Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Entwickelung der Principien der Dynamik.
der Körper zur Verfügung haben, so sind wir hierbei
auf keinen bestimmten Körper angewiesen, und können
abwechselnd bald von diesem, bald von jenem absehen.
Hierdurch entstand die Meinung, dass diese Körper
überhaupt gleichgültig seien.

Es wäre wol möglich, dass die isolirten Körper A,
B, C
.... bei Bestimmung der Bewegung des Körpers
K nur eine zufällige Rolle spielten, dass die Bewegung
durch das Medium bestimmt wäre, in welchem sich K
befindet. Dann müsste man aber an die Stelle des
Newton'schen absoluten Raumes jenes Medium setzen.
Diese Vorstellung hat Newton entschieden nicht gehabt.
Zudem lässt sich leicht nachweisen, dass die Luft jenes
bewegungsbestimmende Medium nicht ist. Man müsste
also an ein anderes etwa den Weltraum erfüllendes
Medium denken, über dessen Beschaffenheit und über
dessen Bewegungsverhältniss zu den darin befindlichen
Körpern wir gegenwärtig eine ausreichende Kenntniss
nicht haben. An sich würde ein solches Verhältniss
nicht zu den Unmöglichkeiten gehören. Es ist durch
die neuern hydrodynamischen Untersuchungen bekannt,
dass ein starrer Körper in einer reibungslosen Flüssig-
keit nur bei Geschwindigkeitsänderungen einen Wider-
stand erfährt. Zwar ist dieses Resultat aus der Vor-
stellung der Trägheit theoretisch abgeleitet, es könnte
aber umgekehrt auch als die erste Thatsache angesehen
werden, von der man auszugehen hätte. Wenn auch
mit dieser Vorstellung praktisch zunächst nichts anzu-
fangen wäre, so könnte man doch hoffen, über dieses
hypothetische Medium in Zukunft mehr zu erfahren, und
sie wäre naturwissenschaftlich noch immer werthvoller,
als der verzweifelte Gedanke an den absoluten Raum.
Bedenken wir, dass wir die isolirten Körper A, B, C ....
nicht wegschaffen, also über ihre wesentliche oder zu-
fällige Rolle durch den Versuch nicht entscheiden
können, dass dieselben bisher das einzige und auch aus-
reichende Mittel zur Orientirung über Bewegungen und
zur Beschreibung der mechanischen Thatsachen sind,

Die Entwickelung der Principien der Dynamik.
der Körper zur Verfügung haben, so sind wir hierbei
auf keinen bestimmten Körper angewiesen, und können
abwechselnd bald von diesem, bald von jenem absehen.
Hierdurch entstand die Meinung, dass diese Körper
überhaupt gleichgültig seien.

