde, es sei
Gold unterschlagen und dafür ebenso viel Silber bei-
gemischt worden, da beauftragte Hiero, aufgebracht
darüber, hintergangen worden zu sein, ohne einen Weg
finden zu können, jene Unterschlagung zu erweisen, den
Archimedes, die Ausfindigmachung eines solchen Ueber-
führungsweges auf sich zu nehmen. Dieser, damit eifrig
beschäftigt, kam nun zufällig in ein Bad, und als er
dort in die Wanne hinabstieg, bemerkte er, dass das
Wasser in gleichem Maasse über die Wanne austrete,
in welchem er seinen Körper mehr und mehr in die-
selbe niederliess. Sobald er nun auf den Grund dieser
Erscheinung gekommen war, verweilte er nicht länger,
sondern sprang von Freude getrieben aus der Wanne,
und nackend seinem Hause zulaufend zeigte er mit

Erstes Kapitel.
und Bestätigungen der bereits bekannten Sätze ergeben,
und die physikalische Erfahrung wurde durch die be-
treffenden Untersuchungen sehr bereichert. Wir wollen
deshalb diesem Gegenstande einige Blätter widmen.

2. Auch im Gebiete der Statik der Flüssigkeiten hat
Archimedes den Grund gelegt. Von ihm rührt der be-
kannte Satz über den Auftrieb (oder Gewichtsverlust)
der in Flüssigkeiten eingetauchten Körper her, über
dessen Auffindung Vitruv, „De architectura‟, lib. 9, Fol-
gendes berichtet:

„Von all den vielen wunderbaren und mannichfachen,
wol auch unendlich sinnreichen Entdeckungen des Ar-
chimedes aber will ich nur die anführen, welche auf
eine überaus kluge Weise gewonnen sein dürfte. Als
nämlich Hiero, nachdem er zu königlicher Macht er-
hoben worden, für seine glücklichen Thaten einen gol-
denen Kranz, den er gelobt hatte, in irgendeinem
Heiligthum weihen wollte, liess er diesen gegen Arbeits-
lohn fertigen, und wog das dazu nöthige Gold dem
Unternehmer genau vor. Dieser überlieferte seinerzeit
das zur vollen Zufriedenheit des Königs gefertigte Werk,
und auch das Gewicht des Kranzes schien genau zu
entsprechen.

„Als aber später die Anzeige gemacht wurde, es sei
Gold unterschlagen und dafür ebenso viel Silber bei-
gemischt worden, da beauftragte Hiero, aufgebracht
darüber, hintergangen worden zu sein, ohne einen Weg
finden zu können, jene Unterschlagung zu erweisen, den
Archimedes, die Ausfindigmachung eines solchen Ueber-
führungsweges auf sich zu nehmen. Dieser, damit eifrig
beschäftigt, kam nun zufällig in ein Bad, und als er
dort in die Wanne hinabstieg, bemerkte er, dass das
Wasser in gleichem Maasse über die Wanne austrete,
in welchem er seinen Körper mehr und mehr in die-
selbe niederliess. Sobald er nun auf den Grund dieser
Erscheinung gekommen war, verweilte er nicht länger,
sondern sprang von Freude getrieben aus der Wanne,
und nackend seinem Hause zulaufend zeigte er mit

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[80/0092] Erstes Kapitel. und Bestätigungen der bereits bekannten Sätze ergeben, und die physikalische Erfahrung wurde durch die be- treffenden Untersuchungen sehr bereichert. Wir wollen deshalb diesem Gegenstande einige Blätter widmen. 2. Auch im Gebiete der Statik der Flüssigkeiten hat Archimedes den Grund gelegt. Von ihm rührt der be- kannte Satz über den Auftrieb (oder Gewichtsverlust) der in Flüssigkeiten eingetauchten Körper her, über dessen Auffindung Vitruv, „De architectura‟, lib. 9, Fol- gendes berichtet: „Von all den vielen wunderbaren und mannichfachen, wol auch unendlich sinnreichen Entdeckungen des Ar- chimedes aber will ich nur die anführen, welche auf eine überaus kluge Weise gewonnen sein dürfte. Als nämlich Hiero, nachdem er zu königlicher Macht er- hoben worden, für seine glücklichen Thaten einen gol- denen Kranz, den er gelobt hatte, in irgendeinem Heiligthum weihen wollte, liess er diesen gegen Arbeits- lohn fertigen, und wog das dazu nöthige Gold dem Unternehmer genau vor. Dieser überlieferte seinerzeit das zur vollen Zufriedenheit des Königs gefertigte Werk, und auch das Gewicht des Kranzes schien genau zu entsprechen. „Als aber später die Anzeige gemacht wurde, es sei Gold unterschlagen und dafür ebenso viel Silber bei- gemischt worden, da beauftragte Hiero, aufgebracht darüber, hintergangen worden zu sein, ohne einen Weg finden zu können, jene Unterschlagung zu erweisen, den Archimedes, die Ausfindigmachung eines solchen Ueber- führungsweges auf sich zu nehmen. Dieser, damit eifrig beschäftigt, kam nun zufällig in ein Bad, und als er dort in die Wanne hinabstieg, bemerkte er, dass das Wasser in gleichem Maasse über die Wanne austrete, in welchem er seinen Körper mehr und mehr in die- selbe niederliess. Sobald er nun auf den Grund dieser Erscheinung gekommen war, verweilte er nicht länger, sondern sprang von Freude getrieben aus der Wanne, und nackend seinem Hause zulaufend zeigte er mit

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/92>, abgerufen am 28.04.2024.