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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Erstes Kapitel.
sei. Wer dieser Anschauung huldigt, wird den Fort-
schritt der Wissenschaft nicht hindern.

8. Werfen wir schliesslich noch einen Blick auf den
Kraftbegriff der Statik. Die Kraft ist ein Umstand,
welcher Bewegung im Gefolge hat. Mehrere derartige
Umstände, von welchen jeder einzelne Bewegung bedingt,
können zusammen auch ohne Bewegung vorkommen.
Die Statik untersucht eben die hierzu nöthige Ab-
hängigkeit dieser Umstände voneinander. Um die be-
sondere Art der Bewegung, welche durch eine Kraft
bedingt ist, kümmert sich die Statik weiter nicht. Die-
jenigen bewegungsbestimmenden Umstände, die uns am
besten bekannt sind, sind unsere eigenen Willensacte,
die Innervationen. Bei den Bewegungen, welche wir
selbst bestimmen, sowie bei jenen, zu welchen wir durch
äussere Umstände gezwungen sind, empfinden wir stets
einen Druck. Dadurch stellt sich die Gewohnheit her,
jeden bewegungsbestimmenden Umstand als etwas einem
Willensact Verwandtes und als einen Druck vorzu-
stellen. Die Versuche, diese Vorstellung als subjectiv,
animistisch, unwissenschaftlich zu beseitigen, misglücken
uns immer. Es kann auch nicht nützlich sein, wenn
man seinen eigenen natürlichen Gedanken Gewalt an-
thut, und sich zu freiwilliger Armuth derselben ver-
dammt. Wir werden bemerken, dass auch noch bei
Begründung der Dynamik die erwähnte Auffassung eine
Rolle spielt.

Wir können in vielen Fällen die in der Natur vor-
kommenden bewegungsbestimmenden Umstände durch
unsere Innervationen ersetzen, und dadurch die Vor-
stellung einer Intensitätsabstufung der Kräfte gewinnen.
Allein bei Beurtheilung dieser Intensität sind wir ganz
auf unsere Erinnerung angewiesen, und können unsere
Empfindung nicht mittheilen. Da wir aber jeden be-
wegungsbestimmenden Umstand auch durch ein Gewicht
darstellen können, so gelangen wir zu der Einsicht, dass
alle bewegungsbestimmenden Umstände (Kräfte) gleich-
artig seien, und durch Gewichtsgrössen ersetzt und ge-

Erstes Kapitel.
sei. Wer dieser Anschauung huldigt, wird den Fort-
schritt der Wissenschaft nicht hindern.

8. Werfen wir schliesslich noch einen Blick auf den
Kraftbegriff der Statik. Die Kraft ist ein Umstand,
welcher Bewegung im Gefolge hat. Mehrere derartige
Umstände, von welchen jeder einzelne Bewegung bedingt,
können zusammen auch ohne Bewegung vorkommen.
Die Statik untersucht eben die hierzu nöthige Ab-
hängigkeit dieser Umstände voneinander. Um die be-
sondere Art der Bewegung, welche durch eine Kraft
bedingt ist, kümmert sich die Statik weiter nicht. Die-
jenigen bewegungsbestimmenden Umstände, die uns am
besten bekannt sind, sind unsere eigenen Willensacte,
die Innervationen. Bei den Bewegungen, welche wir
selbst bestimmen, sowie bei jenen, zu welchen wir durch
äussere Umstände gezwungen sind, empfinden wir stets
einen Druck. Dadurch stellt sich die Gewohnheit her,
jeden bewegungsbestimmenden Umstand als etwas einem
Willensact Verwandtes und als einen Druck vorzu-
stellen. Die Versuche, diese Vorstellung als subjectiv,
animistisch, unwissenschaftlich zu beseitigen, misglücken
uns immer. Es kann auch nicht nützlich sein, wenn
man seinen eigenen natürlichen Gedanken Gewalt an-
thut, und sich zu freiwilliger Armuth derselben ver-
dammt. Wir werden bemerken, dass auch noch bei
Begründung der Dynamik die erwähnte Auffassung eine
Rolle spielt.

Wir können in vielen Fällen die in der Natur vor-
kommenden bewegungsbestimmenden Umstände durch
unsere Innervationen ersetzen, und dadurch die Vor-
stellung einer Intensitätsabstufung der Kräfte gewinnen.
Allein bei Beurtheilung dieser Intensität sind wir ganz
auf unsere Erinnerung angewiesen, und können unsere
Empfindung nicht mittheilen. Da wir aber jeden be-
wegungsbestimmenden Umstand auch durch ein Gewicht
darstellen können, so gelangen wir zu der Einsicht, dass
alle bewegungsbestimmenden Umstände (Kräfte) gleich-
artig seien, und durch Gewichtsgrössen ersetzt und ge-

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[78/0090] Erstes Kapitel. sei. Wer dieser Anschauung huldigt, wird den Fort- schritt der Wissenschaft nicht hindern. 8. Werfen wir schliesslich noch einen Blick auf den Kraftbegriff der Statik. Die Kraft ist ein Umstand, welcher Bewegung im Gefolge hat. Mehrere derartige Umstände, von welchen jeder einzelne Bewegung bedingt, können zusammen auch ohne Bewegung vorkommen. Die Statik untersucht eben die hierzu nöthige Ab- hängigkeit dieser Umstände voneinander. Um die be- sondere Art der Bewegung, welche durch eine Kraft bedingt ist, kümmert sich die Statik weiter nicht. Die- jenigen bewegungsbestimmenden Umstände, die uns am besten bekannt sind, sind unsere eigenen Willensacte, die Innervationen. Bei den Bewegungen, welche wir selbst bestimmen, sowie bei jenen, zu welchen wir durch äussere Umstände gezwungen sind, empfinden wir stets einen Druck. Dadurch stellt sich die Gewohnheit her, jeden bewegungsbestimmenden Umstand als etwas einem Willensact Verwandtes und als einen Druck vorzu- stellen. Die Versuche, diese Vorstellung als subjectiv, animistisch, unwissenschaftlich zu beseitigen, misglücken uns immer. Es kann auch nicht nützlich sein, wenn man seinen eigenen natürlichen Gedanken Gewalt an- thut, und sich zu freiwilliger Armuth derselben ver- dammt. Wir werden bemerken, dass auch noch bei Begründung der Dynamik die erwähnte Auffassung eine Rolle spielt. Wir können in vielen Fällen die in der Natur vor- kommenden bewegungsbestimmenden Umstände durch unsere Innervationen ersetzen, und dadurch die Vor- stellung einer Intensitätsabstufung der Kräfte gewinnen. Allein bei Beurtheilung dieser Intensität sind wir ganz auf unsere Erinnerung angewiesen, und können unsere Empfindung nicht mittheilen. Da wir aber jeden be- wegungsbestimmenden Umstand auch durch ein Gewicht darstellen können, so gelangen wir zu der Einsicht, dass alle bewegungsbestimmenden Umstände (Kräfte) gleich- artig seien, und durch Gewichtsgrössen ersetzt und ge-

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/90>, abgerufen am 28.04.2024.