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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Entwickelung der Principien der Statik.
durch eine Spitze bezeichnet. Drei miteinander ver-
knüpfte Fäden f, f', f" sind über Rollen r, r', r" gelegt,
welche an einer beliebigen Stelle des Kreisumfanges
festgestellt werden können, und werden durch Gewichte
p, p', p" belastet. Wenn z. B. drei gleiche Gewichte
aufgelegt, und die Rollen auf die Theilungspunkte 0,
120, 240 gestellt sind, so stellt sich der Knotenpunkt
der Fäden auf den Kreismittelpunkt ein. Drei gleiche
Kräfte unter Winkeln von 120° sind also im Gleich-
gewicht.

Will man einen andern Fall darstellen, so kann man
auf folgende Art verfahren. Man denkt
sich zwei beliebige Kräfte p, q unter einem
beliebigen Winkel [a], stellt dieselben durch
Linien dar und construirt über denselben
als Seiten ein Parallelogramm. Man fügt
ferner eine der Resultirenden r gleiche
und entgegengesetzte Kraft hinzu. Die
drei Kräfte p, q, -r halten sich unter
den aus der Construction ersichtlichen
Winkeln das Gleichgewicht. Man stellt
die Rollen des getheilten Kreises auf die

[Abbildung] Fig. 38.
Theilungspunkte o, [a], [Formel 1] , und belastet die zugehö-
rigen Fäden mit den Gewichten p, q, r. Der Ver-
knüpfungspunkt stellt sich auf den Kreismittelpunkt ein.

4. Das Princip der virtuellen Verschiebungen.

1. Wir gehen nun zur Besprechung des Princips
der virtuellen (möglichen) Verschiebungen über. Die
Gültigkeit dieses Princips wurde zuerst von Stevin zu
Ende des 16. Jahrhunderts bei Untersuchung des Gleich-
gewichts der Rollen und Rollensysteme bemerkt. Zunächst
behandelt Stevin die Rollensysteme in der noch jetzt ge-
wöhnlichen Weise. In dem Falle a (Fig. 39) herrscht
aus bereits bekannten Gründen Gleichgewicht bei beider-
seits gleicher Belastung P. Bei b hängt das Gewicht P
an zwei parallelen Schnüren, deren jede also das Ge-

Entwickelung der Principien der Statik.
durch eine Spitze bezeichnet. Drei miteinander ver-
knüpfte Fäden f, f′, f″ sind über Rollen r, r′, r″ gelegt,
welche an einer beliebigen Stelle des Kreisumfanges
festgestellt werden können, und werden durch Gewichte
p, p′, p″ belastet. Wenn z. B. drei gleiche Gewichte
aufgelegt, und die Rollen auf die Theilungspunkte 0,
120, 240 gestellt sind, so stellt sich der Knotenpunkt
der Fäden auf den Kreismittelpunkt ein. Drei gleiche
Kräfte unter Winkeln von 120° sind also im Gleich-
gewicht.

Will man einen andern Fall darstellen, so kann man
auf folgende Art verfahren. Man denkt
sich zwei beliebige Kräfte p, q unter einem
beliebigen Winkel [α], stellt dieselben durch
Linien dar und construirt über denselben
als Seiten ein Parallelogramm. Man fügt
ferner eine der Resultirenden r gleiche
und entgegengesetzte Kraft hinzu. Die
drei Kräfte p, q, -r halten sich unter
den aus der Construction ersichtlichen
Winkeln das Gleichgewicht. Man stellt
die Rollen des getheilten Kreises auf die

[Abbildung] Fig. 38.
Theilungspunkte o, [α], [Formel 1] , und belastet die zugehö-
rigen Fäden mit den Gewichten p, q, r. Der Ver-
knüpfungspunkt stellt sich auf den Kreismittelpunkt ein.

4. Das Princip der virtuellen Verschiebungen.

1. Wir gehen nun zur Besprechung des Princips
der virtuellen (möglichen) Verschiebungen über. Die
Gültigkeit dieses Princips wurde zuerst von Stevin zu
Ende des 16. Jahrhunderts bei Untersuchung des Gleich-
gewichts der Rollen und Rollensysteme bemerkt. Zunächst
behandelt Stevin die Rollensysteme in der noch jetzt ge-
wöhnlichen Weise. In dem Falle a (Fig. 39) herrscht
aus bereits bekannten Gründen Gleichgewicht bei beider-
seits gleicher Belastung P. Bei b hängt das Gewicht P
an zwei parallelen Schnüren, deren jede also das Ge-

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[45/0057] Entwickelung der Principien der Statik. durch eine Spitze bezeichnet. Drei miteinander ver- knüpfte Fäden f, f′, f″ sind über Rollen r, r′, r″ gelegt, welche an einer beliebigen Stelle des Kreisumfanges festgestellt werden können, und werden durch Gewichte p, p′, p″ belastet. Wenn z. B. drei gleiche Gewichte aufgelegt, und die Rollen auf die Theilungspunkte 0, 120, 240 gestellt sind, so stellt sich der Knotenpunkt der Fäden auf den Kreismittelpunkt ein. Drei gleiche Kräfte unter Winkeln von 120° sind also im Gleich- gewicht. Will man einen andern Fall darstellen, so kann man auf folgende Art verfahren. Man denkt sich zwei beliebige Kräfte p, q unter einem beliebigen Winkel α, stellt dieselben durch Linien dar und construirt über denselben als Seiten ein Parallelogramm. Man fügt ferner eine der Resultirenden r gleiche und entgegengesetzte Kraft hinzu. Die drei Kräfte p, q, -r halten sich unter den aus der Construction ersichtlichen Winkeln das Gleichgewicht. Man stellt die Rollen des getheilten Kreises auf die [Abbildung Fig. 38.] Theilungspunkte o, α, [FORMEL], und belastet die zugehö- rigen Fäden mit den Gewichten p, q, r. Der Ver- knüpfungspunkt stellt sich auf den Kreismittelpunkt ein. 4. Das Princip der virtuellen Verschiebungen. 1. Wir gehen nun zur Besprechung des Princips der virtuellen (möglichen) Verschiebungen über. Die Gültigkeit dieses Princips wurde zuerst von Stevin zu Ende des 16. Jahrhunderts bei Untersuchung des Gleich- gewichts der Rollen und Rollensysteme bemerkt. Zunächst behandelt Stevin die Rollensysteme in der noch jetzt ge- wöhnlichen Weise. In dem Falle a (Fig. 39) herrscht aus bereits bekannten Gründen Gleichgewicht bei beider- seits gleicher Belastung P. Bei b hängt das Gewicht P an zwei parallelen Schnüren, deren jede also das Ge-

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/57>, abgerufen am 28.04.2024.