Es wäre wol möglich, dass die isolirten Körper A,
B, C
.... bei Bestimmung der Bewegung des Körpers
K nur eine zufällige Rolle spielten, dass die Bewegung
durch das Medium bestimmt wäre, in welchem sich K
befindet. Dann müsste man aber an die Stelle des
Newton’schen absoluten Raumes jenes Medium setzen.
Diese Vorstellung hat Newton entschieden nicht gehabt.
Zudem lässt sich leicht nachweisen, dass die Luft jenes
bewegungsbestimmende Medium nicht ist. Man müsste
also an ein anderes etwa den Weltraum erfüllendes
Medium denken, über dessen Beschaffenheit und über
dessen Bewegungsverhältniss zu den darin befindlichen
Körpern wir gegenwärtig eine ausreichende Kenntniss
nicht haben. An sich würde ein solches Verhältniss
nicht zu den Unmöglichkeiten gehören. Es ist durch
die neuern hydrodynamischen Untersuchungen bekannt,
dass ein starrer Körper in einer reibungslosen Flüssig-
keit nur bei Geschwindigkeitsänderungen einen Wider-
stand erfährt. Zwar ist dieses Resultat aus der Vor-
stellung der Trägheit theoretisch abgeleitet, es könnte
aber umgekehrt auch als die erste Thatsache angesehen
werden, von der man auszugehen hätte. Wenn auch
mit dieser Vorstellung praktisch zunächst nichts anzu-
fangen wäre, so könnte man doch hoffen, über dieses
hypothetische Medium in Zukunft mehr zu erfahren, und
sie wäre naturwissenschaftlich noch immer werthvoller,
als der verzweifelte Gedanke an den absoluten Raum.
Bedenken wir, dass wir die isolirten Körper A, B, C ....
nicht wegschaffen, also über ihre wesentliche oder zu-
fällige Rolle durch den Versuch nicht entscheiden
können, dass dieselben bisher das einzige und auch aus-
reichende Mittel zur Orientirung über Bewegungen und
zur Beschreibung der mechanischen Thatsachen sind,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0227" n="215"/><fw place="top" type="header">Die Entwickelung der Principien der Dynamik.</fw><lb/>
der Körper zur Verfügung haben, so sind wir hierbei<lb/>
auf keinen <hi rendition="#g">bestimmten</hi> Körper angewiesen, und können<lb/>
abwechselnd bald von diesem, bald von jenem absehen.<lb/>
Hierdurch entstand die Meinung, dass diese Körper<lb/>
überhaupt gleichgültig seien.</p><lb/>
          <p>Es wäre wol möglich, dass die isolirten Körper <hi rendition="#i">A,<lb/>
B, C</hi> .... bei Bestimmung der Bewegung des Körpers<lb/><hi rendition="#i">K</hi> nur eine zufällige Rolle spielten, dass die Bewegung<lb/>
durch das <hi rendition="#g">Medium</hi> bestimmt wäre, in welchem sich <hi rendition="#i">K</hi><lb/>
befindet. Dann müsste man aber an die Stelle des<lb/>
Newton&#x2019;schen absoluten Raumes jenes Medium setzen.<lb/>
Diese Vorstellung hat Newton entschieden nicht gehabt.<lb/>
Zudem lässt sich leicht nachweisen, dass die Luft jenes<lb/>
bewegungsbestimmende Medium nicht ist. Man müsste<lb/>
also an ein anderes etwa den Weltraum erfüllendes<lb/>
Medium denken, über dessen Beschaffenheit und über<lb/>
dessen Bewegungsverhältniss zu den darin befindlichen<lb/>
Körpern wir gegenwärtig eine ausreichende Kenntniss<lb/>
nicht haben. An sich würde ein solches Verhältniss<lb/>
nicht zu den Unmöglichkeiten gehören. Es ist durch<lb/>
die neuern hydrodynamischen Untersuchungen bekannt,<lb/>
dass ein starrer Körper in einer reibungslosen Flüssig-<lb/>
keit nur bei Geschwindigkeit<hi rendition="#g">sänderungen</hi> einen Wider-<lb/>
stand erfährt. Zwar ist dieses Resultat aus der Vor-<lb/>
stellung der Trägheit theoretisch abgeleitet, es könnte<lb/>
aber umgekehrt auch als die erste Thatsache angesehen<lb/>
werden, von der man auszugehen hätte. Wenn auch<lb/>
mit dieser Vorstellung praktisch zunächst nichts anzu-<lb/>
fangen wäre, so könnte man doch hoffen, über dieses<lb/>
hypothetische Medium in Zukunft mehr zu erfahren, und<lb/>
sie wäre naturwissenschaftlich noch immer werthvoller,<lb/>
als der verzweifelte Gedanke an den absoluten Raum.<lb/>
Bedenken wir, dass wir die isolirten Körper <hi rendition="#i">A, B, C</hi> ....<lb/>
nicht wegschaffen, also über ihre wesentliche oder zu-<lb/>
fällige Rolle durch den Versuch nicht entscheiden<lb/>
können, dass dieselben bisher das einzige und auch aus-<lb/>
reichende Mittel zur Orientirung über Bewegungen und<lb/>
zur Beschreibung der mechanischen Thatsachen sind,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0227] Die Entwickelung der Principien der Dynamik. der Körper zur Verfügung haben, so sind wir hierbei auf keinen bestimmten Körper angewiesen, und können abwechselnd bald von diesem, bald von jenem absehen. Hierdurch entstand die Meinung, dass diese Körper überhaupt gleichgültig seien. Es wäre wol möglich, dass die isolirten Körper A, B, C .... bei Bestimmung der Bewegung des Körpers K nur eine zufällige Rolle spielten, dass die Bewegung durch das Medium bestimmt wäre, in welchem sich K befindet. Dann müsste man aber an die Stelle des Newton’schen absoluten Raumes jenes Medium setzen. Diese Vorstellung hat Newton entschieden nicht gehabt. Zudem lässt sich leicht nachweisen, dass die Luft jenes bewegungsbestimmende Medium nicht ist. Man müsste also an ein anderes etwa den Weltraum erfüllendes Medium denken, über dessen Beschaffenheit und über dessen Bewegungsverhältniss zu den darin befindlichen Körpern wir gegenwärtig eine ausreichende Kenntniss nicht haben. An sich würde ein solches Verhältniss nicht zu den Unmöglichkeiten gehören. Es ist durch die neuern hydrodynamischen Untersuchungen bekannt, dass ein starrer Körper in einer reibungslosen Flüssig- keit nur bei Geschwindigkeitsänderungen einen Wider- stand erfährt. Zwar ist dieses Resultat aus der Vor- stellung der Trägheit theoretisch abgeleitet, es könnte aber umgekehrt auch als die erste Thatsache angesehen werden, von der man auszugehen hätte. Wenn auch mit dieser Vorstellung praktisch zunächst nichts anzu- fangen wäre, so könnte man doch hoffen, über dieses hypothetische Medium in Zukunft mehr zu erfahren, und sie wäre naturwissenschaftlich noch immer werthvoller, als der verzweifelte Gedanke an den absoluten Raum. Bedenken wir, dass wir die isolirten Körper A, B, C .... nicht wegschaffen, also über ihre wesentliche oder zu- fällige Rolle durch den Versuch nicht entscheiden können, dass dieselben bisher das einzige und auch aus- reichende Mittel zur Orientirung über Bewegungen und zur Beschreibung der mechanischen Thatsachen sind,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/227
Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/227>, abgerufen am 04.05.2024.